Kategorie-Archiv: Oberösterreich

29. 9. 2015: Wels nach der Wahl – Wels vor der Wahl?

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Nöfas Cafe-Bar
Schubertstr. 9, 4600 Wels

Am Dienstag nach den Landtags-, Gemeinderats- und BürgermeisterInnenwahlen wollen wir alle FreundInnen und Mitglieder der Welser Initiative gegen Faschismus einladen um die Ergebnisse zu besprechen – und die Zukunft.

Moderation: Thomas Rammerstorfer

Die Putin-Fans aus Linz

Die neue Rechtspostille „Info-Direkt“ steigt für den russischen Präsidenten und gegen eine „Homo-Lobby“ in den Ring. Man will sich im „Alten Rathaus“ präsentieren

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Von der ersten Seite lässt das neue Medienprojekt keinen Zweifel an seiner Ausrichtung, oder besser: an seiner Mission. Auf der Titelseite prangt ER, wie er sich gerade die Sonnenbrille richtet. „Wir wollen einen wie Putin“ steht in dicken Lettern drunter. So gehts weiter, Schlag auf Schlag, Seite für Seite. Auf der vierten gibts das nächste Putin-Bild in cooler Pose, das Vorwort auf Seite 5 widmet sich dem russischen Präsidenten… dann folgt die 4-seitige Coverstory mit weiteren drei Putin-Bildern und einer ausführlichen Lobhuldigung seines vermeintlich segensreichen Wirkens für die Welt.

Die Seiten 10 bis 13 gehören Alexander Dugin, einem rechtsextremen Berater von Putin. Dugin erklärt auch, wer hinter allen bösen Behauptungen über den Meister steckt. Neben ukrainischen Neonazis und Hooligans – die „Homo-Lobby!“

Dugin:

„ (…) die linken und liberalen Gruppen oder auch die Homosexuellen-Lobby sind ja nicht weniger gefährlich als die gewaltbereiten Hooligans (…)“

Info-Direkt:

„Sie sagen, die liberalen und linken Gruppen, aber auch die Schwulenaktivisten seien nicht weniger gefährlich als gewaltbereite Hooligans?“

Dugin:

„Auch die Homo-Lobby hat außerordentlich extremistische Ansichten darüber, wie unsere Gesellschaft deformiert werden soll. (…) Die Schwulen- und Lesbenlobby ist nicht weniger gefährlich als Neonazi-Gruppen!“

Das Interview führte der deutsche Rechtsextremist Manuel Ochsenreiter.

Seite 13 und 14 widmen sich dann Putins Wirtschaftspolitik (einer einzigen Erfolgsstory natürlich), ehe es wiederum mit Manuel Ochsenreiter in den – O-Ton! – „Vorgarten Wladimir Putins“ geht – die Ostukraine. Jubelrusse Ochsenreiter durfte dort als „Wahlbeobachter“ wirken.

Es folgt eine Doppelseite mit einem Foto und ausgewählten Zitaten von… sie dürfen raten! Jedenfalls gehts auf den nächsten Seiten, also 20 bis 22, über „Putins Feinde in Russland“. Da wäre z. B. der böse Oligarch Newslin, dem im Artikel ausführliche Beziehungen nach Israel nachgesagt werden. Seite 22 bringt ein Interview mit dem russischen Generalkonsul in Salzburg, Sergej Smirnow. Seite 24 und 25 berichtet über „Religion als Seele der Kultur“, garniert mit einem Foto von Putin und dem orthodoxen Patriarchen. Es folgt ein Bericht über das deutsch-russische Verhältnis (Foto: Putin mit Merkel).

Dann eine wahre Putin-Entwöhnung: 3 Seiten zur PEGIDA, eine zu Südtirol, 2 über die bösen Linken, dann einfach mal eine halbnackte Frau, gefolgt von einem einseitigen Buchauszug von Akif Pirincci.

Erst im Kulturteil endlich wieder Putin, diesmal in einem Interview mit dem Wiener Friedenswahnmacher Stephan Bartunek. Der hatte eines schönen Tages „selbst recherchiert und verblüfft festgestellt: Putin hat recht.“ Es folgen Porträts der Salzburger Neofolkgruppe „Jännerwein“ (enttäuschend: ohne eine einzige Putin-Erwähnung!) sowie der Organisatorin des russischen Balls in Wien, Nathalie Holzmüller. Nach 3 Seiten diverser Zitate („Wladimir Putin: In der Ukraine kämpft eine NATO-Legion“), auf Seite 47 endlich wieder mal ein Putin-Bild. Die letzte Seite widmet sich der Vorankündigung der nächsten Ausgabe. Zur Präsentation hat man sich illustre Räumlichkeiten angemietet: In Wien (24. 4.) das Hotel Astoria, in Linz (25. 4.) das Alte Rathaus. Da stellt sich die Frage, wer finanziert eigentlich den Spaß, woher rollt der Rubel? Immerhin geht’s um ein 48-seitiges Hochglanzmagazin, das kostenlos an potentiell Interessierte versandt wurde, in edlen Locations präsentiert wird, offenbar eigene Redaktionsräumlichkeiten angemietet hat… und das ohne auch nur ein einziges Inserat! Auf der homepage findet man die Antwort: Info-Direkt werde „von niemanden finanziert[1].

Viel mehr Transparenz ist auch bezüglich der AutorInnen nicht vorhanden. Die meisten Artikel sind nicht namentlich gezeichnet. Zum „Medieninhaber, Hersteller, Herausgeber und Redaktion“ erklärt sich ein „Verein für Meinungsfreiheit und unabhängige Publizistik“ aus der Linzer Ellbognerstraße (die Anschrift des Magazins ist allerdings in der Dieselstraße). Obmann Karl Winkler (an anderer Stelle auch: Karl Winkler-Ellbogner). Dieser ist nicht ganz unbekannt als OÖ-Vorsitzender der „Österreichischen Landsmannschaft“. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) bezeichnet diese als „rechtsextreme Organisation mit vordergründig humanitärer Ausrichtung, die vor allem im publizistischen Bereich beträchtliche Aktivitäten setzt und aufgrund ihrer ideologisch-kulturellen Tätigkeit eine wichtige integrative Funktion für das deutschnationale und rechtsextreme Lager erfüllt.“[2]

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Thomas Rammerstorfer

[1] http://www.info-direkt.at/ueber-uns/

[2] http://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/rechtsextreme-organisationen/schutzverein-oesterreichische-landsmannschaft-oelm

„…dann seid ihr dran“: Linzer „Graue Wölfe“ hetzen gegen ArmenierInnen

In der Türkei wird am Vorabend des 100. Jahrestages des Beginns des Völkermordes an den ArmenierInnen dieser von Faschisten gefeiert und für anti-armenische Provokationen genutzt. Dort wurden von „Grauen Wölfen“ dutzende Transparente mit der Aufschrift „Wir freuen uns, dass unser Land von den Armeniern gereinigt wurde. Gratulation zum 100. Jahrestag. Wir sind stolz auf unsere Großeltern!“ verbreitet, siehe
http://www.thomasrammerstorfer.at/2015/02/24/graue-woelfe-feiern-genozid-an-den-armenierinnen/

Auch in Österreich verbreiteten die AnhängerInnen der Ultranationalisten revisionistische Propaganda und kaum verhohlene Drohungen. Um die angenommene Niederträchtigkeit der ArmenierInnen zu belegen, wird besonders gerne auf ein Ereignis aus dem armenisch-aserbaidschanischen Krieg zurückgegriffen, dem so genannten „Massaker von Chodschaeli“. In Chodschaeli (türk. Hocaeli) kamen unter nicht geklärten Umständen zumindest 100, nach anderen Angaben sogar mehrere hundert aserbaidschanische ZivilistInnen zu Tode. Während die – mit der Türkei verbündeten – Aseris von einem Massaker oder gar von einem Völkermord sprachen, wird diese Version vielfach angezweifelt. „Ich bezweifle, dass die Armenier den Aserbaidschanern erlaubt hätten, ihre Toten einzusammeln, wenn die Vorwürfe eines Massakers wahr wären.“, meinte selbst der ehemalige Präsident Aserbaidschans, Ajas Mutalibow. Einen ausführlichen und ausgewogenen Bericht zu den Ereignissen gibt es auf wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Chodschali

Freilich kann an dieser Stelle das Ereignis nicht aufgeklärt werden; auch soll keineswegs bestritten werden, dass es auch von Seiten der armenischen Republik im Berg Karabach-Konflikt zu Kriegsverbrechen kam. Doch den heimischen „Grauen Wölfen“, insbesondere „Avrasya Linz“ scheint es ohnehin weniger um die Wahrheitssuche zu gehen, sondern um Propaganda und Drohungen. So heißt es in der Werbung für eine Veranstaltung zum Thema: „Die Knechtschaft wird enden, dann seid ihr dran. Die sich als Armenier bezeichnen, von denen hört man nichts zur Zeit!“ („Bu esaret kalkacak size gelecek sıra, Ermeni’yiz diyenler ses vermiyor bu ara!“).

In einem posting zum Thema des auch von „Avrasya Linz“ als „Völkermord“ („soykırım“) bezeichneten Ereignisses den ArmenierInnen zu drohen: „dann seid ihr dran“ („size gelecek sıra“), dass lässt wohl wenig Interpretationsspielraum offen.

Verbreitet wurde das Ganze direkt über den Avrasya-Account, aber auch von Obmann Davut Güvenc, siehe:
avrasyaermeni

Meinungsfreiheit hat ihre Grenzen in Linz – zur Friedensdemo am 24. Jänner

Samstag, 24. Jänner auf der Linzer Hauptstraße: „Meinungsfreiheit hat auch ihre Grenzen!“ steht auf einem Schild, davor marschieren neben den veranstaltenden Notabeln der Islamischen Glaubensgemeinschaft und der katholischen Kirche die heimischen SpitzenpolitikerInnen von SPÖ (Klaus Luger, Gertraud Jahn) und Grünen (Rudi Anschober). Zur Samstagsrede schaut auch Landeshauptmann Pühringer vorbei.
Wie eng man diese Grenzen zieht, wird schon im Vorfeld klar gemacht: Neben „keine Flaggen“ oder „kein Geschrei, keine Parolen“ heißt es da auch „keine „ich bin Charlie“ Plakate, seien sie auf deutsch oder auf französisch“. Die weltweite Solidaritätsparole mit den Opfern von Paris ist nicht erwünscht in Linz. Nachzulesen in der Anordnung der „Islamischen Glaubensgemeinde“ an die TeilnehmerInnen.
Ebenso nicht erwünscht – oder zumindest nicht eingeladen – waren kurdischen, alevitische, jüdische und linke Organisationen. Auch das Oberösterreichische Antifa-Netzwerk nicht. Blieb ein relativ skurriles Sammelsurium aus allerhand Moscheevereinen, der Volkshilfe, Migrare und dem Linzer Ableger der faschistischen „Grauen Wölfe“ (Avrasya). Dominiert wurde der Aufmarsch von einem gutem Dutzend „ALIF“-Transparenten. ALIF (Avusturya Linz Islam Federasyonu = Millî Görüş) kann man zu diesem Coup nur gratulieren, Außenstehende müssen wohl den Eindruck einer reinen Millî Görüş-Veranstaltung bekommen haben.
Nun ist es zum einen erfreulich, dass sich auch konservative Muslime gegen Terrorismus aussprechen wollen. Ein ähnliches Engagement „mehrheitsösterreichischer“ Konservativer gegen rechtsextreme Gewalt vermissen wir schmerzlich. Trotzdem: der Ausschluss von einigen der Hauptopfergruppen djihadistischer Verbrechen hinterlässt einen schalen Beigeschmack.
Dass es auch anders geht hat man glücklicherweise zwei Wochen vorher in Wels gezeigt. Auch hier initiierten die Religionsgemeinschaften eine gemeinsame Friedenskundgebung, es wurden aber auch linke kurdisch-türkische und antifaschistische Organisationen zur Teilnahme eingeladen. Und Charlie durfte auch dabei sein.

Thomas Rammerstorfer

PS: Eine Kritik gibt es auch von der Taksim Initiative Linz: http://www.taksiminitiativelinz.at/image-kur-fuer-das-ansehen-des-politischen-islam-im-stil-einer-populistischen-strategie/

1 Veröffentlicht am 22. Jänner 2015 auf verschiedenen Facebook-Seiten
2 Zumindest keine der von mir befragten; ich bitte um Hinweise, falls ich hier falsch liege.

FÄKALKÜNSTLER UND ASOZIALE ALIMENTE

aus KUPFzeitung Nr. 152

Der Kulturkampf der 1990er, 20 Jahre Guttenbrunner Erklärung der KUPF – und was wurde. Rechtsextremismus in allen seinen Facetten ist ein allgegenwärtiger Tatbestand im politischen Spektrum Oberösterreichs. Die KUPFzeitung hat den Journalisten Thomas Rammerstorfer gebeten, die Geschichte und Gegenwart des rechten „Kulturkampfs“ gegen freie Zeitkultur in Oö nachzuzeichnen.

kupf

«Bombe im Alten Schlachthof. Tod allen linken und asozialen Alimenten (sic)» teilte ein anonymer Anrufer während des «Music Unlimited»-Jazzfestivals der Welser Polizei mit. Der Schlachthof wurde geräumt, keine Bombe gefunden, und die «Alimente » konnten weiterfeiern. Eine Episode aus dem Jahr 1995, folgenlos, aber kennzeichnend für eine gewisse Stimmung. Auch die FPÖ hatte gegen das (O-Ton) «total beschränkte Festival» protestiert. Bereits 1992 (gegen eine Ausstellung von Cornelius Kolig, der von Jörg Haider als «Fäkalkünstler» tituliert wurde [1]) und 1993 (gegen eine Ausstellung von Hermann Nitsch) gingen Neonazis und christliche Rechte in Wels auf die Straße.

Wien

Begonnen hatte das alles nicht in Wels, und auch nicht in Linz, sondern in Wien. 1986 wurde nicht nur ein Kurt Waldheim Bundespräsident und ein Jörg Haider FPÖ-Obmann. Es gab da noch Claus Peymann, der die Direktion des Burgtheater übernahm und für die nächsten Jahre als hauptsächlicher Reibebaum konservativer und rechtsextremer Kulturkämpfer fungierte. Insbesondere die Inszenierung des «Heldenplatz » von Thomas Bernhard im Gedenkjahr 1988 brachte das vereinte Spießertum auf die Barrikaden des Boulevards, und in Form einer Gegendemonstration am Premierentag auch tatsächlich auf die Straße. Noch jahrelang sollte es heiß her gehen: 1991 räumte Kanzler Vranitzky erstmals so etwas wie eine Mittäterschaft von ÖsterreicherInnen an den Verbrechen der Nazis ein. Gleichzeitig erreichte die Fremdenfeindlichkeit im Lande erste, traurige Höhepunkte durch rechte Wahlerfolge und Gewalttaten. 1993 folgte schließlich das Lichtermeer, die Manifestation eines «guten» Österreichs, in dem die Kunstund Kulturszene praktisch geschlossen der rassistischen FPÖ-Hetze eine Absage erteilte. Spätestens hier dämmerte den Blauen: Die Kulturschaffenden – von A wie Ambros bis Z wie Zillertaler Schürzenjäger – sind gegen uns.

Der „Kunst und Politik Furz“ und die Guttenbrunner Erklärung

Der Kampf gegen die «kulturelle Hegemonie» der «Linken» wurde 1993, einige Monate nach dem Lichtermeer, von Jörg Haider in seinem Werk «Die Freiheit, die ich meine» quasi offiziell proklamiert: «Ohne werteverteidigenden Kulturkampf ist eine Überwindung des linken Kulturfaschismus nicht möglich» [2].
In weiterer Folge konzentrierte sich die Rechte auf zwei Linien. Zum einen die Kritik an den sogenannten «hochsubventionierten Staatskünstlern», die mutmaßlich im Auftrag der herrschenden Sozialdemokratie gegen die ihre Privilegien in Frage stellenden Freiheitlichen agitierten. Diese Debatten liefen vor allem auf Bundesebene. Auf Landes- und Gemeindeebene wurde den Alternativkulturszenen, die, wenn nicht ohnehin semi-terroristisch, so doch zumindest jugendversauend wirkten, der Krieg erklärt. Ab 1994 erreichte die Intensität des Kulturkampfes in Oberösterreich lichte Höhen und ungeahnte Tiefpunkte. Die FPÖ veröffentlichte ein Pamphlet mit dem Namen «Kunst und Politik Furz». Diese gegen die KUPF-Vereine und das «Festival der Regionen» gerichtete «Dokumentation» wurde allen freiheitlichen Gemeinde- und LandespolitikerInnen als «Argumentationshilfe » zugestellt. In Anti-Antifa-Manier waren – nicht mal ein Jahr nach der ersten Briefbombenwelle – AktivistInnen der KUPF-Vereine mit Foto und Adresse aufgelistet.
1995, das war das Jahr des missglückten Bombenattentats zweier Linksradikaler im niederösterreichischen Ebergassing, beide waren unter nie ganz geklärten Umständen dort zu Tode gekommen, witterte man eine anarchistische Terrorgefahr. FPÖ und Boulevardblätter übten sich im Konstruieren linksradikaler Netzwerke, die vermeintlich ganz Österreich überzogen. In Oberösterreich waren es wiederum hauptsächlich KUPF-Vereine, die «Handlangerdienste für die linke Gewaltszene leisten» [3], so der damalige FPÖ-Obmann Achatz. Dazu zählte Achatz etwa die Linzer Stadtwerkstatt, den – als Gegenpol zur jährlichen freiheitlichen Veranstaltung in Ried im Innkreis gedachten – «Kulturpolitischen Aschermittwoch», und natürlich den Schwertberger KANAL, der als Wiederverkaufsstelle des «TATblatt» sowieso eine Art Vorhof zur Hölle sein musste. Zum obersten Feldherr der freiheitlichen Kulturkämpfer avancierte der Wiener Rechtsextremist Walter Marinovic [4] mit gleich drei Büchern zum Thema in den Jahren 1994 und 1995. Diverse Gerichtsverfahren KUPF vs . FPÖ zogen sich bis 1997 und wurden allesamt von den Guten gewonnen.
In diesem Klima entstand die «Guttenbrunner Erklärung» [5] als «eine Grundsatzerklärung der KUPF (…) anlässlich der kulturfeindlichen Tendenzen der FPÖ.» In 15 Punkten distanziert sich die KUPF von den Anwürfen und verteidigt eine tolerante Kulturpolitik. Man «erklärt sich mit allen solidarisch, die sich (…) für eine liberale, tolerante, demokratische, menschliche und friedfertige Gesellschaft einsetzen.» In der Praxis lief dies nicht ohne Differenzen. Geschäftsführer Günther Mitter verließ die KUPF im Jahr nach der Guttenbrunner Erklärung «im Streit, weil man von mir verlangte, Solidaritätsadressen gegenüber anarchistischen Gruppen zu verfassen» [6], so Mitter.

Warum Oö?

In keinem anderen Bundesland wurde der Kulturkampf so intensiv und an so vielen Schauplätzen geführt. Auch die eingesetzten Mitteln der Rechten waren vielfältig: Demonstrationen und Kundgebungen, Pressearbeit, Broschüren und Bücher, Verleumdungen und Bombendrohungen. Da stellen sich nun Fragen. Ist Oberösterreich kulturpolitisch besonders konservativ? Das mag im Vergleich zu Wien, das in den kulturellen und soziologischen Prozessen etwa 5 bis 10 Jahre voraus war, gelten, sicher nicht im Vergleich zu anderen Bundesländern. Nein, dass sich «freie Szene» und «freiheitliche Partei» so in die Haare gerieten, lag in erster Linie mal daran, dass sie beide in gewisser Größe existierten. Nirgends hatte (und hat) die FPÖ mehr Mitglieder und entsprechende Strukturen als in Oberösterreich; nirgendwo stand (und steht?) ihr mehr zivilgesellschaftlicher Widerstand gegenüber.

Heute

Den Brachialattacken der 1990er Jahre hielt die «freie Szene» tapfer stand. Bald wanderte der rechte Zirkus zum nächsten Feindbild weiter. Seither hat man allzu offensichtliche kulturkämpferische Kampagnen unterlassen. Insbesondere im Wetteifern um die Stimmen der JungwählerInnen gibt man sich lieber modern-populistisch denn reaktionär- verbohrt. Zudem wähnt man sich spätestens und seit dem Trachtenboom und den Erfolgen des Andreas Gabalier ohnehin als Sieger im Kampf um die kulturelle Hegemonie – meines Erachtens zu Recht. Wo es möglich ist, haut man der Alternativkultur aber immer noch gern das Hackl ins Kreuz, siehe zum Beispiel die Groteske um den KUPF-Innovationstopf 2010 oder die Kürzung der Subvention für den «Alten Schlachthof» in Wels 2013. Die Taktiken haben sich geändert, die Ideologie ist die gleiche geblieben.

Die andere Frage ist: Sind auch «wir» die gleichen geblieben? Das muss man wohl verjeinen. Wir erleben ein gutes Vierteljahrhundert rechter Dauerberieselung, ein Vierteljahrhundert, in dem sich die sozialen Verhältnisse krass zu Ungunsten der sozial Schwachen verändert haben, während die breite Öffentlichkeit sich mit mehr oder weniger rassistischen Diskursen bei schlechter Laune hält. Die Aufgeregtheit vom Anfang der 1990er, als FPÖ-Wahlerfolge, Neonazis, Briefbomben und die rechtsextreme Massenmobilisierung in Deutschland die Ära gesellschaftspolitischen Fortschritts jäh beendeten, ist weg. Freilich hat sich an den grundlegenden Positionen der KUPF nichts geändert, sie wurden 2009 auch nochmal verdeutlicht [7]. Die breite Mobilisierung zum Thema der vielleicht auch schmäler gewordenen Basis ist nicht mehr so einfach.

Im Kulturbereich schien die Frontstellung vor 30 Jahren deutlich klarer als heute. Es gab – zumindest stellte es sich einem so dar – das «alte», Klassik, Schlager, Blasmusik, Goldhauben, konservativ, reaktionär, rechts, böse! Und eben das «junge», alternative, das musikalisch quasi alle anderen Stilrichtungen umfasste und sich politisch meist als links, mindestens aber als gesellschaftskritisch verstand. Gerade in Oberösterreich war diese Bewegung sehr breit und vielfältig und hatte großes subversives Potential. Das wurde von der ÖVP und der SPÖ durchaus erkannt und mit Hilfe von relativ viel Zuckerbrot integriert und weitgehend egalisiert. Die FPÖ hätte lieber die Peitsche gesehen und daran hat sich wohl nichts geändert. Die Frage der Zukunft wird sein, ob sich die KulturarbeiterInnen auf die Verteidigung des Brotes beschränken oder sich wieder mehr im Kampf um Kuchen für alle engagieren.

[1] Ich kann’s mir nicht verkneifen anzumerken, dass Haider Herrn Kolig 2006 den Kärntner Landeskulturpreis überreichte. Kolig nahm ihn via Greifzangen entgegen.

[2] Jörg Haider, Die Freiheit, die ich meine, S. 230, 1993

[3] Das linke Netz in Oberösterreich, in „Rund um uns“ Nr. 461

[4] web.archive.org/web/20121026184939/gruene.at/uploads/media/Marinovic.pdf

[5] kupf.at/positionen/guttenbrunner-erkl-rung

[6] Mitter, Tante KUPF, in „20 Jahre KUPF“, S. 38

[7] kupf.at/positionen/kulturpolitik/positionspapiere/no-pasaran

10. 12. ´14: „Grenzenlos rechtsextrem“ in Salzburg

19:00 Vortrag „GRENZENLOS RECHTSEXTREM. Die braune Szene in Bayern und Österreich. Parallelen, Unterschiede und Vernetzungen.“

Vortragende: Thomas Rammerstorfer, Journalist und Rechtsextremismusexperte // Mario Born, Historiker und Politikwissenschaftler

Ort: Unipark Nonntal, HS E.003

VeranstalterInnen:
Grüne und Alternative StudentInnen Salzburg & Junge Grüne

18. 11. 2014: Eröffnung der Ausstellung „Wir von überall – Zur Migrationsgeschichte des Welser Stadtteils Lichtenegg“

Ausstellung von 18. November 2014 – 19. Jänner 2015 im Welser Rathaus

Begrüßung::
Bürgermeister Dr. Peter Koits
Eröffnung:
Vizebürgermeister Peter Lehner
Einführende Worte:
Thomas Rammerstorfer

Kaum ein Ort in Österreich erlebte mehr Migration als der Welser Stadtteil Lichtenegg. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges kamen Kriegsgefangene, ZwangsarbeiterInnen und KZ-Häftlinge; später ausgebombte „Reichsdeutsche“ und OsteuropäerInnen. Nach ´45 bewohnten tausende jüdische Flüchtlinge das Lager 1001, ab 1952 wiederum vor allem „Volksdeutsche“ und andere OsteuropäerInnen.

Der Aufstand 1956 in Ungarn füllte das Lichtenegger Flüchtlingslager erneut. Auch Indochina- bzw. Vietnamkrieg hinterließen ihre Spuren, dazu kam die Arbeitsmigration ab den 1960ern. Mit dem in den 1970ern entstandenen Lichtenegger Stadtteil Noitzmühle haben wir heute einen Ort mit besonders vielen MigrantInnen – internationalen einerseits, aber auch viele BinnenmigrantInnen aus ländlichen Regionen Österreichs andererseits. Interessanterweise ist diese lebhafte, belebende, aber auch mitunter konfliktgeladene Geschichte den EinwohnerInnen des Stadtteils selbst nur wenig bewusst. Um dies zu ändern, wollen wir eine Ausstellung organisieren, in der sich alle Interessierten mit der Geschichte Lichteneggs vertraut machen können.

Wir wollen Geschichte erlebbar machen, anhand „unseres“ Viertels. Von den beiden Weltkriegen und ihren Folgen zu den kommunistischen Machtergreifungen in Osteuropa, vom Ungarnaufstand `56 bis zum Vietnamkrieg, vom Fall des Eisernen Vorhanges bis zu den Jugoslawienkriegen: Alle diese Ereignisse haben ihre Spuren in Lichtenegg hinterlassen.
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12. 5. 2014 Migrationsgeschichte von Lichtenegg in Wels

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Eine Vorstellung des geplanten Projektes

Kaum ein Fleckchen in Österreich erlebte seit ´45 mehr Migrationsbewegungen als Lichtenegg. Von den Flüchtlingsströmen ab dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis zu den MigrantInnen von heute soll auf 30 Schautafeln die Geschichte des Stadtteils dargestellt werden.

Die Ausstellung wird im Herbst 2014 im Welser Rathaus präsentiert und in Folge an weiteren Orten gezeigt werden.
Ein gemeinsames Projekt des Aktiv Teams Noitzmühle und der Welser Initiative gegen Faschismus – unterstützt von der Stadt Wels im Rahmen der “Heimatstadtideen”.

Referat von Thomas Rammerstorfer und Werner Retzl

Montag, 12. Mai 2014, 18 Uhr

VHS Noitzmühle – Föhrenstraße 13 – 4600 Wels

Braun in Braunau: Ein paar Anmerkungen zur Diskussion

„Ich glaube, im Bezirk Braunau ist die rechtsextreme Szene stärker als in Schärding und Ried“.
Diese Aussage in einem OÖN-Interview sorgte für einigen Widerspruch aus der Region. Schauen wir uns die Fakten an.

1. Die Straftaten
Bezirkspolizeikommandant Martin Pumberger entgegnet: „2013 hat es im Bezirk zehn Anzeigen wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetz gegeben, sechs davon wurden geklärt.“
und die Szene sei kleiner geworden:
„Nur zwei, drei Eingefleischte, ein paar kleine Gruppierungen.“
Tatsächlich mag die Szene kleiner oder zumindest inaktiver geworden sein. Wie „zwei, drei Eingefleischte“ gleich „ein paar kleine Gruppierungen“ bilden können und warum dies wenig sein soll, bleibt unklar.
Zu den eingangs genannten Zahlen: 10 Anzeigen innerhalb eines Jahres wegen des Verbotsgesetz in einen Bezirk mit etwas weniger als 100 000 EinwohnerInnen sind so wenig nicht. Bundesweit waren es 529 – rechnet man das auf die Bevölkerung um, kommt in Braunau eine Anzeige auf weniger als 10 000 EinwohnerInnen im Jahr; bundesweit war es „nur“ eine auf über 15 000. Und das in einer, hier bin ich mit der Polizei einig, relativ ruhigen Phase. Zahlen zu anderen rechtsextremen Delikten im Bezirk Braunau und Zahlen zu Schärding oder Ried liegen mir nicht vor.

Fakt ist, dass nach wie vor Neonazis in der Region aktiv sind. Das Spektrum reicht hier von bestens vernetzten Kameradschaften wie dem „Widerstand Braunau“ (der auch einen eigenen Blog betreibt) zu losen Gruppen wie dem „Sturmführerkommando“ und Freizeit-orientierten Rechtsextremen wie der „Road Crew“, hier bei einem Gruppenfoto vor dem Hitler-Geburtshaus am 1. November 2013:

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2. Die Wahlergebnisse
Auch hier liegen dankenswerterweise Zahlen vor, die der Nationalratswahl im September 2013. Im gesamten Bezirk wurden die FPÖ mit 25,19 % zweitstärkste Partei. Das liegt über dem Österreich- wie auch dem Oberösterreich-Schnitt, aber sogar minimal unter dem Innviertel-Schnitt und auch hinter dem Bezirk Wels-Stadt. Das beste FPÖ-Ergebnis der OÖ-Gemeinden stammt mit 42, 7 % in St. Georgen am Fillmannsbach aus dem Bezirk.

3. Die Meinung von ExpertInnen
Die OÖN zitierten als Gegenmeinung zu meinen Angaben neben den Bezirkspolizeikommandant Martin Pumberger einen Streetworker, den man als „Experten“ bezeichnete. Warum geht aus dem Artikel nicht hervor, bestritt dieser dann doch – selbst im Widerspruch zum Bezirkspolizeikommandanten – überhaupt die Existenz einer „rechten Szene“.
2012 haben verschiedene ExpertInnen umfangreiches Material veröffentlicht, um die Diskussion ob es denn Rechtsextremismus überhaupt im Bezirk gäbe, mal zu beenden:
http://braunau-gegen-rechts.at/antifaschistische-chronik-braunau-am-inn/
http://www.stopptdierechten.at/2012/04/10/braunau-oo-hotspot-der-neonazis-i-v/
Die Veröffentlichungen lieferten wohl durchaus einen Beitrag, dass sich einzelne aus der Szene zurückzogen, bzw. ihre Gesinnung nicht mehr „offen“ zur Schau stellen, sei es via social media oder im realen Alltag. So berichtet auch die deutsche Aussteigerhilfs-Organisation von Hilfsgesuchen aus dem Bezirk Braunau, auch im Jahre 2013 soll es deren mehrere gegeben haben. Es kam auch zu Anzeigen, der erst diese Woche wieder Verurteilungen folgten:
http://www.nachrichten.at/oberoesterreich/innviertel/Neonazi-Vergangenheit-Bruederpaar-verurteilt;art70,1347445
Mit „Braunau gegen Rechts“, „stopptdierechten.at“, dem Infoladen Wels, dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes und verschiedenen deutschen Organisationen attestieren alle ExpertInnen zum Thema der Region ein historisch gewachsenes und nicht überwundenes Problem mit relativ weit verbreiteten rechtsextremen, deutschnationalen und antidemokratischen Einstellungen.

4. Was jetzt?
Die Häufung rechtsextremistischer Vorfälle und Einstellungen in der Region lässt in keinster Weise Rückschlüsse auf die Befindlichkeiten aller EinwohnerInnen zu. Verallgemeinerungen sind Methoden der Rechten, nicht der AntifaschistInnen. Ich persönlich bin des alten Spielchens „Antifa klagt an – Politik & Polizei beschwichtigen“ auch schon ein bissl müde. Ich und andere werden nicht aufhören, diverse Umtriebe in der Region zu beobachten und zu kritisieren. Einem – auch unseren Einschätzungen gegenüber – kritischen Dialog werde ich mich aber keineswegs verweigern.

Thomas Rammerstorfer