Archiv für den Monat: November 2013

Hilfe für Syrien

Liebe Leute, ich ersuche euch diese zwei Projekt in Syrien nach Möglichkeit zu unterstützen:

In der Kleinstadt Amûdê, mit etwa 48.000 EinwohnerInnen, gab es schon vor dem Bürgerkrieg nur wenige Möglichkeiten für Frauen zu arbeiten und sich weiterzubilden, geschweige denn, selbstständig zu leben und ein eigenes Einkommen zu verdienen. Damit sind Frauen abhängig von Ehemännern, Brüdern und Vätern und haben selten die Chance, sich aus schwierigen Familienkonstellationen zu lösen. Bei familiären Konflikten gibt es keine Institutionen, die Frauen unterstützen würden.

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Die Aktivistinnen der Komela Jinên Kurd li Amûdê vor einem Raum, den sie bis vor Kurzem einmal in der Woche zwischennutzen konnten. (Foto: Thomas Schmidinger, Amûdê, Jänner 2013)

Durch den Krieg sind nun zusätzlich tausende Familien und alleinstehende Frauen als Intern Vertriebene nach Amûdê gekommen, die notdürftig bei Familien oder in leeren Schulgebäuden untergebracht wurden. Komela Jinên Kurd li Amûdê würde gerne auch für diese Frauen eine Anlaufstelle bieten. Keine einzige internationale Hilfsorganisation bietet vor Ort Unterstützung an. Über 500.000 (sic!) IDPs, also Intern vertriebene Flüchtlinge, sitzen in Syrisch-Kurdistan, ohne jegliche Versorgung. Der letzte Winter war schon schlimm, der nächste wird dramatisch enden, wenn sich keine großen NGOs bereiterklären auch innerhalb Syriens (in jenen Gebieten, in denen es zur Zeit möglich ist), zu helfen.

In Amûdê selbst kam es bisher nicht zu offnen Kriegshandlungen. Die unmittelbar an der türkischen Grenze gelegene Stadt leidet aber wie andere kurdische Gebiete Syriens unter massiven Versorgungsproblemen, den geschlossenen Grenzen zur Türkei und den nahen Auseinandersetzungen von kurdischen Einheiten mit dschihadistischen Milizen.

Komela Jinên Kurd li Amûdê bemüht sich trotz der Bürgerkriegssituation darum:

– Frauen Zugang zu Bildung zu ermöglichen und ihnen Fähigkeiten für Handwerk und Arbeit zu lehren.
– Frauen bei der Suche nach eigenen Jobs zu unterstützen.
– Frauen zu motivieren und zu stärken.
– Seminare und Kurse aller Art für Frauen anzubieten.
– die Gleichstellung von Frauen mit Männern zu propagieren.
– die Gesundheit von Frauen zu stärken und Wissen über den eigenen Körper zu vermitteln.

Im Vergangenen Jahr wurden Workshops zu medizinischen, sozialen, kulturellen und politischen Themen durchgeführt, die ganz überwiegend von Frauen selbst abgehalten wurden. Frauen wurden zu Krankenschwestern und Friseurinnen ausgebildet. Ein spezieller Fokus lag zudem auf der Unterstützung von Frauen mit Kindern, die besonders unter den Folgen des Bürgerkriegs in Syrien leiden.

All diese Aktivitäten finden jedoch unter sehr schwierigen Bedingungen statt. Komela Jinên Kurd li Amûdê war bisher davon abhängig, dass andere Gruppen ihnen Räume zur Verfügung stellen. Mit den zunehmenden innerkurdischen Spannungen zwischen den kurdischen Parteien wurde das in den letzten Monaten immer schwieriger. Deshalb hat sich er Verein nun entschieden ein eigenes Zentrum aufzubauen.

Für die Einrichtung und den Betrieb dieses Frauenzentrums in Amûdê durch Komela Jinên Kurd li Amûdê sammeln wir Spenden! Jeder Euro hilft.

Aufgrund der Kriegshandlungen in Syrien ist es derzeit schwierig, Geld in die Region zu bringen. Es gibt keine funktionierenden Banken in Syrisch-Kurdistan. Allerdings ist es möglich, das Geld mit zuverlässigen Kurieren gegen eine Quittung nach Amûdê zu bringen. LeEZA-Vorstandsmitglied Thomas Schmidinger hat sich im Jänner 2013 bei einer Recherchereise nach Syrisch-Kurdistan selbst ein Bild von den Aktivitäten der Komela Jinên Kurd li Amûdê gemacht. Die Stadt selbst ist so weit sicher, dass die Aktivitäten auch während des Krieges fortgesetzt werden können und es gibt Wege, das Geld sicher an die Komela Jinên Kurd li Amûdê weiterzuleiten. Auf unserer Homepage werden wir in den kommenden Monaten über den Fortschritt beim Aufbau des Frauenzentrums berichten.

Unser Spendenkonto lautend auf LEEZA:

Knt. Nr.: 6.955.355
BLZ: 32.000 Raiffeisen Landesbank NÖ
IBAN AT4432 0000 0006 955355
BIC (SWIFT) RLNWATWW

Jeder Euro hilft.
Mit freundlichen Grüßen,
das LeEZA-Team

Weiters möchte ich euch folgendes ans Herz legen: Die NGO „time4life“ hat einen Kalender mit Landschaftsaufnahmen aus Österreich raus gebracht, der Reinerlös geht nach Syrien. Ich hab ein paar Fotos beigesteuert und zitiere:

„Weihnachten naht in Riesenschritten. Der ultimative Geschenketipp ist der ►KALENDER 2014 – zugunsten Flüchtlingskinder in Syrien► um €10,00 (oder gerne mehr gibts den Wandschmuck zu kaufen. Wir verschicken ihn gerne mit der Post (…Porto muss ich erst erfragen). Alternativ kann er in Wien, Vöcklabruck (OÖ), Rohrbach (NÖ) und Perchtoldsdorf erstanden werden. Am 4. Dezember kommt er frisch aus der Druckerei. Wir haben es so schön bei uns in Österreich und gerade um Weihnachten ist die Zeit um nicht auf die zu vergessen denen es nicht so gut geht, auf die, die frieren und hungern. Bei Interesse bitte melden: info@time4life.or.at
Wir freuen uns auf zahlreiche Bestellungen um mit dem Geld den Kindern in Syrien Schlafsäcke, Nahrung und Medikamente bereitstellen zu können.“

Fluchtpunkt L. E.

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Der Welser Stadtteil Lichtenegg hat eine reiche Migrationsgeschichte

Der Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland bedeutete für die Gemeinde Lichtenegg den Anschluss an die Stadt Wels. Im Sinne der deutschen Raumordnungspolitik sollten die Städte „Oberdonaus“ vergrößert und industrialisiert werden. In Lichtenegg entstand mit den „Flugzeug- und Motorenwerken“ ein wichtiger Rüstungsbetrieb, dessen enormer Arbeitskräftebedarf bald nur mehr mit „Fremdarbeitern“, KZ-Häftlingen und Kriegsgefangenen gedeckt werden konnte. Diese kamen aus Frankreich, Italien, Jugoslawien, der Slowakei und der Sowjetunion und waren unter andrem im Herminenhof und der Trabrennbahn untergebracht. Auch „Reichsdeutsche“ und umgesiedelte SüdtirolerInnen und Rumänien-Deutsche wurden der FMW als Arbeitskräfte zugewiesen, für sie wurde der heute größte Welser  Stadtteil, die Vogelweide, errichtet[1]. Doch es gab deutlich zu wenig Wohnraum: Für die 7000 in den oberösterreichischen Zentralraum umgesiedelten SüdtirolerInnen standen z. B. nur 415 Wohnungen zur Verfügung[2], für die daraus resultierenden sozialen Probleme wurden häufig die schuldlosen Flüchtlinge selbst verantwortlich gemacht[3].

Nach 1945 sollten gewaltige Wanderungsbewegungen Europa in unterschiedlichsten Richtungen durchqueren. Dass viele der Heimatlosen auch nach Lichtenegg kamen, ist der Existenz eines riesigen Barackenlagers zwischen der Dragonerstraße und der Salzburger Straße, dass früher als Kaserne genutzt wurde, zuzuschreiben. Hier fanden zuerst ehemalige KZ-Häftlinge aus Gunskirchen, v. a. ungarische JüdInnen eine neue Bleibe. Der Zustand dieser Menschen nach Folterhaft und Todesmärschen war erbärmlich; noch in Wels starben hunderte an Seuchen und Erschöpfung. Andere jüdische „displaced persons“ aus Osteuropa kamen hinzu: Bald entstand ein Lagerleben mit eigenem Geschäft, einem Gebetsraum, einer Theatergruppe und einer koscheren Schlachterei. Bis 1952 waren alle LagerinsassInnen, im Laufe der Jahre mehrere tausend, weiter gezogen, meist nach den USA oder Israel. War das „jüdische“ Lichtenegg nur ein Zwischenspiel, sollte die nächste Gruppe von MigrantInnen den Stadtteil nachhaltig verändern: Fliehende vor der Roten Armee bzw. der Machtergreifungen kommunistischer Parteien in Osteuropa. Größtenteils waren dies so genannte „Volksdeutsche“, aber auch fremdsprachige Nazi-Kollaborateure aus den vormals besetzten Gebieten, aus Ungarn, Tschechien, der Sowjetunion, der Slowakei und Jugoslawiens. Die neuen Flüchtlinge wollten vielfach bleiben. Der Zentralraum gehörte zur US-amerikanischen Besatzungszone, bot somit relative Sicherheit und hatte vor allem auch einen enormen Bedarf an Arbeitsplätzen. Denn die KZ-Häftlinge, ZwangsarbeiterInnen und Kriegsgefangenen des NS-Regimes hatten Oberösterreichs Industrialisierung weit vorangetrieben, die Zahl der Produktionsbetriebe hatte sich von 1938 auf 1948 verdoppelt.

Im Nachkriegs-Lichtenegg begann ein Phänomen, das man wohl als eine Art „umgekehrter Integration“ bezeichnen kann. Denn die Flüchtlinge schufen soziale Strukturen, die es in diesem Sinne zuvor in Lichtenegg noch nicht gegeben hatte, und bald begannen auch die Einheimischen diese zu nutzen. Zum Friseur ging man zum „Ullig“ ins Lager, einkaufen zu den ungarischen Greislern „Quintus und Horvath“. Die Flüchtlinge hatten auch ihre eigenes Fußballteam mitgebracht, das bald als „Eintracht Wels“ auch einheimische Spieler und Fans anzog. Am nachhaltigsten veränderten die Neuankömmlinge jedoch das Kirchenleben. 1952 wurde die Lagerkirche eröffnet, bis Ende der 50er Jahre waren mehr als die Hälfte der KirchenbesucherInnen alteingesessene LichteneggerInnen. Die Messen wurden in deutscher, tschechischer, slowakischer, russischer und kroatischer Sprache gehalten – kroatische Messen gibt es in der Pfarre übrigens bis heute. Die Kirche ist jedoch mittlerweile eine andere: Seit 1966 besteht anstatt der Lagerkirche die Zeltkirche, die in ihrer namensgebenden Form an das Flüchtlingsschicksal ihrer ErbauerInnen erinnern soll.

Nach der Niederschlagung des ungarischen Aufstandes 1956 strömten weitere Flüchtlinge ins Land bzw. ins Lager 1001. Mit der Stephansiedlung entstand ein eigener Teil Lichteneggs, der Grundankauf wurde von der griechischen Königin Friederike finanziert, StudentInnen aus aller Welt halfen beim Bau (organisiert durch den „Bauorden“). 1958 wurden die ersten Häuser bezogen: „225 Flüchtlinge aus Jugoslawien, 73 Österreicher, 55 Flüchtlinge aus Rumänien, 21 aus Ungarn, 30 aus Polen, 22 aus der Tschechoslowakei und 9 aus Russland untergebracht. Neben 441 Katholiken und 23 evangelischen Bewohnern wohnten in der Siedlung auch 14 orthodoxe Christen und 7 Moslems.“[4] Im Laufe der Zeit wurden die ungarischen EinwohnerInnen der Stephanssiedlung mehr: Arzt (Dr. Haberbusch) und Greisler (Horvath) stammten aus Ungarn, und nach dem ungarischen Nationalheiligen Stephan wurde nicht nur die Siedlung, sondern auch eine Straße und die ganze Pfarrgemeinde benannt. Dazu kamen die Ungarnstraße und jüngst die Matthias-Corvinus-Straße, benannt nach einem ungarischen König.

Mit dem aus „Mitteln der Nächstenliebe“ von einer Schweizerin finanzierten „Dora-Little-Haus“ entstand eine weitere Anlaufstelle für Vertriebene, es wurde ab Ende der 60er Jahre insbesondere von Kriegsflüchtlingen aus Vietnam und Kambodscha genutzt. Bereits 1968 feierte ein vietnamesischer Katholik seine Primiz in der Lichtenegger Pfarre.

Die ArbeitsmigrantInnen aus Jugoslawien und der Türkei, die in den 60er-Jahren angeworben wurden, kehrten meist wieder in ihre Heimat zurück. Am Beginn der 80er kamen politische Flüchtlinge aus der Türkei und Polen, die vor den dortigen Diktaturen flüchteten.

Ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückten die neuen MigrantInnen aber erst mit den späten 1990er-Jahren, als in der Noitzmühle vermehrt MigrantInnen aus der Türkei zusiedelten. Der Anfang der 1970er für die damalige österreichische Durchschnittsfamilie (Eltern und 3 Kinder) konzipierte Teil von Lichtenegg wurde vielfach nicht mehr den Anforderungen der neuen „Single mit Kind“-Familien gerecht. Die großen Wohnungen erfüllten die Anforderungen großer Familien, die unter den ÖsterreicherInnen immer seltener zu finden waren. Zudem ist der Arbeitskräftebedarf der Stadt bzw. der Region nach wie vor enorm.

 Es waren vor allem die Volksdeutschen, später die UngarInnen und heute die Menschen aus der Türkei, die aus dem Dorf Lichtenegg einen modernen Stadtteil einer der reichsten Regionen Österreichs machten. Das ganze ging nicht ohne Anpassungsschwierigkeiten, ohne Konflikte und Vorurteile. Gerade letztere wurden und werden nahezu wortgleich bald über diese, bald über jene Gruppe von Einwanderern verbreitet. So berichtet die Donauschwäbin Vera Tichy-Nimmervoll:  

„Die Heimatvertriebenen spürten oft eine unverhohlene Geringschätzung seitens der einheimischen Bevölkerung und standen dieser skeptisch gegenüber. Die Welser Bevölkerung hatte gegenüber dem am Stadtrand liegenden Flüchtlingslager gewisse Vorurteile, denn Elend und Unsicherheit waren grausame Wirklichkeit. Ich kann mich noch gut erinnern: Wenn meine Mutter in der Stadt etwas bestellte und daher ihre Adresse bekannt geben sollte, sagte sie immer Schulstrasse 15 und nie Lager 1001. Ich vermute, es war ihr peinlich, die wahre Adresse bekannt zu geben.“[5]

Pfarr-Chronist Bertholt Simbrunner beschrieb die Ressentiments gegenüber die UngarInnen: „Häufig vernahm man in der Bevölkerung und in den Zeitungen Klagen über die Ungarnflüchtlinge. Hatte man früher nur mit Bewunderung von ihnen gesprochen, so war es plötzlich still um sie geworden. Bisweilen hörte man, sie wollen nicht arbeiten und würden nicht genügend beschäftigt, stellten zu hohe Ansprüche, seien zum Großteil überhaupt nur Abenteurer.“[6]

Trauriger Höhepunkt der ab den 1980ern von diversen Parteien und Medien hochgepuschten Fremdenfeindlichkeit war ein neonazistisch motivierter Brandanschlag auf ein Haus in der Porzellangasse 1997, bei dem ein Mazedonier zu Tode kam.

Vergleicht man die Reaktion auf Zuwanderung damals wie heute erkennt man Ähnlichkeiten bei gewissen fremdenfeindlichen Einstellungen, aber auch deutliche Unterschiede. So gab es früher weder Parteien noch Medien, die organisiert gegen die „Volksdeutschen“ hetzten. Die FPÖ bzw. ihr Vorläuferpartei VdU sah sich sogar als Partei dieser Flüchtlinge (zumindest der „deutschen Volksgenossen“). Durch die vergleichsweise rasche Einbürgerung waren die Volksdeutschen mit rund 10 % der oberösterreichischen Bevölkerung bald auch ein WählerInnenpotential, auf welches keine Partei verzichten wollte. 

Thomas Rammerstorfer 

 Artikel aus: ANTIFA-FORUM 2013


[1] Über zwei Drittel der Wohnungen in der Vogelweide verfügte die FMW

[3] Siehe auch Christoforetti, Rudi: Rieche, es ist die deutsche Faust: ein Südtiroler „Optantenjunge“ erlebt die NS-Zeit in Wels, Wien 1999

[4] Berthold Simbruner, Die Enstehung der Pfarre St. Stephan, Wels-Lichtenegg

[5] Tichy-Nimmervoll, Wir Kinder vom Lager 1001, Linz 2010

[6] Berthold Simbruner, Die Enstehung der Pfarre St. Stephan, Wels-Lichtenegg

VON HITPARADENKÖNIGEN UND MENSCHENFEINDEN

aus: ANTIFA-FORUM 2013

Gegen Nazimusik ist fast jeder – doch die Einschätzung der Graubereiche bereitet Schwierigkeiten

„Frei.Wild“ in Wels und Kufstein

Allgemeines Erstaunen bei FreundInnen und GenossInnen rief es hervor, als ich im April 2013 NICHT dazu aufrief, das geplante Konzert mit „Frei.Wild“ in Wels zu verhindern.

Geschrieben hatte ich: Allerdings halte ich ihre Distanzierung vom Neonazismus für glaubwürdig. Die Ansichten der „Frei.Wild“ sind (…) durchschnittlich (…). Ich bin keineswegs der Meinung, dass man diese Konzerte verbieten sollte. Vielmehr sollte man sie zum Anlass nehmen, den Vormarsch rechter und konservativer Ansichten gerade bei österreichischen Jugendlichen zu thematisieren und zu diskutieren.[1]

Nun kennen wir den Ausgang in Wels. Das „Frei.Wild“-Konzert wurde abgesagt. Thematisiert oder diskutiert wurde gar nichts und das fand ich schade.

Im Tiroler Kufstein ging man den anderen, wie ich meine unbequemeren, aber sinnvolleren Weg: „Frei.Wild“ durften ungestört auftreten. Zuvor gab es aber eine Reihe von Veranstaltungen, Medienberichten und viele, viele kleine Debatten in Cafes und Klassenzimmern zu den Problemen, die wir AntifaschistInnen mit vielen Textpassagen dieser Musiker haben. Ich war in dieser Zeit einige Tage in Kufstein und vom Niveau der Gespräche, auch mit AnhängerInnen der Band, überrascht. Das Ziel der antifaschistisch bewegten Menschen war auch nicht, den Fans ihre Leidenschaft für die Band ausreden zu wollen, oder sie gar pauschal in eine rechtsextremes Ecke zu stellen, sondern sie selbst zu einer kritischen Auseinandersetzung anzuregen: Mit Heimat und Nation, mit den von „Frei.Wild“ kolportierten Männlichkeits- und Identitätsbildern. Natürlich liefen die Fans nicht in Scharen zur „Gegenseite“ über, aber ich denke, es wurden viele Nachdenkprozesse in Gang gesetzt, und auch viele Vorurteile über Linke und AntifaschistInnen widerlegt oder zumindest aufgeweicht. Die wochenlangen Diskussionen haben für die Kufsteiner Jugendlichen einen wahren Politisierungsschub gebracht, wie mir eine lokale Grün-Politikerin sagte.

So sehe ich also das „Frei.Wild“-Konzert in Kufstein, dass stattgefunden hat, als größeren Erfolg für die AntifaschistInnen denn jenes in Wels, das nicht statt gefunden hat, an. Auch wenn dieser Erfolg nur schwer messbar ist.

Die „Hinichen“ in Wien

In Wien krachte es letzten Herbst ordentlich. Da war ein Auftritt der Proll-Rock-Truppe „Die Hinichen“ im honorigen, städtisch geförderten Gasometer geplant. Die „Hinichen“ erfreuen ihre Fans und verärgern alle Menschen mit Menschenverstand mit Texten wie:

„Wir mischen auf im Frauenhaus, wir peitschen die Emanzen aus, wir treiben die Lesben vor uns her, das fällt uns Kerl´s gar net schwer“

und dergleichen mehr, das ich hier gar nicht wiedergeben will, weils gar zu blöd und ekelhaft ist. Jedenfalls wird Gewalt gegen Frauen ungeniert propagiert. Dagegen protestierte vor allem der Kultursprecher der Wiener Grünen, Klaus Werner Lobo, und erreichte letzten Endes eine Absage des Konzertes. Erfreulicherweise, wie ich meine! Aber warum bin ich im Falle von „Frei.Wild“ für Toleranz und Diskussion, im Falle der „Hinichen“ für den Zensurknüppel? Der Unterschied besteht für mich darin, dass die „Hinichen“ ganz konkret Gewalt gegen eine ganz konkrete Personengruppe fordern, gegen die auch ein ganz konkretes, reales Bedrohungsszenario vorliegt. Es vergeht in Wien und anderswo vermutlich kein Tag, wo nicht eine Frau ins Kranken- oder Frauenhaus geprügelt wird und wahrscheinlich kein Monat, wo keine Frau Todesopfer männlicher Gewalt wird. Den Herren von „Frei.Wild“ kann man hingegen rechte (keine neonazistische!) Gesinnung, aber nicht einmal beim schlechtesten Willen konkrete Gewaltaufrufe gegen real Bedrohte unterstellen.   

Gangsta-Rap überall

Mit „Frei.Wild“ und ohne die „Hinichen“ kann ich mich also wohl noch argumentativ halbwegs schlüssig durchschummeln. Was tun aber mit der Flut gruppenbezogener Menschenfeindlichkeiten, Mord-, Allmachts- und Gewaltphantasien und vulgärster Sexismen, die unter dem Hip Hop, Gangsta- oder Battlerap-Label daherkommen? Bushido, Shindy, Haftbefehl, Kool Savas oder Fler[2] dominieren die Charts und füllen die Hallen. Geschlossene rechtsextreme Weltbilder kann man ihnen nicht vorwerfen, Hetze gegen einzelne (auch real bedrohte) Personengruppen wie Homosexuelle oder auch das Verbreiten antisemitischer Stereotype sehr wohl. Einzelne Konzerte abzusagen, wie in Österreich schon geschehen, oder auch den CD-Verkauf einzuschränken, wie es in Deutschland passiert, können der Verbreitung solcher Musik in Internet-Zeiten kaum mehr etwas anhaben. Auch wird diese Musik mit ihren Inhalten von tausenden Nachwuchs-Rappern reproduziert. Das noch irgendwie zu kontrollieren, können wir vergessen. Umso wichtiger ist es, sich hier der Diskussion zu stellen; zumindest einen Teil der Kids kann man vermitteln, warum man die propagierten „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeiten“ ablehnt. Eltern, LehrerInnen und JugendarbeiterInnen sind hier herausgefordert. Hip Hop ist zur Weltsprache der Marginalisierten, zum wichtigsten Medium der Verdammten dieser Erde, geworden. Manches was sie uns zu sagen haben wird uns nicht gefallen.

Trotzdem, so gefährlich musikalisch dargebotene Hasspredigten sein mögen, sollten wir die Kirche im Dorf lassen: Rassismus und Homophobie gabs auch von Eric Clapton, Guns `n` Roses oder Ted Nugent – und deren AnhängerInnen sind darob nicht allesamt Rechtsextreme oder andere Menschenfeinde geworden.

Thomas Rammerstorfer


Braune Umtriebe im Heimatgau

aus: Analyse & Kritik, Hamburg, Nr. 588, November 2013 

Objekt 21: Nazis in Österreich mit guten Kontakten nach Thüringen

Von Thomas RammerstorferJanuar 2013: Einer erstaunten Öffentlichkeit in Österreich wird mit Objekt 21 ein in seinen Dimensionen nahezu einzigartiges kriminelles Netzwerk präsentiert: Die oberösterreichische Polizei macht die Neonazigruppe für zahlreiche Straftaten wie Einbrüche, Brandanschläge, Entführung, Drogen-, Waffen- und Menschenhandel, Körperverletzungen usw. usf. verantwortlich.

Benannt ist die Gruppe nach der Anschrift ihres Anwesens im Ortsteil Windern, einem kleinen Ort zwischen Braunau und Linz. Der Nazikameradschaft mit engen Verbindungen nach Bayern und Thüringen rechnet die oberösterreichische Polizei rund 30 Mitglieder und etwa 200 Anhänger aus Österreich und Deutschland zu. Bei Razzien im Januar wurden unter anderem Sturmgewehre, Maschinenpistolen und zehn Kilogramm Sprengstoff gefunden.

Der Zerschlagung der Gruppe im Januar ging eine jahrelange Untätigkeit der Sicherheitskräfte vor. Dabei waren die Hintermänner und Aktivitäten von Objekt 21 längst bekannt. Alleine in der Tageszeitung »Österreich« erschienen seit 2010 gezählte 30 Artikel mit detaillierten Informationen, insbesondere zu den neonazistischen Verbrechen der Gruppe. Am 4. November 2013 verurteile das Landgericht Wels nun sieben Männer wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung. Doch die Mühlen der Gerechtigkeit mahlen nur langsam und schlampig.

Anfang 2010 stießen AntifaschistInnen auf das Objekt 21, eine relativ offen agierende Neonazigruppe, die im Örtchen Desselbrunn am Rande des Salzkammergutes ein Haus angemietet hatte. Ein Szeneaussteiger lieferte Beweismaterial: Fotos von mit Hakenkreuzen »verzierten« Wänden, von völkischen Liederabenden mit deutschen und österreichischen Szenebarden, Saufgelagen und dergleichen mehr. »Wir hatten die in wenigen Tagen ausrecherchiert. Aufgrund der völlig offensichtlichen NS-Wiederbetätigung dachten wir, die Sache werde vom Verfassungsschutz kurz und schmerzlos erledigt«, erzählt Roman G., ein Ebenseer Antifaaktivist. Doch es sollte anders kommen.

Erst zwei Monate nach Beginn der antifaschistischen Öffentlichkeitsarbeit erfolgte eine Hausdurchsuchung, die dann freilich wenig Verwertbares zutage förderte. Die Bezirkshauptmannschaft brauchte bis 2011, um einen von den Nazis zur Tarnung gegründeten Kulturverein zu verbieten. Angesichts der behördlichen Untätigkeit traten die »Objektler« zunehmend frecher auf und erweiterten ihre Tätigkeiten. Man stieg ins Rotlichtmilieu ein, verdiente dort als Auftragsbrandstifter und Berufsschläger. Drei Bordelle wurden übernommen, ein Versand etabliert (»NS Squad«) und Konzerte veranstaltet.Engste Beziehungen pflegte man zu Kameraden aus Thüringen. Die Gruppe war streng hierarchisch strukturiert, unumstrittener Führer Jürgen W., der auch während der Verbüßung einer 2009 verhängten Haftstrafe per Facebook und Handy die Aktivitäten koordinierte. Diverse Versuche zur Zusammenarbeit und zum Informationsaustausch vonseiten deutscher Sicherheitskräfte scheiterten am Desinteresse ihrer österreichischen KollegInnen.

Das ganze Ausmaß an behördlicher Unfähigkeit und Unwilligkeit brachte der Prozess vor dem Landgericht Wels im Herbst 2013 zutage. Zwar waren die Aktivitäten der Gruppe jahrelang bekannt, die tatsächlichen Ermittlungsergebnisse aber nur rar. Die Erhebungen liefen verspätet an, bei Hausdurchsuchungen wurde Beweismaterial übersehen, die Anklageschrift wurde wegen Formfehlern vom Landesgericht zunächst zurückgewiesen. Weder wurden Telefone abgehört noch Internetaktivitäten überwacht. Die offene Facebook-Gruppe der »Objektler« fiel niemandem auf – sie besteht bis heute.

Auch die Auswahl der Angeklagten ist nicht nachvollziehbar. Einige kleine Mitläufer landeten vor Gericht, einige Kader der Gruppe blieben unangetastet. Der gesamte Komplex wird zudem nicht im Ganzen vor die Justiz gestellt, sondern in einzelne Tatbestände filetiert. Hier wird mal eine Brandstiftung verhandelt, da ein paar Einbrüche, auch die NS-Wiederbetätigungen werden nach einem nicht nachvollziehbaren Muster aufgeteilt.

So wartet etwa der Thüringer Naziliedermacher Phillip T. in der JVA Korneuburg auf einen Prozess, der in der österreichischen Szene eine wesentliche Rolle zu spielen scheint. Ebenso wie Andreas P. aus Gotha (Thüringen), der in Linz sitzt. Das Wesentliche wurde in Wels offensichtlich übersehen – oder bewusst vertuscht: Hier operierte eine militante, neonazistische, streng hierarchisch gegliederte Bande mit besten Verbindungen in die deutsche, vor allem Thüringer rechtsterroristische Szene.

»Die Unbedarftheit, mit der die Polizei wohl jahrelang dem Treiben zugesehen hat bzw. den neonazistischen Kontext ausblendete, erinnerte schon fatal an Ermittlungspannen der bundesdeutschen Behörden in den Anfangsjahren des NSU«, so die Bundestagsabgeordnete der LINKEN Martina Renner, die nun eine parlamentarische Anfrage zu den Vorkommnissen stellt. Es bleibt abzuwarten, ob dadurch Licht ins Braune kommt.

Thomas Rammerstorfer arbeitet als freier Journalist und lebt in Oberösterreich.

Der Heimatgau

Wenige Landstriche Europas haben vom »Dritten Reich« ähnlich nachhaltig profitiert wie der »Heimatgau des Führers«, Oberösterreich. In sieben Jahren NS-Herrschaft erfuhr der damalige »Gau Oberdonau«, in erster Linie durch den rücksichtslosen Arbeitseinsatz von ZwangsarbeiterInnen, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen, einen massiven Industrialisierungs- und Modernisierungsschub. Dadurch sind Ansichten a la »Hitler hat auch viel Gutes getan« sowohl bei den Eliten als auch der Arbeiterschaft weit verbreitet und tradiert. Oberösterreich gilt als Bundesland mit dem größten Rechtsextremismusproblem.

Parlamentarische Anfrage zu „Objekt 21“ und Kameraden in Deutschland

Während die oberösterreichische PolitikerInnen in Sachen antifaschistischer Aktivitäten in ihren üblichen Dornröschenschlaf entschlummert sind, nimmt zumindest die deutsche Partei „Die Linke“ die Sache ernst. Heute – 5. November 2013 – wird eine parlamentarische Anfrage zu den grenzüberschreitenden Naziaktivitäten eingebracht. Mit der deutschen Bundestagsabgeordnete Martina Renner, die im Gegensatz zu ihren heimischen BerufskollegInnen den Weg zu „Objekt 21“ – Prozess nach Wels fand, sprach ich ebenda.

renner

Was gibt es für Verbindungen von Objekt 21 nach Deutschland?

Wenn man sich die Neonazis ansieht, die auf bundesdeutscher Seite zum Netzwerk des O21 gehören, dann fällt auf, dass diese überwiegend aus den Strukturen von Blood&Honour, insbesondere entsprechender Bands und deren Umfeld gehören bzw. aus dem Bereich der extrem nazistischen völkischen Organisationen wie der verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“. Enge Verbindungen zwischen Neonazis aus Thüringen zu den braunen Granden in Österreich wie Helmut Schweiger sind ebenfalls belegt. Die Kontakte zwischen den Gruppierungen und Personen gehen zurück bis auf die frühen 2000er Jahre. Regelmäßig waren österreichische Neonazis zu Gast bei rechtsextremen Konzerten und braunen Festivals, wie dem „Thüringentag der nationalen Jugend“. Im Gegenzug zog es Thüringer Neonazis nach Österreich. Es drängt sich nach der Aussage des Belastungszeugen P. der Eindruck auf, dass insbesondere Neonazis, die in Deutschland durch schwere Körperverletzungsdelikte aufgefallen waren bzw. sogar entsprechende Haftstrafen verbüßten gezielt für das Objekt 21 „geworben“ wurden. Zu fragen ist nun, wie groß ist das Netzwerk, welche Aktivitäten hat es auf bundesdeutscher Seite durchgeführt, insbesondere gibt es hier auch Verbindungen in den Bereich der Organisierten Kriminalität und welche Gefährdung geht durch diese Personen und Hintermänner aus.

Wie schätzen sie die Arbeit der oberösterreichischen Behörden ein?

Im Prozess hatte man schon ein Deja vu. Die Unbedarftheit mit der Polizei wohl jahrelang dem Treiben zugesehen hat bzw. den neonazistischen Kontext ausblendete, erinnerte schon fatal an Ermittlungspannen der bundesdeutschen Behörden in den Anfangsjahren des NSU. Bezeichnend ist auch, dass erst von außen der Druck derart hoch angesetzt werden musste, durch die Veröffentlichung von Bildern aus dem Objekt 21, dass entsprechende Strafverfolgungsmaßnahmen gezielt in Gang gesetzt wurden. Wichtig ist dafür zu sorgen, dass die Diskussion um diese Strukturen nicht trennt zwischen hier Organisierte Kriminalität und da Naziterror. Eines muss klar sein, das sind zwei Seiten einer Strategie. Nämlich ein autonomes Netzwerk zu schaffen, dass genügend Geld verfügt Neonazis zu binden, aber auch Waffen etc. zu besorgen.

Mehr Infos und die Anfrage gibts in Kürze auf: http://www.martinarenner.de