Archiv für den Monat: November 2016

Elfriede Grünberg-Preis für Thomas Fatzinek

Der Elfriede Grünberg-Preis der Welser Initiative gegen Faschismus ging heuer unter andrem an Tommy Fatzinek – ich durfte die Laudatio halten – leider in Abwesenheit…

Lieber Thomas Fatzinek, lieber Tommy!

Als wir uns vor rund 20 Jahren kennen lernten, ahnte ich noch nicht, dir einmal eine Laudatio zu halten. Oder auch nicht zu halten, da ich ja heute arbeiten muss – aber vom Antifaschismus allein kann man ja nicht leben, wie du weißt. Und drum heißt es bei dir: „Nach Abbruch der Schule und einer Lehre als Lithograph folgten Tätigkeiten als (u. A.) Altenhelfer, Häftlingsbetreuer, Lagerarbeiter, Siebdrucker, Spengler, Leiharbeiter, Scanner Operator, Briefträger und Zugfahrer im Zoo Schönbrunn.“

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Auch wenn insbesondere der letztere Job reizvoll klingt, dein Interesse galt stets mehr der Politik, der Geschichte, und wie man diese künstlerisch vermitteln kann: In deinem Fall durch Comics. Und an dieser Stelle sei eingeworfen, wer den künstlerischen Stellenwert solcher Zeichnungen für gering hält, der kann deine noch nicht gesehen haben.

„Der Künstler hat dort „Au“ zu schreien, wo es den anderen weh tut“, das hat er österreichische Liedermacher Georg Danzer mal gesagt. Ich möchte diesen Gedanken weiterspinnen: „Die Künstler haben an die zu erinnern, die andere schon vergessen haben“. Besonders an die, deren Leben gelebt wurden, an die, die uns ein Beispiel gaben und geben; ein Beispiel wie man anständig lebt.
Und so danken wir dir heute für die literarisch-zeichnerischen Denkmäler, die du ihnen gesetzt hast:
Den kämpfenden ArbeiterInnen des Februar 1934 in „Als die Nacht begann“, das demnächst auch verfilmt werden soll.

Der österreichischen Schauspielerin und Schriftstellerin Elisabeth «Lili» Grün, die 1942 als Sozialistin und Jüdin von den Nazis ermordet wurde, in „Schwere Zeiten“.

Über den Widerstand in Auschwitz in „Notizen zu Hermann Langbein“.

Über die US-amerikanischen anarchistischen Gewerkschafter Sacco und Vanzetti in „Ein alte Geschichte“.

Und wir danken für die vielen in der Form kleinerer, und dennoch großer anderer Geschichten sowie für dein jahrzehntelanges Engagement in der antifaschistischen Bewegung.

Lieber Christoph Brückl

Anmerkung: Brückl ist Herausgeber einer Monatszeitung aus meiner Heimatstadt Wels/Oberösterreich

Lieber Christoph Brückl,

mit Freude und Interesse habe ich deinen facebook-Eintrag zu meiner Wahl in den Vorstand der Welser Grünen gelesen. Dass sich nur wenige Stunden nach diesem Ereignis einer der Hofschreiberlinge der FPÖ mir annimmt, sehe ich als positives Zeichen. Für die unbedarften LeserInnen möchte ich aber doch ein paar Dinge anmerken:

– Ich bin keiner deiner „größten Fans“. Ich lese eigentlich seit Jahren so gut wie nichts von dir.

– Du schreibst, ich sei „kommunistischer Dogmatiker“. Das stimmt nicht. Eigentlich sehe ich mich seit früher Jugend und bis heute als undogmatischen Linken. Zu meiner Schande muss ich gestehen: Ich hab nicht mal „Das Kapital“ gelesen (ein bekanntes Buch von Marx)

– Ich habe mich nie zu etwas selbsternannt, auch nicht zum „Rechtsextremismus-Experten“. Man bekommt das Etikett halt irgendwann von den Medien verliehen.

– „Er hasst mich“ Spinnst du? Warum glaubst du das? Wäre dir das wichtig?

– Ich halte weder Cahit Kaya (ich musste lange nachdenken, wer dass überhaupt sein soll) noch dich, noch „jeden, der nicht in Punkt und Strich seiner (also meiner, Anmerkung) Meinung ist“ für „rechtsradikal“ (nebenbei ein Begriff, den ich gar nicht verwende)

– „Leute aus linken Kreisen kritisieren seinen stark autoritären Stil“. Tatsächlich? Und ich dachte schon die halten mich alle für ein reformistisches Weichei 🙂

Zu deinem Schlusssatz „Hach, das wird lustig“: Kann sein. Das hoffe ich. Obwohl ich bezweifle, dass wir den gleichen Humor haben. Ich bezweifle, dass du überhaupt Humor hast. Deine getippten Angstzustände sind nicht lustig, weder für die menschlichen Projektionsflächen deiner Ängste, und ich glaube am allerwenigsten für dich selbst.

Liebe Grüße und alles Gute!

tom

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15. 12. 2016: Die extremistische Herausforderung (Dornbirn)

In vielen Teilen Europas sind nationalistische und religiöse ExtremistInnen auf dem Vormarsch. Autoritäre Politikmodelle setzen sich durch: Sie stellen die Demokratie, die Menschenrechte und die europäische Integration in Frage.

Ausdruck findet der Rechtsruck auch in der Jugendkultur: Neben „traditionellen“ Neonazis tauchen vermeintlich neue Gruppen wie die „Identitären“ auf. Extremismen finden wir aber auch in Gemeinschaften von MigrantInnen, etwa die „Grauen Wölfe“ oder SalafistInnen.

Thomas Rammerstorfer gibt einen Überblick über die vielfältigen extremistischen Herausforderungen unserer Tage, speziell auch über deren Erscheinungsformen in Vorarlberg.

Thomas Rammerstorfer ist freier Journalist und lebt in Wels/Oberösterreich. Er schreibt und referiert zu den Schwerpunktthemen Extremismus und Jugendkulturen.

tomP

Moderation: Thomas Schmidinger

Ort und Zeit
Do, 15. Dez 2016, ab 19.30 Uhr
Eintritt: AK 7,–
Großer Saal
Gespräch
Karten reservieren: http://www.spielboden.at/veranstaltungen/2016/12_dezember/neue-spielraeume-bettelnde-notreisende-in-vorarlberg#.WCMNCPnhDIV

Kulturszene: Vermeidet politische Äußerungen nicht!

„Vermeiden sie politische Äußerungen?“ fragten die OÖN Marco Michael „Wanda“ Fitzthum, Frontmann der im deutschsprachigen Raum höchst erfolgreichen Rockband Wanda:

„Nein, alleine dass wir unseren Körper auf einer Bühne befreien und von anderen verlangen, dasselbe zu tun – das vermittelt Befreiungsgeist. Mir ist die politische Atmosphäre zu aufgeheizt, um meine Meinung auch noch zu sagen. Ich will mit dieser Spaltung nicht weitermachen. Am schlimmsten finde ich die Angst vor dem Fremden, die nicht auszutreiben ist. Aber ich kann nichts dagegen tun.“

Das selbstausgestellte Armutszeugnis bestätigte „Wanda“ schon 2 Tage im Voraus, da jubelte der „Wochenblick“, man habe den Unpolitischen „exklusiv getroffen“ (ob dies tatsächlich der Fall war darf bezweifelt werden). Besonders gefällt der rechtsextremen Schmuddelpostille das Weglassen „belehrender Ansagen“ bei Wanda, das sei eine „Unbeschwertheit, die ankommt“.

Gut. Unpolitisch zu sein ist ein Luxus, den man sich momentan noch leisten kann: Weil frühere Generationen sehr politisch waren. Weil Jim Morrison „Father, I want to kill you, Mother, I want to fuck you“ schrie, darf Fitzthum „Ich möchte gerne mit meiner Cousine schlafen“ trällern. Aber das ist schon wieder genug zu Wanda. Man muss die Band nicht bashen, dazu ist sie eigentlich zu uninteressant. Interessant ist der Zeitgeist, der da spukt. Das immer selbstbewusstere Auftreten auch noch der allerdümmsten Alltagsfaschisten, und das immer zögerlichere Auftreten der Menschen mit humanistischer Einstellung (und dazu würde wahrscheinlich sogar der Wanda-Typ zählen, wenn er eine Einstellung hätte).

Eine Kulturszene, die sich nicht für die Gesellschaft interessiert, darf sich nicht wundern, wenn die Gesellschaft sich nicht für sie interessiert.

Anfang des Jahres leitartikelte Thomas Weber im Szenemagazin „the gap“ darüber, „wie die Kultur aus dem Bewusstsein gespült wurde“. Da heißt es:

„Niemand fragt danach, kaum jemandem scheint es überhaupt aufgefallen zu sein. Aber irgendwo auf dem Weg ist uns die Kultur abhanden gekommen.“

und

„Die Kultur ist ziemlich weltfremd geworden: Sie verliert an Öffentlichkeit und Relevanz, wird weder geteilt, noch geklickt und wird – zumindest als geförderter Kulturbetrieb – irgendwann in Erklärungsnot geraten.“

Da scheint er recht zu haben. Burgtheater, „Staatskünstler“ „freie Szene“, in den 1990ern noch Lieblingsfeind der FPÖ und sonstiger rechter Recken, tauchen in den einschlägigen Diskursen nicht mehr auf. Und wenn einen die FPÖ nicht hasst, dann macht man irgendwas gewaltig falsch. „Der Künstler hat dort „Au“ zu schreien, wo es den anderen weh tut“ hat Georg Danzer (den wir heute so dringend brauchen würden!) mal geschrieben. Tut er (oder sie) es nicht, wird er sich irgendwann mal wundern, was alles nicht mehr gehen wird.