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Land Oberösterreich: Keine Veranstaltungen mit „Bezug zum Rechtsextremismus bekannt“

2010 wurde in Oberösterreich ein „Handlungskonzept gegen Extremismus“ beschlossen, das 2015, 2016 und nunmehr im November 2019 evaluiert wurde. Auszüge aus der neuesten Version liegen nunmehr vor: Eine Mischung aus fragwürdigen „Analysen“, Auslassungen und begrifflicher Verwirrung. Aber schauen wir uns das Papier zum Thema Rechtsextremismus mal an.
Punkt 1 ist ein „Executive Summary“ (deutsch in etwa: „Zusammenfassung für Entscheidungsträger“). Darin heißt es:

„Die Anzahl der Anzeigen im Bereich Rechtsextremismus/Rechtsradikalismus ist zuletzt zurückgegangen (2016: 242, 2017: 192 und 2018: 185 Tathandlungen). Der Anstieg der Vorjahre war auf die Flüchtlings- und Asylthematik zurückzuführen.
Im Bereich Linksextremismus war zuletzt ebenfalls ein Rückgang zu verzeichnen, wobei die An-zahl der Fälle nach wie vor im unteren Bereich liegt (2017: 21 Vorfälle, 2018: 7 Vorfälle).
Wie auch in den Vorjahren kam es 2018 bei Versammlungen rechtstendenziöser Organisationen und Gruppierungen immer wieder zu Gegenkundgebungen seitens der linkstendenziösen Szene sowie auch zu einem Ansteigen gegenseitiger Beleidigungen im Bereich der Sozialen Medien.
Seitens der „Identitären Bewegung“ wurden in Oberösterreich Versammlungen, Plakataktionen und Stammtische durchgeführt. Der „harte Kern“ der Bewegung in Oberösterreich dürfte derzeit aus ca. 10 Personen bestehen.“

Hier haben wir schon die erste fragwürdige Behauptung, nämlich dass der Anstieg des Rechtsextremismus auf die „Flüchtlings- und Asylthematik zurückzuführen“ sei. Begründet wird dies nicht. Dem widerspricht auch der (nicht erwähnte Anstieg) rechtsextremer Straftaten im ersten Halbjahr 2019, trotz weiterhin sinkender Flüchtlingszahlen. Grundsätzlich haben wir hier auch schon dass Problem, dass die verwendeten Begriffe rechtsextrem, rechtsradikal, rechtstendenziös etc. nicht definiert werden.

Punkt 2 ist ein „Aktuelles Bild zur Lage des Extremismus in Oberösterreich“

„Neben dem Rechts- und Linksextremismus sind weitere Aufgaben die Beobachtung militanter Tierrechtsgruppen, der gewaltbereiten Fußballfanszene sowie Gruppierungen und Organisationen mit separatistischer bzw. islamistischer Ausrichtung.
Ein weiteres Phänomen stellt in Oberösterreich die „Identitäre Bewegung“ dar, deren Aktivitäten und Vorgangsweisen hauptsächlich im rechtstendenziösen bis rechtsradikalen politischen Spektrum zu verorten sind. Zur Umsetzung der Ideologie wird hauptsächlich die Fremden-Asylproblematik aber auch die Ausländerkriminalität thematisiert.“

Wieder verwirrend: Die Identitären werden nicht dem Rechtsextremismus zugeordnet, aber deren Aktivitäten im „rechtstendenziösen bis rechtsradikalen politischen Spektrum“ verortet. Auch die Verwendung eines Suggestivbegriffes wie „Ausländerkriminalität“ ist zwar nicht unüblich, nichtsdestotrotz kritikwürdig.

„Neben der Ausländer- und Asylsituation spielen in diesem Zusammenhang auch die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen in den arabisch dominierten Staaten, wie z.B. dem Irak, Syrien und Libyen eine bestimmte Rolle, zumal die dortigen Vorgangsweisen islamistischer Gruppierungen, wie z.B. der IS (Islamischer Staat) und deren Unterstützung durch in Europa lebende Muslime mit salafistischer Ideologie, rechtstendenziöse Gruppierungen, wie z.B. die „Identitäre Bewegung“ förderte.
Zur zuletzt angesprochenen Problematik ist auszuführen, dass diese durch das weitestgehend passive Verhalten der Islamischen Glaubensgemeinschaft bzw. der Islamischen Religionsgemeinde und bestimmter in OÖ angesiedelter muslimischer Vereine eher gefördert, denn dieser Entwicklung entgegengetreten wurde.“

Hier ist nicht ganz klar was gemeint ist. Die IGGÖ ist dem IS zu wenig entgegengetreten? Das ist schon starker Tobak. Der IGGÖ kann man manches vorwerfen, aber sie positioniert sich klar gegen terroristischen Djihadismus a la IS.
Der nächste Punkt nennt sich dann „2.1. Rechtsradikalismus/ -extremismus“ und beginnt mit einer Nennung diverser Zahlen zu rechtsextremen Straftaten, die alle bekannt sind. Dann die Feststellung:

„Weder aus dem Jahr 2017 noch aus dem Jahr 2018 sind Veranstaltungen mit Bezug zum Rechtsextremismus bekannt.“

Wie bitte? Selbst hatte man zuvor auf „Versammlungen, Plakataktionen und Stammtische“ hingewiesen. Dazu kommt mindestens ein Neonazi-Konzert 2017 („Fylgien“ in Ried i. I.) oder der „Verteidiger Europas“-Kongress 2018 in Aistersheim, dutzende kleinere Veranstaltungen rechtsextremer Medien usw. usf. – die meisten davon wurden sehr wohl „bekannt“.

Es wird noch skurriler:

„Nach näherer Betrachtung unter Einbeziehung verschiedenster näherer Umstände und Komponenten darf zur Bewertung der rechtsextremen Szene in Oberösterreich festgestellt werden, dass anhand des Zahlenmaterials keine tatsächliche objektive Quantifizierung bzw. Qualifizierung durchgeführt werden kann, zumal für eine realistische Lagebeurteilung die jeweilige Deliktsqualität in Zusammenhang mit der ideologischen Ausrichtung der Täter ein wesentliches Indiz bildet. Der tatsächliche Rückgang liegt hauptsächlich in der Beendigung des Flüchtlingsstromes aus den Jahren 2015 und 2016 sowie im Rückgang der Antragszahlen der letzten beiden Jahre.“

Dass von den VerfasserInnen keine „tatsächliche objektive“ Analyse durchgeführt werden kann, ist augenscheinlich. Dafür ist aber wohl eher der fehlende politische Wille und eigenes Unvermögen verantwortlich denn das „Zahlenmaterial“. Dann wird wieder ein „Flüchtlingsstrom“ für rechtsextreme Verbrechen verantwortlich gemacht, bzw. dessen „Beendigung“ für eine angebliche Verbesserung der Lage auf diesem Gebiet. Nach weiteren recht schwammig gehaltenen Ausführungen zu diversen rechten Gruppen und Subkulturen kommt man wiederum zu den „Identitären“, für deren Aktivitäten wieder – richtig geraten – die Flüchtlinge verantwortlich sind:

„Im Berichtszeitraum kam es seitens der „Identitären Bewegung“ zu verschiedensten Aktivitäten, wobei diese ihren Ursprung in der durchaus als angespannt zu bezeichnenden Asyl- und Flüchtlingssituation finden.“

Nebenbei erwähnt, es wird auch nicht definiert, was der „Berichtszeitraum“ ist. Weiters:

„Zusammenfassend wird ausgeführt, dass auch hin künftig davon auszugehen ist, dass Organisationen, die derzeit der „Neuen Rechten“ zuzurechnen sind, aufgrund der anhaltenden Globalisierung auch weiterhin zunehmen werden.“

Aha. Die Globalisierung also. Alles klar.

In „2.1.6 Rechtsextremistische Veranstaltungen“ gehts dann weiter:

„Im Bereich der klassischen ideologisierten Szene kam es im Jahr 2015 zu kleineren Veranstaltungen, die oftmals unter dem Deckmantel von Literaturveranstaltungen stattfanden. Danach fanden in OÖ keine solchen Veranstaltungen mehr statt.“

2.1.8 zur „Rekrutierung und Radikalisierung im Bereich Rechtsextremismus“:

„Den Erfahrungen folgend, erfolgt die Rekrutierung hauptsächlich im Internet bzw. in den Sozialen Medien. Außerdem dürften auch bei etwaigen deutschnationalen Studentenveranstaltungen sowie einschlägigen Sport- und Musikveranstaltungen Rekrutierungsversuche unternommen werden. Einen diesbezüglichen Hotspot stellen derzeit vor allem auch Rekrutierungsversuche im Zuge von Veranstaltungen der „Identitären Bewegung“ dar (…)“

Okay, also wird auf Veranstaltungen rekrutiert? Interessant. Es gibt also Veranstaltungen, nur stuft man diese offenbar nicht als rechtsextrem ein. Denn rechtsextreme Veranstaltungen gibts ja seit 2015 nicht. Wieder zu den Identitären. Seit dem

„(…) letzten Quartal 2018, ist wiederum ein deutlicher Anstieg von Aktivitäten in Form von Stammtischen, Durchführung von Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz, vor allem in der Landeshauptstadt und diversen Bezirksstädten, feststellbar.“

Zusammenfassend kann man also sagen: In Oberösterreich gibts Rechtsextreme, die machen aber nix, zumindest nichts konkretes, und wenn ja dann wegen der Flüchtlinge. Und die Identitären sieht man nicht als Rechtsextreme, sondern als „Neue Rechte“. Spannend: Denn normalerweise werden die Identitären vom LVT, wie auch vom deutschen Verfassungsschutz, als „rechtsextrem“ eingestuft. In Oberösterreich anscheinend nicht. Hier ticken die Uhren wohl etwas anders, ziemlich rechtstendenziös, insofern nichts Neues ob der Enns.

Thomas Rammerstorfer

Causa „Vortragsabbruch“: Rammerstorfer klagt FP-Haider auf Unterlassung

Presseaussendung der Welser Initiative gegen Faschismus

Causa „Vortragsabbruch“: Rammerstorfer klagt nun FP-Haider auf Unterlassung

Fast 2 Jahre nach dem von Roman Haider veranläßten Abbruch eines Vortrages zum Thema Extremismus klagt nun der damalige Vortragende, Thomas Rammerstorfer, den FPÖ-Nationalrat. Grund ist die Aussage von Roman Haider in einem OÖN-Interview vom 6. März 2019, Rammerstorfer habe dort „die Kinder mit falschen Inhalten aufgehetzt“.

Thomas Rammerstorfer ist auch stellvertretender Vorsitzender der „Welser Initiative gegen Faschismus“ und bei den Grünen aktiv. „Meine Aufklärungsarbeit ist der FPÖ natürlich ein Dorn im Auge, obwohl sie mir in 25 Jahren noch keinen einzigen fachlichen Fehler nachweisen konnte“, so Rammerstorfer. Auch im Falle der abgebrochenen Vortragsveranstaltung an einem Linzer Gymnasium im März 2017 konnte weder von „falschen Inhalten“ oder gar „Hetze“ die Rede sein: Ein Untersuchungsbericht des Landesschulratspräsidenten stellte vielmehr keinerlei auch nur irgendwie bedenkliche Äußerungen fest.

Bereits im Vorjahr hatten Rammerstorfer und sein Rechtsanwalt Heinz Oppitz einen Prozess wegen „übler Nachrede“ gegen die FPÖ-nahe rechte Postille „Wochenblick“ gewonnen.

Vom Filmverleih zum Fußballteam: Neue Aktivitäten der Grauen Wölfe in Oberösterreich

Abdurrahman Alpaslan wurde Anfang 2016 einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Der Schriftführer des Linzer Graue Wölfe-Vereins „Avrasya“ verbreitete Bilder von sich in sozialen Medien: Darauf war er im KZ Mauthausen zu sehen, wo er auf einem Gedenkstein stehend stolz den (in Österreich mittlerweile verbotenen) „Wolfsgruß“ präsentierte. Andere Bilder zeigten ihn mit einem deutschen Gesinnungsgenossen, der den Hitlergruß darbot.

Darüber hinaus ist Alpaslan ein recht umtriebiger Geschäftsmann. Mit einem Wiener Kollegen eröffnete er 2018 den Filmverleih „Cinedex“, der türkische Filme in europäische Kinos bringt. Die Linzer Firma scheint zu laufen: Cinedex zeigt türkische Komödien im ganzen deutschsprachigen Raum, türkische Horrorfime in Belgien und Dänemark, selbst in Großbritannien ist man im Rennen. Neben „leichter“ Kost zeigt Cinedex aber auch rechtsextreme Propagandafilme: Kurtlar ve Çakallar hies einer dieser blutrünstige Schmonzetten, „Wölfe und Schakale“ zu deutsch. Ein Heldenepos über nach dem Putsch 1980 inhaftierten Rechtsextremen.
Gezeigt werden solche Filme in Sondervorstellungen in den diversen Multiplex-Kinos Europas. Kartenverkauf und Bewerbung übernehmen oft die lokalen „Grauen Wölfe“. So lief das auch schon seit einigen Jahren in einem Großraumkino in Linz-Land – seit 2018 geht man nun auf europaweiten Expansionskurs.

Während die oberösterreichischen „Grauen Wölfe“ im Filmgeschäft schon in der Europaliga mitspielen, begnügt man sich im Fußball noch mit der oberösterreichischen Kleinfeldliga. Dort kickt der „Avrasya SK“. Man hat aber größere Pläne, und sich im Juli 2018 auch als eigenständiger Verein konstituiert. Vereinsadresse ist das Lokal der „Grauen Wölfe“ in der Welser Eisenhowerstraße. Avrasya SK ist ambitioniert, versucht junge Leute über diverse Social Media-Kanäle anzusprechen und veranstaltete im Februar 2019 auch sein erstes eigenes Turnier. Ein Foto auf dem Instagram-Account zeigt die Burschen offenbar bei einem Turnier der „Freiheitlichen Jugend Wels“.

Avrasya SK`s Dachverband ist aber der SPÖ-nahe ASKÖ (1). Nur eines von mehreren Indizien, dass die nach des Herrn Alpaslans KZ-Eskapaden 2016 vermeintlich abgekühlte Liebe zwischen SPÖ und türkischer Rechter in Oberösterreich wieder aufgewärmt wurde. Im Juni 2018 wurden mindestens zwei Besuche von SPÖ-PolitikerInnen bzw. -FunktionärInnen bei den Linzer „Grauen Wölfen“ dokumentiert. Im Jänner 2019 durfte „Avrasya“ nach längerer Pause auch wieder mal in einer städtischen Einrichtung in Linz veranstalten (Volkshaus Harbach).

Die Beispiele für „Graue Wölfe“-Aktivitäten lassen sich leider noch fortsetzen. Da wäre ein Kampfsport-Event im März 2018 in Leonding gewesen, das von mehreren einschlägigen Teams zu einem türkisch-nationalistischen Spektakel umfunktioniert wurde (siehe hier). Vorwürfe der Spitzeltätigkeit wurden im Herbst 2018 nach der Verhaftung einer Türkei-stämmigen Demokratin in der Türkei laut. Oberösterreichische Wölfe waren auch Ende März 2019 im Kommunalwahlkampf in der Türkei im Einsatz. Hinzu kommen die laufenden Aktionen informell Organisierter und der bestehenden Vereine in Linz, Wels, Ried im Innkreis und Lengau sowie einer Abspaltung in Braunau.

(1) Der ASKÖ wurde darüber Mitte Februar informiert, Konsequenzen wurden bis dato keine gezogen. Bis heute (8. April 2019) wird Avrasya SK als Mitgliedsverein geführt.

###UPDATE### 8. April 2019 ###UPDATE###

Laut Information des ASKÖ wurde der Avrasya SK am 29. März 2019 per einstimmigen Beschluss ausgeschlossen. Meine Annahme einer bestehenden Mitgliedschaft fußte darauf, dass der Avrasya SK sowohl in der Landes- also auch in der Bundesliste der ASKÖ-Mitgliedsvereine wie auch im Zentralen Vereinsregister des Innenministeriums als ASKÖ-Mitgliedsverein aufscheint.

Sturmgeschütze gegen die Demokratie

aus Versorgerin #119

Thomas Rammerstorfer berichtet über Neues von Wochenblick und Co.

Zwischen Dezember 2017 und Juli 2018 hatte ich dank dreier Verhandlungstage mit der »Medien24 Gmbh« Gelegenheit, etwas Einblick in diese Firma und deren einziges Produkt, ein Multimediaprojekt namens »Wochenblick«, zu erhaschen. Auch eine neue Studie, die Kathrin Quatember für die Kulturplattform (KUPF) anfertigte, bringt etwas Licht ins Dunkel.

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26. 1. 2017: Die extremistische Herausforderung (Linz)

Thomas Rammerstorfer gibt einen Überblick über die vielfältigen extremistischen Herausforderungen unserer Tage, speziell auch über deren Erscheinungsformen in Oberösterreich.

In vielen Teilen Europas sind nationalistische und religiöse ExtremistInnen auf dem Vormarsch. Autoritäre Politikmodelle setzen sich durch: Sie stellen die Demokratie und Menschenrechte in Frage. Neben „traditionellen“ Neonazis tauchen vermeintlich neue Gruppen wie die „Identitären“ auf. Extremismen finden wir aber auch in Gemeinschaften von MigrantInnen, etwa die „Grauen Wölfe“ oder SalafistInnen.

Donnerstag, 26. Januar 2017 um 18 Uhr
Verein Begegnung Arcobaleno
Friedhofstraße 6, 4020 Linz

facebook-Veranstaltung hier