Kategorie-Archiv: Rechtsextremismus

Die Netzwerke der blauen Regierungsmannschaft

aus Versorgerin #108:

Thomas Rammerstorfer wirft einen Blick auf Manfred Haimbuchner und seine FPÖ.

Steinhaus bei Wels

»I hab eam nie ane verpassen müssen, er woar immer folgsam«[1],erzählt Lambert Haimbuchner, Vater von Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred. Der wurde in Steinhaus bei Wels in eine heile blaue Welt hineingeboren. 1979, in einer Zeit, wo die FPÖ anderswo um die 5 %-Marke herumkrebste, wurde Papa Lambert Bürgermeister, und er blieb das bis 2003. Auch danach war Steinhaus FPÖ-Hochburg, und die WählerInnen ließen sich einfach nicht vergraulen, auch nicht, als FP-Bürgermeister Piritsch 2012 wegen Amtsmissbrauchs rechtskräftig verurteilt wurde, auch nicht, als der FP-Vizebürgermeister im Mai ‘15 wegen sexuellen Missbrauchs seiner elfjährigen Enkeltochter rechtskräftig verurteilt wurde. Bei der Gemeinderatswahl im September steigerten sich die Blauen dort auf 51%.

Manfreds Welt

Doch Manfred Haimbuchner ist die Welt dort ohnehin schon zu klein geworden, er strebte nach höheren Weihen, derer er auch schon recht jung anteilig wurde. 2006, gerade mal 28, zog er in den Nationalrat ein. Dort war Haimbuchner u. a. als »Vertriebenensprecher« tätig. Ein Thema, das den Sohn einer Volksdeutschen auch privat umtrieb, so war er stellvertretender Vorsitzender des am äußersten rechten Rand der »Heimatvertriebenen« angesiedelten »Witikobundes«. 2009 wurde er Spitzenkandidat der FPÖ für den Landtag, dem er daraufhin sechs Jahre als Landesrat angehörte. Als eine seiner ersten Amtshandlungen als Wohnbaulandesrat ließ er die Anträge auf Wohnbeihilfe in türkischer und serbokroatischer Sprache aus dem Netz nehmen. Der Kampf der FPÖ gegen Sozialleistungen für Menschen »südländischer Zunge« hatte begonnen und blieb seither eine Konstante im Wirken Haimbuchners. 2010 übernahm Haimbuchner von seinem »väterlichen Freund«[2] Lutz Weinzinger (Scardonia Schärding/Bruna Sudetia Wien) auch den Landesparteivorsitz.

Die drei Burschen

»Heil‘ge Treu‘ dem Vaterlande, Heil‘ge Treu dem Bruderbande« steht am Wappen des Corps Alemannia Wien zu Linz. Gleich zwei Mitglieder der oberösterreichischen Landesregierung stammen aus dem Männerbund, in dem die Mensur noch Pflicht ist: Manfred Haimbuchner und Günther Steinkellner. Ebenso wie der ehemalige Linzer Vizebürgermeister, heutige EU-Abgeordnete und Präsident des Trägervereines des Burschenbundballes Franz Obermayr – oder einst SA-Mann Horst Wessel. Die regierende Burschenherrlichkeit wird ergänzt von Landesrat Elmar Podgorschek, der sich bei der Rieder Germania und der Wiener Cimbria schlug. Mit dem Zweiten Landtagspräsidenten Adalbert Cramer von der Hellas Wien konnte sich ein weiterer Bursche eine Machtposition sichern. Was auffällt: Obwohl die Korporierten deutlich in der Minderheit sind, haben sie sich auf Landesebene fast alle wesentlichen Machtpositionen gesichert, u. a. drei von drei Regierungsmitgliedschaften. Hier wollen wir kurz das Land verlassen und einen Blick auf die beiden wichtigsten Städte, Linz und Wels, werfen, wo sich zwei völlig unterschiedliche Szenen darstellen. Das in Linz wirkende bzw. aus Linz kommende und z.B. im Nationalrat aktive Führungspersonal besteht zum überwiegenden Teil aus Burschenschaftern, meist von der Arminia Czernowitz. Arminen, früher Detlef Wimmer, heute Michael Raml, führen auch den »Ring Freiheitlicher Jugend«. Ein weiterer Armine ist Wolfgang Kitzmüller, dessen Gattin Nationalratsabgeordnete Anneliese Kitzmüller (Mädelschaft Sigrid) den »Vertriebenensprecher« von Haimbuchner übernahm. Selbst innerhalb der FP und innerhalb des Burschenschaftmillieus stehen die auch intern mitunter als »FPÖ Czernowitz« bezeichneten LinzerInnen weit, weit rechts. Im krassen Gegensatz dazu die weit erfolgreichere Welser Stadtpartei: Hier sind keine Burschis zu finden. Generell unterhalten die WelserInnen nur lose Bande zur Landes- und Bundespartei und beteiligen sich auch nicht an der nachfolgend beschriebenen blauen Vereinsmeierei.

Plötzlich katholisch und immer neoliberal

Neben den deutschnationalen Burschenschaften und den Vorfeldorganisationen der Partei hat die FPÖ in Oberösterreich in den letzten Jahren aber noch einen bunten Strauß an de facto FPÖ-anhängigen Vereinen gegründet bzw. wiederbelebt.

Kennen sie den »Ring Freiheitlicher Katholiken«? Wahrscheinlich nicht. Nicht mal Google kennt ihn wirklich und findet gerade mal fünf Einträge dazu, die sich alle auf die Obmannschaft von Landesrat Günther Steinkellner beziehen. Dabei wäre der 2013 gegründete Verein auch sonst prominent besetzt: Adalbert Cramer ist im Vorstand ebenso wie Landeshauptmann-Stellvertreter Haimbuchner und der Fraktionsvorsitzende im Landtag, Herwig Mahr. Nichtsdestotrotz sind keine Aktivitäten der neuerweckten Katholiken bekannt, ebenso wenig wie von der (in Oberösterreich) 2014 gegründeten »Christlich Freiheitlichen Plattform für ein freies Europa selbstbestimmter Völker«, die ChristInnen aus dem ehemaligen Jugoslawien vereinen soll.

Die FPÖ-Industrie-Connection

Deutlich ernster nimmt die Landes-FPÖ ihre irdische, neoliberale Agenda. Gleich zwei Vereine üben eine wohl nicht unwesentliche Scharnierfunktion zur Industrie aus: »Manfred Haimbuchner initiierte unter der Schirmherrschaft des [damaligen – Anm. d. Verf.] Dritten Landtagspräsidenten Adalbert Cramer den Liberalen Klub in Oberösterreich und belebte den freiheitlichen Arbeitskreis Attersee mit NAbg. a. D. Alois Gradauer[3] als Präsidenten mit frischem Wind.«[4] Beide Vereine residieren in der FPÖ-Landesgeschäftsstelle in Linz. Ihre neoliberale Ideologie konnten sie noch nicht ganz in die Praxis umsetzen, und so werden sie vom Land Oberösterreich laut Landesförderbericht mit jährlich 55.000,- (Atterseekreis) bzw. 100.000,- Euro (Liberaler Klub) gefördert. Das ist viel Geld. Hubert Schreiner, hauptberuflich Landesgeschäftsführer der FPÖ und »Landesschulungsverantwortlicher« des FPÖ-Bildungsinstitutes, verwaltet es, er ist Kassier in beiden Vereinen. Insbesondere die 100 000 für den Liberalen Klub werden gar nicht so leicht auszugeben sein, besteht doch die einzige Aktivität des Vereins im Abhalten zweier Klubabende jährlich.[5] Wer hier zu Wort kommt? Neben FPÖ-Politikern in erster Linie Vertreter der Industrie und Wirtschaft. Der Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung, Georg Kapsch etwa, dazu die letzten beiden oberösterreichischen IV-Präsidenten Greiner und Pöttinger, der ehemalige Präsident des Bundes Deutscher Industrie, Hans Olaf Henkel oder Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Die schwarz-blaue Landesregierung war nicht nur eine Frage von post-elektionalen Koalitionsverhandlungen, sondern wurde vielmehr jahrelang vorbereitet; unter anderem durch den »Liberalen Klub«.

Und weiter geht‘s

Auch der Nachwuchs wird umsorgt. Das »Studentenhilfswerk Linz« betreibt mit seinem Johannes-Kepler-Heim mit 242 Doppelzimmern das zweitgrößte Studentenheim von Linz. Im Vorstand finden wir Haimbuchner, Steinkellner und Gerald Daschiel. Letzterer ist auch altgedienter Funktionär des rechtsextremen Witikobundes, dem nunmehr Günther Kleinhanns vorsteht. Kleinhanns, FP-Klubobmann im Linzer Gemeinderat, ist wiederum auch stellvertretender Vorsitzender eines weiteren FP-Vorfelders, des »Klub Austria Superior«, dem »der richtige Gebrauch und die Entwicklung unserer deutschen Muttersprache« sowie die »Pflege und Wahrung abendländischer Kultur«[6] umtreiben. Beide – Daschiel und Kleinhanns – finden wir auch noch im Vorstand eines weiteren »Vertriebenen«-Vereins, dem »Sozialwerk Sudetia«.

Für den Linzer NR-Abgeordneten Werner Neubauer (Teutonia Linz) bleiben schließlich noch die Obmannschaften im Verein »SOS Abendland« sowie dem »Berg Isel-Bund«, einem »Schutzbündnis für die Rechte der Südtiroler«. Stellvertreter ist Klaus Starzengruber[7], Linzer Gemeinderat a. d., wiederum auch Vorstandsmitglied des Witikobundes…

[1] http://www.nachrichten.at/nachrichten/politik/landespolitik/wahl2015/I-hab-eahm-nie-ane-verpassen-muessen;art174240,1963513, abgerufen am 11. November 2015
[2] http://www.fpoe-ooe.at/ueber-mich/, abgerufen am 13. November 2015
[3] Burschenschaft Bajuvaria Linz
[4] http://www.fpoe-ooe.at/ueber-mich/, abgerufen am 13. November 2015
[5] http://www.liberalerklub.at/
[6] http://www.klubaustriasuperior.at/Wir-ueber-uns/, abgerufen am 13. November 2015
[7] http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20130917_OTS0069/bergisel-bund-neubauer-einstimmig-zum-bundesobmann-wiedergewaehlt, abgerufen am 13. November 2015

14. 1. 2016: „Brauntöne“ in Bad Ischl

„Brauntöne – Rechtsextreme Jugendkulturen und ihre Musik“: Thomas Rammerstorfer beleuchtet in seinem mit Bildern und Tonbeispielen unterlegten Vortrag sowohl die Geschichte des Rechtsrock als auch die aktuellen Tendenzen in den Szenen (Neonazistischer Black Metal, LiedermacherInnen, brauner Techno, NS-Hardcore usw.). Auch gegenwärtige rechtsextreme Kleidungsmarken und Codes/Symbole werden thematisiert.

14. 1. 2016, 18 Uhr
Jugendzentrum Bad Ischl
Auböckplatz 6
4820 Bad Ischl

Linzer SP & Graue Wölfe: Ein neuer Tiefpunkt.

Ich weiß ja gar nicht, was ich noch schreiben soll, zur Linzer SPÖ und ihren rechtsextremen Freunden von den „Grauen Wölfen“. Alles ist geschrieben, alles gesagt, die Karten sind am Tisch und geändert hat sich nichts, gar nichts. Nur dieses eine Foto noch! Das will ich euch nicht vorenthalten, weil es fast symbolisch ist für die Unverfrorenheit, ja für die Frechheit mit der Herr Luger seine Freundschaft pflegt.
Entstanden vor wenigen Tagen bei einem Empfang der SPÖ für ihre Kameraden aus dem Spektrum des politischen Islam und eben von Avrasya, dem Verein der faschistischen Grauen Wölfe. Der Herr neben Luger ist Kamil S. Kamil S. ist ein „Grauer Wolf“. Kamil S. ist vor nicht einmal einem Jahr recht bekannt geworden, er hat, während die Schlacht zwischen den KurdInnen und dem IS um Kobane tobte, unmissverständlich Stellung bezogen: „Ich hoffe, dass jeder YPG-PKK-Peschmerga Terrorist in Ain al Arab qualvoll verreckt.“ (Ain al Arab ist der arabische Name von Kobane).
Dafür wurde er berühmt: Standard, Kurier, profil, ungezählte antifaschistische und demokratische Organisationen und selbst die FPÖ haben ihn zitiert. Googeln sie mal „qualvoll verreckt“.
Und Herr Luger hat in diesen Tagen, während das Faschistenpack mordend und brandschatzend durch die Türkei zieht, nichts Besseres zu tun als diese Leute einzuladen und mit ihnen zu posieren.
Ich weiß ja gar nicht, was ich noch schreiben soll, zur Linzer SPÖ und ihren rechtsextremen Freunden von den „Grauen Wölfen“.
lugersezer

30. 5. 2015: „Schall und Rauch – Weltverschwörungstheorien“ in Wels

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Sicher ist euch das Thema „Verschwörungstheorien“ schon öfter untergekommen. Dieser Wahnwitz scheint eine stetig wachsende Anhänger*innenschaft zu gewinnen. Im Juni 2015 wird das Treffen der „Bilderberger“ in Österreich stattfinden und es ist mit entsprechender Mobilisierung der Szene zu rechnen.
In der Vortragsreihe beschäftigen wir uns anlässlich dessen insbesondere mit den popkulturellen Ausformungen der ganzen Truther/Infokrieger/Mahnwachler etc., um dem und diversen Irrationalismen, die auch in grünaffinen Kreisen immer stärker Verbreitung finden, etwas entgegenzusetzen.

Facts: Wann: 30.5., 18 Uhr Wo: Grünes Büro Wels, Rainerstraße 8 Was: Vortrag „Schall und Rauch – Das Denken der Weltverschwörungstheoretiker*innen“

Der nigelnagelneue Vortrag von Thomas Rammerstorfer findet ab jetzt in drei Bezirksgruppen der Jungen Grüne OÖ, ergänzt von einem Vortrag von Manfred Walter bei den Jungen Grünen Linz, statt. Der Auftakt der Reihe ist am 30.5. in Wels.
Mehr Informationen zum Vortrag gibt es schon vorab hier: http://www.thomasrammerstorfer.at/2015/04/07/schall-und-rauch-das-denken-der-weltverschwoerungstheoretiker/.

Rechtsextreme Provokationen rund um den 70. Jahrestag der Befreiung

Eine kleine Chronik von Delikten mit mutmaßlich rechtsextremen Hintergrund die letzten paar Tage – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – und mit ziemlicher Sicherheit war es ein Einzeltäter 🙂

1. Mai, Wels: Kurz vor Mitternacht wird in eine Unterkunft für AsylwerberInnen eingebrochen und an mehreren Stellen Feuer gelegt. In diversen online-Foren wird die Brandstiftung mit Aussagen wie „Draufgehen sollen alle“ etc. begrüßt.

7. Mai, Bregenz: Eine Demo der rechtsextremen Pegida (für 9. Mai) geplant wird untersagt

8. Mai, Mauthausen: Die homepage der Gedenkstätte wird gehackt und u. a. mit kinderpornographischem Material versehen

8. Mai, Wien: Mehrere Bands aus dem rechtsextremen Milieu treten auf

8./9. Mai, Österreich: Kampagne der rechtsextremen „Identitären“ mit Transparentaktionen in (laut ihren Angaben) „Wien, Graz, Linz, Salzburg, Leoben, Leibnitz, St. Pölten, Villach, Klagenfurt, Innsbruck und anderen Städten“.

9./10. Mai, Salzburg: Eine Gedenktafel für die Befreier des US-Army wird zerstört

10. Mai, St. Pölten: Der Bus der Sozialistischen Jugend wird mit einem Hakenkreuz (nach anderen Angaben mit mehreren) beschmiert

11. Mai, Graz: Eine Buchpräsentation des VSSTÖ wird von Rechtsextremen gestört und muss abgebrochen werden

13./14. Mai, Wien: Bei einem Büro der Sozialistischen Jugend werden die Scheiben eingeworfen, zuvor waren dort rechtsextreme Sticker angebracht worden

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Türkische Faschisten demonstrieren gegen die Realität

Einen „Amoklauf gegen die Wirklichkeit“ nannten Brigitte Bailer-Galanda und Wilhelm Lasek einmal die Tätigkeit der „Revisionisten“, also der Leugner und Verniedlicher der Verbrechen des NS-Regimes. In den letzten Tagen fühlte man sich durchaus daran erinnert, nur dass das zu leugnende Thema der Völkermord an den ArmenierInnen war und die Gemeinschaft der Ungläubigen KemalistInnen, AnhängerInnen des politischen Islam und – in erster Linie und am lautesten heulend – „Graue Wölfe“, also AnhängerInnen der faschistischen MHP waren. Neben einer Reihe von Saalveranstaltungen in den vergangenen Monaten kam es nun auch auf der Straße zu Rudelbildungen.

Am 21. April fand es vor dem Parlament in Wien eine erste Kundgebung statt. Spruchtafeln mit Inhalten wie „Ende der Anschwärzung der Türkischen Geschichte“, Flaggen der Türkei und Aserbaidschans und Hände, geformt zum „Wolfsgruß“, wurden gewedelt.

Wesentlich größer fiel die Demo am 24. April aus, die gleichzeitig mit dem Trauermarsch für die Opfer des Genozids statt fand:

göks

"Wer sind die? Graue Wölfe!!"

„Wer sind die? Graue Wölfe!!“

Mehrere tausend SympathisantInnen konnten mobilisiert werden.

Dornbirn: Kundgebung gegen Gedenkgottesdienst (!)

In Vorarlberg zeigten die „Grauen Wölfe“, dass es noch widerwärtiger geht. In der Dornbirner „Bruder Klaus“ Kirche fand ein Gedenkgottesdienst für die ermordeten ArmenierInnen statt. Für den örtlichen Tarnverein der Faschisten, der „Safak Jugend & Kulturverein“ offenbar eine Provokation, so organisierte man eine Gegenkundgebung. Wie verhetzt, verblödet und verkommen kann man sein, um auf so eine Idee zu kommen? Jedenfalls besteht in Österreich hinsichtlich des Treibens der „Grauen Wölfe“ dringender Handlungsbedarf.

Hier zwei screenshots von der Safak-Seite, der erste zeuigt eine anti-armenische Karikatur, die zweite die angefertigten Schilder für die Kundgebung:

safak

 

safakdemo

Zur Kundgebung in Dornbirn: http://www.vol.at/dornbirn-tuerkischer-verein-demonstriert-gegen-armenier-gedenken/4302484

 

 

 

 

 

 

„Unsere Stadt, unsere Regeln“: Der aktuelle FP-Werbeslogan wurde bisher fast nur von Hooligans und Neonazis verwendet

„Unsere Stadt, unsere Regeln“ lautet ein aktueller Werbeslogan der FPÖ in Oberösterreich und anderen Ländern, der in Aussendungen und auf Plakaten Verwendung findet und in leicht abgeänderten Varianten auch in den Gemeinden auftaucht:

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(Foto: Thomas Rammerstorfer)

Inhaltlich ist die Parole einfach nichts; weder wird klar, wer „uns“ überhaupt ist, noch an welche „Regeln“ man sich halten solle. Suggeriert wird nur ein aufgeblasenes Selbstbewusstsein gegenüber den „Anderen“, ein Trostpflaster für die Verlierer dieser Welt, und alle die sich dafür halten.

Neu ist der Spruch natürlich nicht. Insbesondere im Hooligan-Milieu erfreut er sich weiter Verbreitung. Diesem ist auch die facebook-Seite „Unsere Stadt Unsere Regeln“ zuzuordnen:

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(Screenshot von Facebook)

Ab dem Herbst 2014 fand der Spruch Eingang in den Wortschatz der rechtsextremen „Hooligans gegen Salafisten“ und von dort in die Pegida-Bewegung. Eine ganze Reihe einschlägiger Kampfsport-, Hooligan- und Neonazi-Versände drucken ihn auf Textilien – wie hier das einschlägige Label „Hardcorps“:

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(Screenshot von www.derversand.de)

In der deutschen Neonazi-Szene wird die Parole in verschiedenen Variationen verwendet. Die neonazistischen „Jungen Nationaldemokraten“ etwa druckten „Unser Kiez, unsere Stadt, unsere Regeln“ 2013 auf Flyer. Der rechtsextreme Versand „Rock Nord“ wirbt mit „Unsere Stadt. Unsere Kultur. Unsere Regeln.“

 

 

 

 

 

Die Putin-Fans aus Linz

Die neue Rechtspostille „Info-Direkt“ steigt für den russischen Präsidenten und gegen eine „Homo-Lobby“ in den Ring. Man will sich im „Alten Rathaus“ präsentieren

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Von der ersten Seite lässt das neue Medienprojekt keinen Zweifel an seiner Ausrichtung, oder besser: an seiner Mission. Auf der Titelseite prangt ER, wie er sich gerade die Sonnenbrille richtet. „Wir wollen einen wie Putin“ steht in dicken Lettern drunter. So gehts weiter, Schlag auf Schlag, Seite für Seite. Auf der vierten gibts das nächste Putin-Bild in cooler Pose, das Vorwort auf Seite 5 widmet sich dem russischen Präsidenten… dann folgt die 4-seitige Coverstory mit weiteren drei Putin-Bildern und einer ausführlichen Lobhuldigung seines vermeintlich segensreichen Wirkens für die Welt.

Die Seiten 10 bis 13 gehören Alexander Dugin, einem rechtsextremen Berater von Putin. Dugin erklärt auch, wer hinter allen bösen Behauptungen über den Meister steckt. Neben ukrainischen Neonazis und Hooligans – die „Homo-Lobby!“

Dugin:

„ (…) die linken und liberalen Gruppen oder auch die Homosexuellen-Lobby sind ja nicht weniger gefährlich als die gewaltbereiten Hooligans (…)“

Info-Direkt:

„Sie sagen, die liberalen und linken Gruppen, aber auch die Schwulenaktivisten seien nicht weniger gefährlich als gewaltbereite Hooligans?“

Dugin:

„Auch die Homo-Lobby hat außerordentlich extremistische Ansichten darüber, wie unsere Gesellschaft deformiert werden soll. (…) Die Schwulen- und Lesbenlobby ist nicht weniger gefährlich als Neonazi-Gruppen!“

Das Interview führte der deutsche Rechtsextremist Manuel Ochsenreiter.

Seite 13 und 14 widmen sich dann Putins Wirtschaftspolitik (einer einzigen Erfolgsstory natürlich), ehe es wiederum mit Manuel Ochsenreiter in den – O-Ton! – „Vorgarten Wladimir Putins“ geht – die Ostukraine. Jubelrusse Ochsenreiter durfte dort als „Wahlbeobachter“ wirken.

Es folgt eine Doppelseite mit einem Foto und ausgewählten Zitaten von… sie dürfen raten! Jedenfalls gehts auf den nächsten Seiten, also 20 bis 22, über „Putins Feinde in Russland“. Da wäre z. B. der böse Oligarch Newslin, dem im Artikel ausführliche Beziehungen nach Israel nachgesagt werden. Seite 22 bringt ein Interview mit dem russischen Generalkonsul in Salzburg, Sergej Smirnow. Seite 24 und 25 berichtet über „Religion als Seele der Kultur“, garniert mit einem Foto von Putin und dem orthodoxen Patriarchen. Es folgt ein Bericht über das deutsch-russische Verhältnis (Foto: Putin mit Merkel).

Dann eine wahre Putin-Entwöhnung: 3 Seiten zur PEGIDA, eine zu Südtirol, 2 über die bösen Linken, dann einfach mal eine halbnackte Frau, gefolgt von einem einseitigen Buchauszug von Akif Pirincci.

Erst im Kulturteil endlich wieder Putin, diesmal in einem Interview mit dem Wiener Friedenswahnmacher Stephan Bartunek. Der hatte eines schönen Tages „selbst recherchiert und verblüfft festgestellt: Putin hat recht.“ Es folgen Porträts der Salzburger Neofolkgruppe „Jännerwein“ (enttäuschend: ohne eine einzige Putin-Erwähnung!) sowie der Organisatorin des russischen Balls in Wien, Nathalie Holzmüller. Nach 3 Seiten diverser Zitate („Wladimir Putin: In der Ukraine kämpft eine NATO-Legion“), auf Seite 47 endlich wieder mal ein Putin-Bild. Die letzte Seite widmet sich der Vorankündigung der nächsten Ausgabe. Zur Präsentation hat man sich illustre Räumlichkeiten angemietet: In Wien (24. 4.) das Hotel Astoria, in Linz (25. 4.) das Alte Rathaus. Da stellt sich die Frage, wer finanziert eigentlich den Spaß, woher rollt der Rubel? Immerhin geht’s um ein 48-seitiges Hochglanzmagazin, das kostenlos an potentiell Interessierte versandt wurde, in edlen Locations präsentiert wird, offenbar eigene Redaktionsräumlichkeiten angemietet hat… und das ohne auch nur ein einziges Inserat! Auf der homepage findet man die Antwort: Info-Direkt werde „von niemanden finanziert[1].

Viel mehr Transparenz ist auch bezüglich der AutorInnen nicht vorhanden. Die meisten Artikel sind nicht namentlich gezeichnet. Zum „Medieninhaber, Hersteller, Herausgeber und Redaktion“ erklärt sich ein „Verein für Meinungsfreiheit und unabhängige Publizistik“ aus der Linzer Ellbognerstraße (die Anschrift des Magazins ist allerdings in der Dieselstraße). Obmann Karl Winkler (an anderer Stelle auch: Karl Winkler-Ellbogner). Dieser ist nicht ganz unbekannt als OÖ-Vorsitzender der „Österreichischen Landsmannschaft“. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) bezeichnet diese als „rechtsextreme Organisation mit vordergründig humanitärer Ausrichtung, die vor allem im publizistischen Bereich beträchtliche Aktivitäten setzt und aufgrund ihrer ideologisch-kulturellen Tätigkeit eine wichtige integrative Funktion für das deutschnationale und rechtsextreme Lager erfüllt.“[2]

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Thomas Rammerstorfer

[1] http://www.info-direkt.at/ueber-uns/

[2] http://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/rechtsextreme-organisationen/schutzverein-oesterreichische-landsmannschaft-oelm

Neuer Vortrag: Schall und Rauch – das Denken der Weltverschwörungstheoretiker

Die Medien werden zentral gesteuert. 9/11 war ein „Inside Job“. Es gibt keinen Klimawandel. Hinter allen spektakulären Terroranschlägen der letzten Jahre stecken CIA und Mossad. Die Bilderberger, die Freimaurer, die Illuminaten, die Juden und/oder Satan regieren heimlich die Welt. Die Kondensstreifen von Flugzeugen sind in Wahrheit chemische Attacken um die Weltbevölkerung zu. Die meisten Naturkatastrophen werden künstlich erzeugt. Es gab nie eine Mondlandung. Nazis haben UFOs gebaut und Außerirdische die Pyramiden. Impfungen nutzen nur der Pharmaindustrie. Die Erde ist in Wirklichkeit hohl. Und auch hinter dem „Islamischen Staat“ steckt Israel.

Man könnte diese Aufzählung mehr oder weniger gängiger Verschwörungstheorien fortsetzen. Vermutlich sogar tagelang. Rechte und Linke, Islamhasser und AnhängerInnen des politischen Islams, ChristInnen jeder Facon, Sekten-, Esoterik- und Satans-Jünger, gutmütige Hippies und hasserfüllte Pöbler, sie sind sich oft in einem einig: Nichts ist so wie es scheint. Alles wird gesteuert. Die Geschichte ist nicht eine Geschichte der politischen, ökonomischen und sozialen Konflikte, sondern schlicht eine der Verschwörung mehr oder weniger unbekannter Mächte; je nach persönlicher Vorliebe mal gegen die „deutsche Rasse“, gegen das Christentum, gegen den Islam oder gar  gegen die Menschheit an sich. Es gibt weder Zu- noch Unfälle. Überall steckt ein geheimer Plan dahinter, und der führt ins Verderben.

Die Vorstellungen einer Weltverschwörung sind alt. Eine erste Blütezeit erlebten sie im ausklingenden 18. Jahrhundert mit seinen folgeschweren historischen Ereignissen. Die Aufklärung, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung und die Französische Revolution erschütterten Monarchie und Klerus. Bald waren von eifrigen Reaktionären die finsteren Mächte enttarnt, die diese frevlerischen Vorgänge starteten und steuerten: neben den – bereits seit ihren sogenannten Gottesmord an Jesus – für jedes Unglück verantwortlich gemachten Judentum kamen nun aufklärerische Zirkel wie die der Freimaurer und der Illuminaten hinzu. In Umbruchs- und Krisenzeiten sind sie seither als Alltime-Superschurken schnell zur Hand.

Verschwörungstheorien haben aber durch die modernen Medien, insbesondere das Web 2.0 eine neue Dynamik erfahren. Im Sekundentakt werden dort absurde Theorien und dreiste Lügen über den Globus gejagt. Geglaubt wird, was man glauben will, was sich mit bereits vorhandenen Vorurteilen deckt, was das „Wiederlegen“ der Horrorgeschichten noch schwieriger macht. Dazu wird argumentiert, es habe in der Geschichte ja tatsächlich auch Komplotte gegeben, von simplen Versuchen politischer Einflussnahme durch Lobbyisten bis zum Mordkomplott. Das stimmt, allerdings ist der Umkehrschluss „es gab Verschwörungen, also ist alles Verschwörung“ natürlich absurd.

Eingedenk dessen, das die Unzulänglichkeiten des kapitalistischen Systems – Krisen, Kriege, Ungerechtigkeit – offensichtlich und wissenschaftlich belegbar sind, ist eine Beschäftigung mit Weltverschwörungstheorien bestenfalls Zeitverschwendung. Schlimmeren Falls leistet man jenen politischen Kräften Vorschub, die die Fehler des Systems bestimmten Personengruppen zuschanzen wollen – mit den aus dem letzten Jahrhundert bekannten verheerenden Folgen.

Thomas Rammerstorfer ist freier Publizist. Ab Mai 2015 bietet er den Vortrag „Schall und Rauch“ zum Thema an. Kontakt: t.rammerstorfer@gmx.at