Kategorie-Archiv: Oberösterreich

Rechtsextreme gegen Rechtsextreme in Ried

In Ried im Innkreis vergiften türkische und österreichische Faschisten die Stimmung. Gemeinsam treibt man die Spaltung der Bevölkerung voran.

Meine Stadt Ried

nennt sich ein Rap-Track von „Chiko featuring Ibo“. Einerseits erschöpft es sich im genretypischer Rumgepose mit Waffen, Homies und Autos (Frauen waren wohl nicht aufzutreiben) zu beinahe Mitleid erregend schlecht vorgetragenen Reimen. Zum anderen zeigt es eine klar türkisch-rechtsextreme Symbolik: Pullover der „Ülkücü genclik“ („Idealistischen Jugend“) werden gezeigt, die Fahne der faschistischen MHP geschwenkt und als Grauer Wolfs-Darsteller muss ein Huskey herhalten. Hier wird jugendliches Imponiergehabe mit der Symbolwelt einer faschistischen Ideologie kombiniert.

Und die „Grauen Wölfe“ sind ein durchaus reale Faktor in Ried: Schon seit einigen Jahren sind sie hier aktiv. Konzerte mit rechten Barden, etwa in der örtlichen Bauernmarktmarkthalle, ziehen hunderte BesucherInnen an, seit Ende 2013 verfügt der „Hilal Ried Sport- und Kulturverein Halbmond“ über ein eigenes Lokal, wo man unter andren schon Politprominenz aus der Türkei (MHP) oder den Präsidenten der „Avusturya Turk Federasyvon“, des Dachverbandes der türkischen Rechtsextremen, begrüßen konnte. Der Verein scheint straff organisiert. Neben den üblichen Funktionären gibt es „Religionsbeauftragte“ und für die nicht selten in besagten schwarzen Pullis uniformiert auftretende Jugend „Disziplinbeauftragte“.
chiko
Nun könnte man meinen, ein paar rechte Spinner mehr oder weniger würden in Ried, wo die FPÖ sich jährlich jeden Aschermittwoch in alkoholgeschwängerten braunen Tiefpunkten suhlt, nicht sonderlich auffallen, aber halt! Es sind ja keine Germano- oder Austronazis die hier auftreten, sondern die Jungs von der Konkurrenz, und das darf natürlich nicht unbeantwortet bleiben.

Unsere Stadt Ried

nennt sich die Antwort in Form einer facebook-Seite. Motto: „Ried den Riedern“. Innerhalb eines (!) Tages drückten über 2700 Menschen hier auf „gefällt mir“. Derb völkisch und rassistisch geht’s hier mitunter zur Sache; am Titelbild wird der Text eines „Frei.Wild“-Songs („Wahre Werte“) zitiert. Der Grundtenor der Pöbel-Seite lässt sich mit „Türken raus“ zusammenfassen.
Der Initiator ist mit allergrößter Wahrscheinlichkeit ein alter Bekannter aus der Neonaziszene: Robert Faller, einst Führer der „Nationale Volkspartei“, heute Geschäftsführer eines lokalen Saufschuppens mit Namen „Whiskeymühle“. Dort hat er noch ein Hinterzimmer namens „Bierinsel“, Sitz seines neuen Vereins „Gegen Gewalt“. Oder „Gegengewalt“, so genau weiß man das nicht, und im Vereinsregister ist nichts zu finden. Der Verein kämpft also gegen „Migratengewalt“ (!) und „Kinderschänder“. Auf facebook wird widerwärtigst gehetzt. So berichtet man über eine „dramatische Zunahme an Massenvergewaltigungen europäischer Mädchen“ durch Muslime.
Besonders tief – selbst für Faller´sche Verhältnisse – eine Todesanzeige für eine 12-jährige, die in Bayern ermordet wurde. Dass es sich beim mutmaßlichen Täter um einen Gesinnungsgenossen Fallers aus der rechtsextremen Szene handelt wird selbstredend verschwiegen. Vielmehr vermutete man einen türkischen Mörder, was zu Kommentaren wie „Wen das mein Kind ist, schlachte Ich diese Kanackensau selber ab!“ (user „Hanspeter Koch“; Rechtschreibung im Original) führte.

NEUER VORTRAG – ab Herbst 2014: GRENZENLOS RECHTSEXTREM. Die braune Szene in Bayern und Österreich. Parallelen, Unterschiede und Vernetzungen

Von Mario Born und Thomas Rammerstorfer

Die rechten Milieus Bayerns sind insbesondere mit den angrenzenden österreichischen Bundesländern eng vernetzt. Ob in subkulturellen Szenen oder den Kameradschaften, auf Ebene der legalen Parteien, bei rechtsextremen „Heimatvertriebenen“ oder in kriminellen Banden: Man versteht sich. Born und Rammerstorfer liefern einen Überblick über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit sowie über bisher unveröffentlichte Entwicklungen, die Geheimdienste und Polizei beider Länder beschäftigen. Auch die historischen Kontinuitäten kommen im Vortrag nicht zu kurz, war es doch neben den Sudetengebieten vor allem der bayerisch-österreichische Raum, in dem die NSDAP in den 1920ern entstand. Ein Erbe, das bis heute wirkt und in der Gegenwart gefährliche Blüten treibt – bis hin zur akuten terroristischen Bedrohung.

Dauer: ca. 90 Minuten
Kosten: nach Vereinbarung
Termine: ab Herbst 2014
Terminvereinbarung: ab sofort via t.rammerstorfer@gmx.at

Die Vortragenden:

Mario Born, Historiker und Politikwissenschaftler, arbeitet als Journalist für deutsche und österreichische Tageszeitungen. Seit rund 15 Jahren veröffentlicht er zu den Themen Rechtsextremismus und verfassungsfeindliche Bewegungen Hintergrundberichte, Artikel und wissenschaftliche Beiträge. Der Fokus liegt auf der (süd-)deutschen und österreichischen Szene und ihren Netzwerken.
– Seine investigativen Recherchen führten aktuell zur Enttarnung des Terrornetzwerkes „Objekt 21“.
– Autor für SPIEGEL, Süddeutsche Zeitung, Passauer Neuen Presse, „Blick nach Rechts“ sowie den „Störungsmelder“ der Wochenzeitung „Zeit“
– Redakteur bei der Tageszeitung ÖSTERREICH, Bundeslandredaktion Oberösterreich
– Buchprojekte: „Autonome Nationalisten“. Bochum.
„Passau in der Zeit des Nationalsozialismus“, Passau.

Thomas Rammerstorfer, Journalist und Referent, recherchiert zu österreichischem und türkischem Rechtsextremismus mit dem Schwerpunkt Jugendkulturen. Obmann des Infoladen Wels, aktiv bei der Liga für emanzipatorische Entwicklungszusammenarbeit und stellvertretender Vorsitzender der Welser Initiative gegen Faschismus.
– Mitarbeiter im Rechercheteam von Corinna Milborn für das Buch „Gestürmte Festung Europa“ (2006), Redakteur bei Multimediaprojekt Context XXI, Mit-Autor von „Grauer Wolf im Schafspelz“ (2012), Artikel und – Kolumnen in zahlreichen antifaschistischen und kulturpolitischen Periodika.
– Seit 2008 über 100 Vorträge vor mehreren tausend BesucherInnen in Österreich und Deutschland: „Brauntöne – rechtsextreme Jugendkulturen und ihre Musik“, „Oberösterreich ganz rechts“ oder „Graue Wölfe – Rechtsextremismus aus der Türkei“.
– Interviewpartner zum Themenkreis Rechtsextremismus in allen inhaltlich relevanten österreichischen Medien wie dem ORF (Zeit im Bild, Oberösterreich heute, Thema, Report, Kulturmontag), Puls 4, profil, Salzburger Nachrichten, Datum, Echo, Oberösterreichische Nachrichten, Österreich, Kurier…

Gmx.at zu Rechtsextremismus in OÖ

„Im Wiederbetätigungsprozess um die rechtsextreme Gruppierung „Objekt 21“ wurden vergangenen Herbst in Wels alle sieben Angeklagten schuldig gesprochen, nationalsozialistische Ideologien verherrlicht zu haben. „Oberösterreich ist traditionell ein guter Boden für rechtsextremes und deutschnationales Gedankengut. Das war schon in den 1920ern so“, erklärt der Rechtsextremismus-Experte Thomas Rammerstorfer aus Wels. Seiner Ansicht nach hat in Oberösterreich das „Dritte Lager“ die Zäsur des Weltkriegs und der Niederlage ohne Verluste überstanden: „Rechtsextreme sind hier heute fest verankert.“

Die Situation erzeuge „eine gewisse Stimmung der Narrenfreiheit für Neonazis“, urteilt Rammerstorfer. „Aus so einem Sumpf wachsen die unterschiedlichsten Blüten: Skinheadbanden im Innviertel und Wels, rechtsextreme Hooligans in Linz, Weltverschwörungsobskuranten, Nazi-Kameradschaften, faschistische Metal-Fans im Mühlviertel, dazu die bundesweit meisten FPÖ-Mitglieder.“ Er kritisiert, die Entwicklungen würden von der Politik häufig verharmlost – selbst von Grünen und SPÖ. „Während beim Objekt 21-Prozess in Wels sogar eine deutsche Bundestagsabgeordnete dabei war, interessierte sich aus Österreich nicht mal ein Lokalpolitiker dafür.“

weiter lesen: http://www.gmx.at/themen/nachrichten/panorama/92b45mk-oberoesterreich-volkskaiser-hermann-dicker-veroeffentlicht-rechtsextreme-postings#.A1000146

Fluchtpunkt L. E.

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Der Welser Stadtteil Lichtenegg hat eine reiche Migrationsgeschichte

Der Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland bedeutete für die Gemeinde Lichtenegg den Anschluss an die Stadt Wels. Im Sinne der deutschen Raumordnungspolitik sollten die Städte „Oberdonaus“ vergrößert und industrialisiert werden. In Lichtenegg entstand mit den „Flugzeug- und Motorenwerken“ ein wichtiger Rüstungsbetrieb, dessen enormer Arbeitskräftebedarf bald nur mehr mit „Fremdarbeitern“, KZ-Häftlingen und Kriegsgefangenen gedeckt werden konnte. Diese kamen aus Frankreich, Italien, Jugoslawien, der Slowakei und der Sowjetunion und waren unter andrem im Herminenhof und der Trabrennbahn untergebracht. Auch „Reichsdeutsche“ und umgesiedelte SüdtirolerInnen und Rumänien-Deutsche wurden der FMW als Arbeitskräfte zugewiesen, für sie wurde der heute größte Welser  Stadtteil, die Vogelweide, errichtet[1]. Doch es gab deutlich zu wenig Wohnraum: Für die 7000 in den oberösterreichischen Zentralraum umgesiedelten SüdtirolerInnen standen z. B. nur 415 Wohnungen zur Verfügung[2], für die daraus resultierenden sozialen Probleme wurden häufig die schuldlosen Flüchtlinge selbst verantwortlich gemacht[3].

Nach 1945 sollten gewaltige Wanderungsbewegungen Europa in unterschiedlichsten Richtungen durchqueren. Dass viele der Heimatlosen auch nach Lichtenegg kamen, ist der Existenz eines riesigen Barackenlagers zwischen der Dragonerstraße und der Salzburger Straße, dass früher als Kaserne genutzt wurde, zuzuschreiben. Hier fanden zuerst ehemalige KZ-Häftlinge aus Gunskirchen, v. a. ungarische JüdInnen eine neue Bleibe. Der Zustand dieser Menschen nach Folterhaft und Todesmärschen war erbärmlich; noch in Wels starben hunderte an Seuchen und Erschöpfung. Andere jüdische „displaced persons“ aus Osteuropa kamen hinzu: Bald entstand ein Lagerleben mit eigenem Geschäft, einem Gebetsraum, einer Theatergruppe und einer koscheren Schlachterei. Bis 1952 waren alle LagerinsassInnen, im Laufe der Jahre mehrere tausend, weiter gezogen, meist nach den USA oder Israel. War das „jüdische“ Lichtenegg nur ein Zwischenspiel, sollte die nächste Gruppe von MigrantInnen den Stadtteil nachhaltig verändern: Fliehende vor der Roten Armee bzw. der Machtergreifungen kommunistischer Parteien in Osteuropa. Größtenteils waren dies so genannte „Volksdeutsche“, aber auch fremdsprachige Nazi-Kollaborateure aus den vormals besetzten Gebieten, aus Ungarn, Tschechien, der Sowjetunion, der Slowakei und Jugoslawiens. Die neuen Flüchtlinge wollten vielfach bleiben. Der Zentralraum gehörte zur US-amerikanischen Besatzungszone, bot somit relative Sicherheit und hatte vor allem auch einen enormen Bedarf an Arbeitsplätzen. Denn die KZ-Häftlinge, ZwangsarbeiterInnen und Kriegsgefangenen des NS-Regimes hatten Oberösterreichs Industrialisierung weit vorangetrieben, die Zahl der Produktionsbetriebe hatte sich von 1938 auf 1948 verdoppelt.

Im Nachkriegs-Lichtenegg begann ein Phänomen, das man wohl als eine Art „umgekehrter Integration“ bezeichnen kann. Denn die Flüchtlinge schufen soziale Strukturen, die es in diesem Sinne zuvor in Lichtenegg noch nicht gegeben hatte, und bald begannen auch die Einheimischen diese zu nutzen. Zum Friseur ging man zum „Ullig“ ins Lager, einkaufen zu den ungarischen Greislern „Quintus und Horvath“. Die Flüchtlinge hatten auch ihre eigenes Fußballteam mitgebracht, das bald als „Eintracht Wels“ auch einheimische Spieler und Fans anzog. Am nachhaltigsten veränderten die Neuankömmlinge jedoch das Kirchenleben. 1952 wurde die Lagerkirche eröffnet, bis Ende der 50er Jahre waren mehr als die Hälfte der KirchenbesucherInnen alteingesessene LichteneggerInnen. Die Messen wurden in deutscher, tschechischer, slowakischer, russischer und kroatischer Sprache gehalten – kroatische Messen gibt es in der Pfarre übrigens bis heute. Die Kirche ist jedoch mittlerweile eine andere: Seit 1966 besteht anstatt der Lagerkirche die Zeltkirche, die in ihrer namensgebenden Form an das Flüchtlingsschicksal ihrer ErbauerInnen erinnern soll.

Nach der Niederschlagung des ungarischen Aufstandes 1956 strömten weitere Flüchtlinge ins Land bzw. ins Lager 1001. Mit der Stephansiedlung entstand ein eigener Teil Lichteneggs, der Grundankauf wurde von der griechischen Königin Friederike finanziert, StudentInnen aus aller Welt halfen beim Bau (organisiert durch den „Bauorden“). 1958 wurden die ersten Häuser bezogen: „225 Flüchtlinge aus Jugoslawien, 73 Österreicher, 55 Flüchtlinge aus Rumänien, 21 aus Ungarn, 30 aus Polen, 22 aus der Tschechoslowakei und 9 aus Russland untergebracht. Neben 441 Katholiken und 23 evangelischen Bewohnern wohnten in der Siedlung auch 14 orthodoxe Christen und 7 Moslems.“[4] Im Laufe der Zeit wurden die ungarischen EinwohnerInnen der Stephanssiedlung mehr: Arzt (Dr. Haberbusch) und Greisler (Horvath) stammten aus Ungarn, und nach dem ungarischen Nationalheiligen Stephan wurde nicht nur die Siedlung, sondern auch eine Straße und die ganze Pfarrgemeinde benannt. Dazu kamen die Ungarnstraße und jüngst die Matthias-Corvinus-Straße, benannt nach einem ungarischen König.

Mit dem aus „Mitteln der Nächstenliebe“ von einer Schweizerin finanzierten „Dora-Little-Haus“ entstand eine weitere Anlaufstelle für Vertriebene, es wurde ab Ende der 60er Jahre insbesondere von Kriegsflüchtlingen aus Vietnam und Kambodscha genutzt. Bereits 1968 feierte ein vietnamesischer Katholik seine Primiz in der Lichtenegger Pfarre.

Die ArbeitsmigrantInnen aus Jugoslawien und der Türkei, die in den 60er-Jahren angeworben wurden, kehrten meist wieder in ihre Heimat zurück. Am Beginn der 80er kamen politische Flüchtlinge aus der Türkei und Polen, die vor den dortigen Diktaturen flüchteten.

Ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückten die neuen MigrantInnen aber erst mit den späten 1990er-Jahren, als in der Noitzmühle vermehrt MigrantInnen aus der Türkei zusiedelten. Der Anfang der 1970er für die damalige österreichische Durchschnittsfamilie (Eltern und 3 Kinder) konzipierte Teil von Lichtenegg wurde vielfach nicht mehr den Anforderungen der neuen „Single mit Kind“-Familien gerecht. Die großen Wohnungen erfüllten die Anforderungen großer Familien, die unter den ÖsterreicherInnen immer seltener zu finden waren. Zudem ist der Arbeitskräftebedarf der Stadt bzw. der Region nach wie vor enorm.

 Es waren vor allem die Volksdeutschen, später die UngarInnen und heute die Menschen aus der Türkei, die aus dem Dorf Lichtenegg einen modernen Stadtteil einer der reichsten Regionen Österreichs machten. Das ganze ging nicht ohne Anpassungsschwierigkeiten, ohne Konflikte und Vorurteile. Gerade letztere wurden und werden nahezu wortgleich bald über diese, bald über jene Gruppe von Einwanderern verbreitet. So berichtet die Donauschwäbin Vera Tichy-Nimmervoll:  

„Die Heimatvertriebenen spürten oft eine unverhohlene Geringschätzung seitens der einheimischen Bevölkerung und standen dieser skeptisch gegenüber. Die Welser Bevölkerung hatte gegenüber dem am Stadtrand liegenden Flüchtlingslager gewisse Vorurteile, denn Elend und Unsicherheit waren grausame Wirklichkeit. Ich kann mich noch gut erinnern: Wenn meine Mutter in der Stadt etwas bestellte und daher ihre Adresse bekannt geben sollte, sagte sie immer Schulstrasse 15 und nie Lager 1001. Ich vermute, es war ihr peinlich, die wahre Adresse bekannt zu geben.“[5]

Pfarr-Chronist Bertholt Simbrunner beschrieb die Ressentiments gegenüber die UngarInnen: „Häufig vernahm man in der Bevölkerung und in den Zeitungen Klagen über die Ungarnflüchtlinge. Hatte man früher nur mit Bewunderung von ihnen gesprochen, so war es plötzlich still um sie geworden. Bisweilen hörte man, sie wollen nicht arbeiten und würden nicht genügend beschäftigt, stellten zu hohe Ansprüche, seien zum Großteil überhaupt nur Abenteurer.“[6]

Trauriger Höhepunkt der ab den 1980ern von diversen Parteien und Medien hochgepuschten Fremdenfeindlichkeit war ein neonazistisch motivierter Brandanschlag auf ein Haus in der Porzellangasse 1997, bei dem ein Mazedonier zu Tode kam.

Vergleicht man die Reaktion auf Zuwanderung damals wie heute erkennt man Ähnlichkeiten bei gewissen fremdenfeindlichen Einstellungen, aber auch deutliche Unterschiede. So gab es früher weder Parteien noch Medien, die organisiert gegen die „Volksdeutschen“ hetzten. Die FPÖ bzw. ihr Vorläuferpartei VdU sah sich sogar als Partei dieser Flüchtlinge (zumindest der „deutschen Volksgenossen“). Durch die vergleichsweise rasche Einbürgerung waren die Volksdeutschen mit rund 10 % der oberösterreichischen Bevölkerung bald auch ein WählerInnenpotential, auf welches keine Partei verzichten wollte. 

Thomas Rammerstorfer 

 Artikel aus: ANTIFA-FORUM 2013


[1] Über zwei Drittel der Wohnungen in der Vogelweide verfügte die FMW

[3] Siehe auch Christoforetti, Rudi: Rieche, es ist die deutsche Faust: ein Südtiroler „Optantenjunge“ erlebt die NS-Zeit in Wels, Wien 1999

[4] Berthold Simbruner, Die Enstehung der Pfarre St. Stephan, Wels-Lichtenegg

[5] Tichy-Nimmervoll, Wir Kinder vom Lager 1001, Linz 2010

[6] Berthold Simbruner, Die Enstehung der Pfarre St. Stephan, Wels-Lichtenegg

Braune Umtriebe im Heimatgau

aus: Analyse & Kritik, Hamburg, Nr. 588, November 2013 

Objekt 21: Nazis in Österreich mit guten Kontakten nach Thüringen

Von Thomas RammerstorferJanuar 2013: Einer erstaunten Öffentlichkeit in Österreich wird mit Objekt 21 ein in seinen Dimensionen nahezu einzigartiges kriminelles Netzwerk präsentiert: Die oberösterreichische Polizei macht die Neonazigruppe für zahlreiche Straftaten wie Einbrüche, Brandanschläge, Entführung, Drogen-, Waffen- und Menschenhandel, Körperverletzungen usw. usf. verantwortlich.

Benannt ist die Gruppe nach der Anschrift ihres Anwesens im Ortsteil Windern, einem kleinen Ort zwischen Braunau und Linz. Der Nazikameradschaft mit engen Verbindungen nach Bayern und Thüringen rechnet die oberösterreichische Polizei rund 30 Mitglieder und etwa 200 Anhänger aus Österreich und Deutschland zu. Bei Razzien im Januar wurden unter anderem Sturmgewehre, Maschinenpistolen und zehn Kilogramm Sprengstoff gefunden.

Der Zerschlagung der Gruppe im Januar ging eine jahrelange Untätigkeit der Sicherheitskräfte vor. Dabei waren die Hintermänner und Aktivitäten von Objekt 21 längst bekannt. Alleine in der Tageszeitung »Österreich« erschienen seit 2010 gezählte 30 Artikel mit detaillierten Informationen, insbesondere zu den neonazistischen Verbrechen der Gruppe. Am 4. November 2013 verurteile das Landgericht Wels nun sieben Männer wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung. Doch die Mühlen der Gerechtigkeit mahlen nur langsam und schlampig.

Anfang 2010 stießen AntifaschistInnen auf das Objekt 21, eine relativ offen agierende Neonazigruppe, die im Örtchen Desselbrunn am Rande des Salzkammergutes ein Haus angemietet hatte. Ein Szeneaussteiger lieferte Beweismaterial: Fotos von mit Hakenkreuzen »verzierten« Wänden, von völkischen Liederabenden mit deutschen und österreichischen Szenebarden, Saufgelagen und dergleichen mehr. »Wir hatten die in wenigen Tagen ausrecherchiert. Aufgrund der völlig offensichtlichen NS-Wiederbetätigung dachten wir, die Sache werde vom Verfassungsschutz kurz und schmerzlos erledigt«, erzählt Roman G., ein Ebenseer Antifaaktivist. Doch es sollte anders kommen.

Erst zwei Monate nach Beginn der antifaschistischen Öffentlichkeitsarbeit erfolgte eine Hausdurchsuchung, die dann freilich wenig Verwertbares zutage förderte. Die Bezirkshauptmannschaft brauchte bis 2011, um einen von den Nazis zur Tarnung gegründeten Kulturverein zu verbieten. Angesichts der behördlichen Untätigkeit traten die »Objektler« zunehmend frecher auf und erweiterten ihre Tätigkeiten. Man stieg ins Rotlichtmilieu ein, verdiente dort als Auftragsbrandstifter und Berufsschläger. Drei Bordelle wurden übernommen, ein Versand etabliert (»NS Squad«) und Konzerte veranstaltet.Engste Beziehungen pflegte man zu Kameraden aus Thüringen. Die Gruppe war streng hierarchisch strukturiert, unumstrittener Führer Jürgen W., der auch während der Verbüßung einer 2009 verhängten Haftstrafe per Facebook und Handy die Aktivitäten koordinierte. Diverse Versuche zur Zusammenarbeit und zum Informationsaustausch vonseiten deutscher Sicherheitskräfte scheiterten am Desinteresse ihrer österreichischen KollegInnen.

Das ganze Ausmaß an behördlicher Unfähigkeit und Unwilligkeit brachte der Prozess vor dem Landgericht Wels im Herbst 2013 zutage. Zwar waren die Aktivitäten der Gruppe jahrelang bekannt, die tatsächlichen Ermittlungsergebnisse aber nur rar. Die Erhebungen liefen verspätet an, bei Hausdurchsuchungen wurde Beweismaterial übersehen, die Anklageschrift wurde wegen Formfehlern vom Landesgericht zunächst zurückgewiesen. Weder wurden Telefone abgehört noch Internetaktivitäten überwacht. Die offene Facebook-Gruppe der »Objektler« fiel niemandem auf – sie besteht bis heute.

Auch die Auswahl der Angeklagten ist nicht nachvollziehbar. Einige kleine Mitläufer landeten vor Gericht, einige Kader der Gruppe blieben unangetastet. Der gesamte Komplex wird zudem nicht im Ganzen vor die Justiz gestellt, sondern in einzelne Tatbestände filetiert. Hier wird mal eine Brandstiftung verhandelt, da ein paar Einbrüche, auch die NS-Wiederbetätigungen werden nach einem nicht nachvollziehbaren Muster aufgeteilt.

So wartet etwa der Thüringer Naziliedermacher Phillip T. in der JVA Korneuburg auf einen Prozess, der in der österreichischen Szene eine wesentliche Rolle zu spielen scheint. Ebenso wie Andreas P. aus Gotha (Thüringen), der in Linz sitzt. Das Wesentliche wurde in Wels offensichtlich übersehen – oder bewusst vertuscht: Hier operierte eine militante, neonazistische, streng hierarchisch gegliederte Bande mit besten Verbindungen in die deutsche, vor allem Thüringer rechtsterroristische Szene.

»Die Unbedarftheit, mit der die Polizei wohl jahrelang dem Treiben zugesehen hat bzw. den neonazistischen Kontext ausblendete, erinnerte schon fatal an Ermittlungspannen der bundesdeutschen Behörden in den Anfangsjahren des NSU«, so die Bundestagsabgeordnete der LINKEN Martina Renner, die nun eine parlamentarische Anfrage zu den Vorkommnissen stellt. Es bleibt abzuwarten, ob dadurch Licht ins Braune kommt.

Thomas Rammerstorfer arbeitet als freier Journalist und lebt in Oberösterreich.

Der Heimatgau

Wenige Landstriche Europas haben vom »Dritten Reich« ähnlich nachhaltig profitiert wie der »Heimatgau des Führers«, Oberösterreich. In sieben Jahren NS-Herrschaft erfuhr der damalige »Gau Oberdonau«, in erster Linie durch den rücksichtslosen Arbeitseinsatz von ZwangsarbeiterInnen, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen, einen massiven Industrialisierungs- und Modernisierungsschub. Dadurch sind Ansichten a la »Hitler hat auch viel Gutes getan« sowohl bei den Eliten als auch der Arbeiterschaft weit verbreitet und tradiert. Oberösterreich gilt als Bundesland mit dem größten Rechtsextremismusproblem.

Parlamentarische Anfrage zu „Objekt 21“ und Kameraden in Deutschland

Während die oberösterreichische PolitikerInnen in Sachen antifaschistischer Aktivitäten in ihren üblichen Dornröschenschlaf entschlummert sind, nimmt zumindest die deutsche Partei „Die Linke“ die Sache ernst. Heute – 5. November 2013 – wird eine parlamentarische Anfrage zu den grenzüberschreitenden Naziaktivitäten eingebracht. Mit der deutschen Bundestagsabgeordnete Martina Renner, die im Gegensatz zu ihren heimischen BerufskollegInnen den Weg zu „Objekt 21“ – Prozess nach Wels fand, sprach ich ebenda.

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Was gibt es für Verbindungen von Objekt 21 nach Deutschland?

Wenn man sich die Neonazis ansieht, die auf bundesdeutscher Seite zum Netzwerk des O21 gehören, dann fällt auf, dass diese überwiegend aus den Strukturen von Blood&Honour, insbesondere entsprechender Bands und deren Umfeld gehören bzw. aus dem Bereich der extrem nazistischen völkischen Organisationen wie der verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“. Enge Verbindungen zwischen Neonazis aus Thüringen zu den braunen Granden in Österreich wie Helmut Schweiger sind ebenfalls belegt. Die Kontakte zwischen den Gruppierungen und Personen gehen zurück bis auf die frühen 2000er Jahre. Regelmäßig waren österreichische Neonazis zu Gast bei rechtsextremen Konzerten und braunen Festivals, wie dem „Thüringentag der nationalen Jugend“. Im Gegenzug zog es Thüringer Neonazis nach Österreich. Es drängt sich nach der Aussage des Belastungszeugen P. der Eindruck auf, dass insbesondere Neonazis, die in Deutschland durch schwere Körperverletzungsdelikte aufgefallen waren bzw. sogar entsprechende Haftstrafen verbüßten gezielt für das Objekt 21 „geworben“ wurden. Zu fragen ist nun, wie groß ist das Netzwerk, welche Aktivitäten hat es auf bundesdeutscher Seite durchgeführt, insbesondere gibt es hier auch Verbindungen in den Bereich der Organisierten Kriminalität und welche Gefährdung geht durch diese Personen und Hintermänner aus.

Wie schätzen sie die Arbeit der oberösterreichischen Behörden ein?

Im Prozess hatte man schon ein Deja vu. Die Unbedarftheit mit der Polizei wohl jahrelang dem Treiben zugesehen hat bzw. den neonazistischen Kontext ausblendete, erinnerte schon fatal an Ermittlungspannen der bundesdeutschen Behörden in den Anfangsjahren des NSU. Bezeichnend ist auch, dass erst von außen der Druck derart hoch angesetzt werden musste, durch die Veröffentlichung von Bildern aus dem Objekt 21, dass entsprechende Strafverfolgungsmaßnahmen gezielt in Gang gesetzt wurden. Wichtig ist dafür zu sorgen, dass die Diskussion um diese Strukturen nicht trennt zwischen hier Organisierte Kriminalität und da Naziterror. Eines muss klar sein, das sind zwei Seiten einer Strategie. Nämlich ein autonomes Netzwerk zu schaffen, dass genügend Geld verfügt Neonazis zu binden, aber auch Waffen etc. zu besorgen.

Mehr Infos und die Anfrage gibts in Kürze auf: http://www.martinarenner.de

Road Crew: Die „unpolitischen“ Neonazis

Neue subkulturelle Trends und Organisationsformen deutscher Rechtsextremer finden heute meist schnell ihre Entsprechungen in Oberösterreich. Die Szene ist über die Staatsgrenze hinweg gut vernetzt. Neonazis aus Oberösterreich besuchen ihre Kameraden regelmäßig, gehen mit ihnen auf einschlägige Konzerte oder zum Fußball. Mit der „Road Crew“ ist nun eine neue Form rechtsextremer Männerbündelei auch in Österreich angekommen. Führend dabei sind Neonazis aus Wels und dem Mühlviertel.

Road Crew 24

Die Gruppierung Road Crew 24 entstand an sich als Fanclub der rechten deutschen Skinhead-Band „Barking Dogs“, wobei die 24 für den zweiten und vierten Buchstaben des Alphabets steht, also den Initialen der Band. Nachdem sich die Barking Dogs 2008 auflösten, bestand die Road Crew weiter als eine Art – offiziell unpolitischer – Freizeitverein verschiedener Leute aus der rechtsextremen Skinhead- und Hooliganszene. Von Düsseldorf aus gründete man weitere „Chapter“, zuerst in Bochum, Bielefeld, Mönchengladbach und Stuttgart.[1] Der Begriff „Chapter“ bedeutet hier in etwa „Ortsgruppe“. Er  entstammt dem Rockermillieu, welchem man auch die Organisationsstruktur weitgehend übernommen hat. So setzt man nicht darauf eine breite Masse an Mitgliedern zu rekrutieren, sondern versucht eher ältere, gefestigtere Szenegänger anzusprechen, die ihre Loyalität bereits unter Beweis gestellt haben. Eine neonazistische Einstellung ist dabei kein Muss, aber sicherlich auch kein Hindernis. Die eigenen Veranstaltungen – Feste, Konzerte, Hobbyfußballturniere – werden konspirativ organisiert, die Orte sind nur einem kleinen Kreis an Eingeweihten vorab bekannt, der Rest wird per facebook bzw. SMS erst am Tag des Geschehens informiert.

Road Crew Oberösterreich

Während die Road Crew-Chapter in Deutschland recht bunte Mischungen unpolitischer und rechtsextremer Männerbündler darstellen, dominieren im Anfang 2012 gegründeten Oberösterreich-Chapter Neonazis. Die namentlich bekannten Mitglieder sind Stammbewohner des heimischen braunen Sumpfes: Aus Wels Markus S., altgedienter Anhänger der Nazi-Skinhead-Organisation „Blood and Honour“, verhinderter Kandidat der verbotenen Neonazi-Liste „Die Bunten“ und ehemaliger Aktivist des rechtsextremen „Rapid Club Wels“. Diesem entstammt auch ein weiteres Road Crew-Mitglied, Klaus St., sowie Jungnazi Julian E. aus Weißkirchen bei Wels. Aus dem rechtsextremen Hooligan-Millieu von Blau Weiß Linz stießen Stefan G., Michael N. und Harald A. hinzu, und auch zumindest ein Aktivist der Braunauer Nazi-Szene, Thomas K. ist mit von der Partie. Die via  facebook von deutschen Road Crew-Aktiven ausgegebenen Drohung „Wer zu sehr prahlt und sich der Öffentlichkeit preis gibt, wird schnell am Galgen hängen!“ wird von den Oberösterreichern nicht recht ernst genommen. Dutzende Fotos von Treffen der österreichischen und deutschen Mitglieder wurden veröffentlicht, wohl um Eindruck innerhalb der Szene zu schinden und die Position der RC in Österreich herauszuheben. Im Sommer 2013 wurde schließlich ein „Supporter“-Capter in der Steiermark gegründet, auch ein Italien-Chapter existiert zumindest auf dem Papier.

rcartikel

Der Organisationsansatz der Road Crew bietet eine Reihe von Vorteilen für die Aktiven. In Zeiten der Politikverdrossenheit, auch bei Menschen mit rechtsextremer Einstellung, wirkt der Freizeitbund anziehend, mit seiner wachsenden Anzahl an Ortsgruppen auch mächtig. Ein behördlicher Verfolgungsdruck besteht nicht, ebenso wenig lästige Verpflichtungen wie Flugblätter verteilen oder dergleichen. Trotzdem kann man sich als Gruppe von Verfolgten und Missverstandenen inszenieren, die nur durch unbedingten Zusammenhalt in einer ach so feindlichen Umwelt bestehen kann.

rcsteiermark


[1] http://www.publikative.org/2011/12/21/unpolitischer-freizeitverein-der-barking-dogs-fanclub-road-crew-24/

16. 9. 2013: Migration in Wels/Lichtenegg beim Antifa-Forum

MONATSFORUM

Montag, 16.09.2013, 18.30 Uhr, nöfas Café, Wels

Vortrag von Thomas Rammerstorfer:

WIR VON ÜBERALL
Geschichte der Migration im Welser Stadtteil Lichtenegg

Kaum ein Ort in Österreich erlebte mehr Migration als der Welser Stadtteil Lichtenegg. Mit dem beginn des Zweiten Weltkrieges kamen Kriegsgefangene, ZwangsarbeiterInnen und KZ-Häftlinge; später ausgebombte „Reichsdeutsche“ und OsteuropäerInnen. Nach ´45 bewohnten tausende jüdische Flüchtlinge das Lager 1001, ab 1952 wiederum vor allem „Volksdeutsche“ und andere OsteuropäerInnen. Der Aufstand 1956 in Ungarn füllte das Lichtenegger Flüchtlingslager erneut. Auch Indochina- bzw. Vietnamkrieg hinterließen ihre Spuren, dazu kam die Arbeitsmigration ab den 1960ern. Mit dem in den 1970ern entstandenen Lichtenegger Stadtteil Noitzmühle haben wir heute einen Ort mit besonders vielen MigrantInnen – fast von der ganzen Welt einerseits, aber auch viele BinnenmigrantInnen aus den ländlichen Regionen Oberösterreichs andererseits. Interessanterweise ist diese lebhafte, belebende, aber auch mitunter konfliktgeladene Geschichte auch den EinwohnerInnen des Stadtteils selbst nur wenig bewusst. Um dies zu ändern wollen wir eine Ausstellung organisieren, in der sich alle Interessierten mit der Geschichte Lichteneggs vertraut machen können.
Wir wollen Geschichte erlebbar machen, anhand „unseres“ Viertels. Von den beiden Weltkriegen und ihren Folgen zu den kommunistischen Machtergreifungen in Osteuropa, vom Ungarnaufstand `56 bis zum Vietnamkrieg, vom Fall des Eisernen Vorhanges bis zu den Jugoslawienkriegen: Alle diese Ereignisse haben ihre Spuren in Lichtenegg hinterlassen. Die jüngere Zeitgeschichte kann anhand der Auswirkungen auf den eigenen Stadtteil erzählt werden und wird somit besser (be-)greifbar.

Kampf der Kulturen in Oberösterreich: Von wahnsinnigen Welsern, Frei/Wild und Wagner

Linz: Richard Wagner, 1. Akt

„Die Aufführungen der Wagner Opern im Linzer Landestheater hatten Hitlers Liebe zum Germanenkult geweckt.“[1] Allein: Das Landestheater schien ihm doch dem Wagner`schen Pomp unangemessen. Also lies er ein Opernhaus für Linz planen. Der Rest der Geschichte ist bekannt. Den Notwendigkeiten des Vernichtungskrieges zu Folge produzierte Linz Kanonen statt Kanons. Aber nun war es endlich soweit: Am 12. April eröffnete der Bunker an dem vom Hitler (oder gar der Vorsehung?) auserkorenen Ort in der Blumau seine Pforten. Nur die FPÖ war, wohl in Unkenntnis des Führerwunsches, quasi irrtümlich statt deutschtümlich, dagegen. Begonnen wird, unschwer zu erraten, mit Wagner, dem „Wegbereiter des Neuen“ (Musiktheater-Eröffnungsbroschüre) oder auch der „größte(n) Prophetengestalt, die das deutsche Volk besessen“ (Hitler).

Wels: Frei/Wild vs. freie Szene

Ja, die freie Szene. Ihr geht es wie Hans im Glück. Da hat man Subversion ohnehin schon für Subvention schlecht getauscht, und jetzt wird einem die auch noch gekürzt. Aber dazu später. Agiert diese Szene also leider weder frei noch wild, beansprucht dies zu sein nun eine Truppe rechts-konservativer Südtiroler namentlich für sich: Frei.Wild. Die wollten in Wels spielen und haben auch gleich fleißig angefangen, Tickets zu verkaufen, allerdings, wenig bauernschlau, die Rechnung ohne den Wirt und vor allem ohne Vertrag gemacht. Letzterer kam auch in Folge nicht zustande, da der Wirt – Vizebürgermeister Hermann Wimmer – keinen wollte. Das wiederum führte zu allgemeinen Wut- und Trauerbekundungen von Frei.Wild-Fans, insbesondere natürlich deren Welser Fraktion, die größtenteils aus Freiheitlichen und/oder Neonazis zu bestehen scheint. Ober-Jammerlappen war wieder mal Ludwig Reinthaler: „in dieser Stadt wird alles verboten was nicht linksextrem ist!“ analysierte er, und zwar von „Wahnsinnigen Welser linksextremen ausländer-Politiker ( Koits und Konsorten )“. Rechtschreibschwächen im Original.

Wels: Richard Wagner, 2. Akt

Und dann war da natürlich noch mal Wagner! Der hat nicht nur bei Hitler gewisse Lieben mit bekannten Folgen erweckt, ihm gehört auch die Zuneigung des stramm deutschnationalen Teils des Welser Bürgertums. Darum gibts jedes Jahr ein Wagner-Festival in Wels. Das Publikum ist besonders kaufkräftig, und das freut die Unternehmer und ihre Parteien. So kaufkräftig aber dann doch wieder nicht, dass man nicht noch massiv Steuergelder zuschießen müsste: 80 000 Euro jährlich, also fast der Hälfte der im Kulturbudget vorgesehenen Ermessenausgaben, so beschlossenen von VP und FP. Einen Umstand den zu kritisieren u. a. auch ein Mitarbeiter des Kulturzentrums „Alter Schlachthof“ wagte. Dem die oben angeführten Parteien daraufhin die Subvention strich. Die Welser Haselnuss-Koalition ist offenbar der Meinung dass andere Meinungen nicht zulässig sind.