Kategorie-Archiv: Oberösterreich

„Es war ein Türke!“ Ein Lehrstück über Vorverurteilungen, aufgeführt in Wels

Am 17. Dezember 2016 veröffentlichte die Landespolizeidirektion Oberösterreich eine Presseaussendung bezüglich eines Vorfalles, der sich am 8. Dezember in Wels ereignet haben soll:

„Sexueller Übergriff durch einen Taxilenker. In den frühen Morgenstunden des 8. Dezember 2016 kam es in Wels zu einem sexuellen Übergriff auf eine Frau. Auf einem Parkplatz in der Nähe ihres Wohnhauses wurde der Taxilenker zudringlich. Die Frau wehrte sich und stieß den Mann von sich. Das Opfer, das laut eigenen Angaben alkoholisiert war, konnte sich jedoch nicht weiter zu Wehr setzen. Der Taxilenker nützte offensichtlich den Zustand der Frau sowie ihre Wehrlosigkeit aus. Es kam zu sexuellen Handlungen. (…) Aufgrund umfangreicher Erhebungen der Polizei Wels konnte der Beschuldigte ausgeforscht und festgenommen werden. Er wurde nach Anordnung der Staatsanwaltschaft Wels in die Justizanstalt Wels eingeliefert.“

Nationalität oder Migrationshintergrund des mutmaßlichen Täters wurden nicht erwähnt. Auch das Wort Vergewaltigung kam nicht vor. Beides brachte die Stadt Wels in einer Meldung, die Wort für Wort ident auch von der FPÖ Wels übernommen wurde, ins Spiel:

„Schockiert zeigt sich der Welser Sicherheitsreferent Vizebürgermeister Gerhard Kroiß über Medienberichte, denen zufolge sich ein Taxilenker am 8. Dezember in Wels an einer Kundin vergangen haben soll. Laut Polizei konnte der verdächtigte türkische Taxifahrer ausgeforscht und in Untersuchungshaft genommen werden. „Wenn die Vorwürfe des mutmaßlichen Opfers stimmen, und es tatsächlich zu einer Vergewaltigung im Taxi gekommen ist, muss das Gesetz mit voller Härte gegen den Beschuldigten angewandt werden. (…)“ Da es sich laut Medienberichten um einen türkischen Taxilenker handelt, wird von Vizebürgermeister Kroiß bei einer Verurteilung die sofortige Abschiebung des Täters gefordert.“

Erwähnenswert ist hier auch, dass die Politik gleich der Justiz zu diktieren versucht, wie sie sich in dem Fall zu verhalten hat. Von Gewaltentrennung hat Vizebürgermeister Kroiß (FPÖ) offenbar noch nichts gehört. Jedenfalls lief eine Lawine an Vorverurteilungen an.

„Taxilenker belästigte wehrlose Welserin sexuell. Ausgeforscht und festgenommen wurde ein Taxilenker, der am 8. Dezember eine junge Frau auf der Heimfahrt vergewaltigt hat.“ (OÖN, 17. 12. 2016) und „Der türkische Taxilenker soll den Zustand der Frau ausgenützt haben.“ (OÖN, 19. 12. 2016)
„Welser Taxi-Vergewaltigung: Es war ein Türke!“ schrieb der „Wochenblick“ am gleichen Tag und phantasierte: „Bereits am 8. Dezember kam es in Wels zu einer Vergewaltigung durch einen Taxifahrer. Langsam sickert durch, dass es sich beim mutmaßlichen Täter um einen Türken handeln soll. Manche Medien verschweigen aus Rücksicht auf die international angespannten Beziehungen mit der Türkei diese Information.“
„21-Jährige in Taxi vergewaltigt: Lenker in U-Haft (…) Sex-Attacke in Taxi: Im oberösterreichischen Wels ist es zu einem Übergriff auf eine 21-Jährige gekommen. Der Taxilenker türkischer Abstammung soll sich an der jungen Frau vergangen haben.“ (Krone, 17. 12. 2016)

Gemeinsam hatten fast alle Berichte:

1. Der Verdacht wurde als Tatsacheninformation behandelt
2. Die von der Polizei nicht näher definierten „sexuellen Handlungen“ wurden als „Vergewaltigung“ bezeichnet
3. Der mutmaßliche Täter wurde zum „Türken“ – obschon er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt

In den „sozialen Medien“ sorgten diese Informationen für den leider zu erwartenden Aufruhr. Und da sprechen wir nicht nur vom blau-braunen Sumpfgebiet. Schauen wir mal zur ÖVP. Dort postete Vizebürgermeister Lehner: „Die Situation (…) hat mit der Vergewaltigung einen traurigen Höhepunkt erreicht.“ Der ehemalige Welser ÖVP-Fraktionsobmann Carl-Georg Holter kommentierte den Beitrag: „Und schon wieder ein Türke. Schickt alle heim, dann muss sich unser Aussenminister auch nicht von diesem Gesindel beschimpfen lassen!“. (Beiträge vom 17. 12. Sie sind bis heute, 22. 12. 2016, unverändert)
Am 21. 12. schließlich ein weiterer Artikel in den OÖN: „Nach Sex-Übergriff: Krisengipfel für Taxiunternehmer“ schlagzeilte man. Und dann wird es interessant. Denn gleich der nächste Satz widerspricht der „Sex-Übergriff“-Headline: „Weil kein Tatverdacht besteht, wurde verdächtiger Lenker aus Untersuchungshaft entlassen.“

Oha. Wie geht es weiter?
„Der mutmaßliche Täter wurde zu Wochenbeginn aus der U-Haft entlassen: „Es gibt keinen ausreichenden Tatverdacht für eine Vergewaltigung oder sonstige Straftaten. Auch ein sexueller Missbrauch liegt nach unseren Erkenntnissen nicht vor“, begründet Christian Hubmer von der Welser Staatsanwaltschaft. Details zu dem Vorfall wollte er nicht preisgeben.“

Jetzt muss ich mal einwerfen: Das heißt jetzt nicht, dass es zu keinen strafrechtlich relevanten Handlungen gekommen sei. Es kam ja in der Vergangenheit auch vor, dass sexuelle Übergriffe von Behörden verharmlost wurden. Dennoch müssen wir uns hier vorerst mal auf die Staatsanwaltschaft und die Polizei verlassen, laut denen es eben momentan keinen „ausreichenden Tatverdacht“ oder sonstige „Erkenntnisse“ gibt. Das ist schlicht und ergreifend der Stand der Ermittlungen.

Und jetzt raten Sie mal, wie viele der Schaumschläger aus Politik und Medien bis jetzt den Anstand hatten, ihre Behauptungen zurückzunehmen, vielleicht sogar mit einem Ausdruck des Bedauerns?

Graue Wölfe feiern in Rieder Jahn-Turnhalle

Eine Großveranstaltung haben die rechtsextremen „Grauen Wölfe“ für 28. Dezember 2016 in der Rieder „Jahn-Turnhalle“ angekündigt. Organisiert von den regionalen Vereinen aus Friedburg (Lengau, Bezirk Braunau) und Ried im Innkreis (siehe auch hier) sollen einige Stars der türkisch-nationalistischen Folklore auftreten; Mustafa Yildizdogan, Gökhan Tekin und Osman Öztunc sind angekündigt:
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Zu erwarten hat das Publikum ein Feuerwerk an nationalistischen und militaristischen Parolen und Schlachtgesängen – siehe z. B. hier. Angekündigt haben sich auch die Spitzen des Dachverbandes der „Grauen Wölfe“ in Österreich, der „Avusturya Turk Federasyon“. Dies wiederum ist die Auslandsorganisation der rechtsextremen türkischen Partei MHP, zu der man sich auch in Ried offen bekennt, siehe diese screenshots von facebook-Seiten:
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Bundesweite Bekanntheit erlangte die Rieder Turnhalle bislang nicht wegen Veranstaltungen rechtsextremer Türken, vielmehr findet hier Jahr für Jahr ein Happening derer heimischen Gesinnungskollegen statt: Der „Politische Aschermittwoch“ der FPÖ. Und das auch nicht ganz zufällig. Der Besitzer der Halle, die örtliche Gruppe des „Österreichischen Turnerbundes“ (ÖTB), gilt als deutschnationale Organisation. Noch heute findet sich in seinem Leitbild einschlägiges Gedankengut, etwa die Forderung nach „Erhaltung, Pflege und Förderung des deutschen Volkstums“ oder – für einen Sportverein ungewöhnliche Grundsätze – a la „Der ÖTB erachtet es als seine Pflicht, die Heimat zu verteidigen“ oder „Der ÖTB will seine Mitglieder zu heimat-, volks- und staatsbewussten Menschen bilden“ (siehe das Leitbild des ÖTB). Der Namensgeber der Halle und Chefideologe des ÖTB, „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn, gilt wegen diverser antisemitischer und rassistischer Äußerungen als reichlich umstritten.

„Der politische Rechtsruck in Europa ist die Lösung“ meinte Landesrat Haimbuchner letzten Februar beim FPÖ-Aschermittwoch in der Jahnturnhalle. Da werden ihm die Kollegen der „Grauen Wölfe“ wohl beipflichten…

Wer „verteidigt“ Europa?

Dass die Konferenz der „Verteidiger Europas“, die sich als „erster österreichischer Kongress gegen die ethnokulturelle Verdrängung der europäischen Völker“ sah, in den Redoutensälen des Landes stattfinden konnte, ist freilich ein Skandal. Andererseits muss man fast dankbar sein, wie sich hier die neuen Allianzen des rechten Randes präsentierten. Es ist eine Internationale der Wahnvorstellungen, deren Wirkungsmacht längst über die alten, vielfach beschränkten, braunen Zirkel hinausweist.

weiterlesen auf auf Seite 8 im „Planet“

National im Reform- und Landhaus

Thomas Rammerstorfer über die rechte Annäherung an linke Lifestyle-Themen und den Kongress der »Verteidiger Europas« im Sitz der oberösterreichischen Landesregierung in Linz.
Rechtsextremismus definiert sich hauptsächlich nach Feinden und Feindbildern. Tatsächlich hat er auf zentrale Fragen des menschlichen Zusammenlebens keine eigenen Antworten, ausgenommen unverbindliches »früher war alles besser«-Geraune. Trotz ihrer vorgeblichen Resistenz gegenüber den Zeitgeistern sind Rechtsextreme dazu verdammt, ständig Trends, Stimmungen und Moden hinterherzujagen, und zu versuchen, diese für ihr Ziel – also in erster Linie die Eroberung und Bewahrung politischer Macht – vor den Karren (oder in manchem Fall das Fahrrad) zu spannen.

weiterlesen in der Versorgerin!

Elfriede Grünberg-Preis für Thomas Fatzinek

Der Elfriede Grünberg-Preis der Welser Initiative gegen Faschismus ging heuer unter andrem an Tommy Fatzinek – ich durfte die Laudatio halten – leider in Abwesenheit…

Lieber Thomas Fatzinek, lieber Tommy!

Als wir uns vor rund 20 Jahren kennen lernten, ahnte ich noch nicht, dir einmal eine Laudatio zu halten. Oder auch nicht zu halten, da ich ja heute arbeiten muss – aber vom Antifaschismus allein kann man ja nicht leben, wie du weißt. Und drum heißt es bei dir: „Nach Abbruch der Schule und einer Lehre als Lithograph folgten Tätigkeiten als (u. A.) Altenhelfer, Häftlingsbetreuer, Lagerarbeiter, Siebdrucker, Spengler, Leiharbeiter, Scanner Operator, Briefträger und Zugfahrer im Zoo Schönbrunn.“

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Auch wenn insbesondere der letztere Job reizvoll klingt, dein Interesse galt stets mehr der Politik, der Geschichte, und wie man diese künstlerisch vermitteln kann: In deinem Fall durch Comics. Und an dieser Stelle sei eingeworfen, wer den künstlerischen Stellenwert solcher Zeichnungen für gering hält, der kann deine noch nicht gesehen haben.

„Der Künstler hat dort „Au“ zu schreien, wo es den anderen weh tut“, das hat er österreichische Liedermacher Georg Danzer mal gesagt. Ich möchte diesen Gedanken weiterspinnen: „Die Künstler haben an die zu erinnern, die andere schon vergessen haben“. Besonders an die, deren Leben gelebt wurden, an die, die uns ein Beispiel gaben und geben; ein Beispiel wie man anständig lebt.
Und so danken wir dir heute für die literarisch-zeichnerischen Denkmäler, die du ihnen gesetzt hast:
Den kämpfenden ArbeiterInnen des Februar 1934 in „Als die Nacht begann“, das demnächst auch verfilmt werden soll.

Der österreichischen Schauspielerin und Schriftstellerin Elisabeth «Lili» Grün, die 1942 als Sozialistin und Jüdin von den Nazis ermordet wurde, in „Schwere Zeiten“.

Über den Widerstand in Auschwitz in „Notizen zu Hermann Langbein“.

Über die US-amerikanischen anarchistischen Gewerkschafter Sacco und Vanzetti in „Ein alte Geschichte“.

Und wir danken für die vielen in der Form kleinerer, und dennoch großer anderer Geschichten sowie für dein jahrzehntelanges Engagement in der antifaschistischen Bewegung.

Lieber Christoph Brückl

Anmerkung: Brückl ist Herausgeber einer Monatszeitung aus meiner Heimatstadt Wels/Oberösterreich

Lieber Christoph Brückl,

mit Freude und Interesse habe ich deinen facebook-Eintrag zu meiner Wahl in den Vorstand der Welser Grünen gelesen. Dass sich nur wenige Stunden nach diesem Ereignis einer der Hofschreiberlinge der FPÖ mir annimmt, sehe ich als positives Zeichen. Für die unbedarften LeserInnen möchte ich aber doch ein paar Dinge anmerken:

– Ich bin keiner deiner „größten Fans“. Ich lese eigentlich seit Jahren so gut wie nichts von dir.

– Du schreibst, ich sei „kommunistischer Dogmatiker“. Das stimmt nicht. Eigentlich sehe ich mich seit früher Jugend und bis heute als undogmatischen Linken. Zu meiner Schande muss ich gestehen: Ich hab nicht mal „Das Kapital“ gelesen (ein bekanntes Buch von Marx)

– Ich habe mich nie zu etwas selbsternannt, auch nicht zum „Rechtsextremismus-Experten“. Man bekommt das Etikett halt irgendwann von den Medien verliehen.

– „Er hasst mich“ Spinnst du? Warum glaubst du das? Wäre dir das wichtig?

– Ich halte weder Cahit Kaya (ich musste lange nachdenken, wer dass überhaupt sein soll) noch dich, noch „jeden, der nicht in Punkt und Strich seiner (also meiner, Anmerkung) Meinung ist“ für „rechtsradikal“ (nebenbei ein Begriff, den ich gar nicht verwende)

– „Leute aus linken Kreisen kritisieren seinen stark autoritären Stil“. Tatsächlich? Und ich dachte schon die halten mich alle für ein reformistisches Weichei 🙂

Zu deinem Schlusssatz „Hach, das wird lustig“: Kann sein. Das hoffe ich. Obwohl ich bezweifle, dass wir den gleichen Humor haben. Ich bezweifle, dass du überhaupt Humor hast. Deine getippten Angstzustände sind nicht lustig, weder für die menschlichen Projektionsflächen deiner Ängste, und ich glaube am allerwenigsten für dich selbst.

Liebe Grüße und alles Gute!

tom

bruecki

Großveranstaltung der „Grauen Wölfe“ in Linz

Im Oktober wird es in Linz gleich zwei Großveranstaltungen der rechtsextremen Szene geben. Am 29. Oktober treffen sich die „Verteidiger Europas“, ein buntes Sammelsurium aus FPÖlern, Islam-Hassern und Verschwörungstheoretikern (siehe z. B. hier).

Schon drei Wochen vorher laden die türkischen „Grauen Wölfe“ in Gestalt ihres Linzer Ablegers „Avrasya“ zu einem „Grillfest“ bzw. „Herbstfest“ („Sonbahar Şenliği“). Geplant ist die Veranstaltung gleich dreitägig, von 7. bis 9. Oktober 2016. Als Ort wird auf den Plakaten nur die Adresse Franckstraße 6 – 8 angegeben. Dort residierte u. a. die EC Logistics Gmbh (ein ÖBB-Tochterunternehmen). Neben kulinarischen und sonstigen Genüssen der harmloseren Art wird natürlich die rechtsextreme Propaganda hier nicht zu kurz kommen, dafür sorgen die angekündigten Auftritte der holländischen Musiker Gökhan Tekin und Ali Karagöz sowie des Fahnenschwingers Can Türkoğlu – alles bekennende „Graue Wölfe“. Gäste haben sich mittlerweile aus ganz Österreich angekündigt.

„Avrasya“ stand dieses Jahr schon mehrmals in der Kritik. Im März hatte sich ein Vorstandsmitglied des Vereins beim rumalbern bzw. Zeigen des „Wolfsgrußes“ in der Gedenkstätte Mauthausen gezeigt (siehe hier). Im Juni wurde eine angemeldete kurdische Kundgebung am Hauptplatz angegriffen, eine junge Frau niedergeschlagen (siehe hier).

Oberösterreich muss sich wieder mal fragen, warum die rechtsextremen Szenen gerade hier so aktiv sind – und was man dagegen tun könnte. Die „Kopf-in-den-Sand“-Taktik der Landespolitik hat bis dato jedenfalls nur den Faschisten genutzt.

Veranstaltungsankündigungen auf Facebook:

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In kurdischen Kreisen

Die Konflikte in der Türkei und Syrien bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die KurdInnen in Oberösterreich. Thomas Rammerstorfer über eine Gesellschaft zwischen Kultur und Kampf.

Früher oder später endet fast jeder Abend mit KurdInnen – ob Geburtstagsfeier, JournalistInnengespräch oder politische Demonstration – im kurdischen Kreistanz, dem Govend. Weiter gehts in der neuen KUPF-Zeitung!

„Wenn Sie die heutige Kundmachung nicht absagen, übernehmen wir für die möglichen Vorkommnisse keine Verantwortung!“

Seit Tagen kommt es zu Überfällen auf pro-kurdische Kundgebungen. Am 30. Juni wurde eine Kurdin in Linz durch einen Flaschenwurf schwer verletzt. Eine Eskalation mit Ansage.

In mehreren Städten (Wien, Linz und Innsbruck) läuft derzeit eine Infokampagne kurdischer Vereine. Gefordert wird die Freilassung des PKK-Anführers Abdullah Öcalan und der Beginn von Friedensverhandlungen, um den Konflikt im Südosten Anatoliens zu beenden. Nun kann man zu Öcalan und zur PKK stehen wie man will: Die Forderung ist legitim und jedenfalls nicht ungesetzlich. So sahen das bis jetzt auch die österreichischen Behörden, die diese Infostände bzw. Kundgebungen nicht untersagten. Anders sehen es die diversen Banden türkischer Faschisten und Islamisten, die eine Kampagne gegen diese Veranstaltungen begannen. Mit Erfolg. Am 22. und am 25. Juni kam es zu Überfällen verhetzter Jugendlicher, mutmaßlich auch von Mitgliedern des Boxclubs „Osmanen Germania“, auf die kurdischen Kundgebungen am Stephansplatz. Es kam zu Schlägereien, auch zwei Polizeibeamte wurden verletzt. Am Wochenende 26./27. Juni wurde ein Lokal der KPÖ in Wien mit faschistischen Parolen und den drei Halbmonden, Zeichen der „Grauen Wölfe“, beschmiert. Es ist meines Wissens das erste mal, dass eine österreichische Partei Zielscheibe der türkischen Faschisten wurde. Für die Lokale kurdischer Vereine ist dies ein Dauerzustand.

Am 29. Juni befand man wohl, dass man mit Prügel und Randale nicht alles erreichen konnte, es ging die facebook-Gruppe „Verbot der PKK-Kundgebungen in Österreich“ online. Musterschreiben wurden geteilt, mit denen man Behörden und PolitikerInnen unter Druck setzen sollte. Die „Kufstein Türk Kültür Derneği“ (Graue Wölfe) drohte vor der ersten Kundgebung am 29. Juni in Linz in einem Brief Bürgermeister Luger recht unverholen: „Wenn Sie die heutige Kundmachung nicht absagen, übernehmen wir für die möglichen Vorkommnisse keine Verantwortung!“. Weiters taten sich vervor: AKP-Mann und Nischenmedien-Experte Irfan Ü. (der glühende Antisemit war bei der Gemeinderatswahl 2015 für die Linzer SPÖ aktiv) und der Astener Neos-Gemeinderat und Blogger Alen Tahic: „Sowas darf es in Österreich nicht geben! Wir müssen uns energisch dagegen wehren!“ fand er.

Luger reagierte – in einem von Arzu Büyükkal (bis 2015 Vorsitzende des Linzer „Migrations- und Integrationsbeirates“, 2015 SP-Gemeinderatskandidatin in Linz und bei der dem türkischen Staat unterstellten ATIB) verbreiteten Schreiben – verständnisvoll:

„Ich verstehe Ihren Unmut über die gestern stattgefundene Kundgebung am Hauptplatz vollkommen. Auch mich hat diese Veranstaltung sehr geärgert. Leider stellt sich die Faktenlage so dar, dass ich als Bürgermeister im Vorfeld nichts über diese Kundgebung wusste. Als Stadt Linz haben wir hier leider keine Handhabe, da es sich um eine Demonstration bzw. Kundgebung gehandelt hat. Die Polizei ist dafür zuständig und hat diese auch genehmigt. Es gab im Vorfeld keine Information an mich. Ich distanziere mich von dieser Kundgebung der PKK und bin sehr verärgert.“

Unmittelbar nach Veröffentlichung des Luger-Schreibens (30. Juni/15.49) kam es zur Eskalation. Eine tanzende Frau wurde von Faschisten angegriffen und mit einer Flasche niedergeschlagen, sie wurde blutüberströmt ins Krankenhaus eingeliefert (Rissquetschwunde). Bei nachfolgenden Rangeleien wurden zumindest drei Personen festgenommen. Nun könnte man meinen: jetzt distanziert sich Luger von den rechtsextremen Schlägern. Aber Scherz beiseite. Davon ist in der SP-Aussendung kein Wort zu lesen, nein, auch kein Wort des Mitleids mit dem Opfer, einer langjährigen, über kurdische Kreise hinaus anerkannten Frauen – und Menschenrechtsaktivistin. Nein, schuld sind die, die Versammlungsfreiheit ermöglichten: „Mich ärgert, dass die Polizei solchen Kundgebungen zustimmt“ sagt er.

Ärgerlich ist freilich, neben Lugers Sermon, die Tatsache, dass die Polizei nicht willens war die genehmigte Kundgebung auch zu schützen. „Verhinderung oder Störung einer Versammlung “ ist eine Straftat, entsprechend hätte man an beiden Tagen in Linz die Angriffe auf die kurdische Kundgebung sofort unterbinden können, ja müssen.

Thomas Rammerstorfer

Siehe:

Bürgermeister Klaus Luger verurteilt Krawalle am Linzer Hauptplatz auf das Schärfste


http://www.heute.at/leser/PKK-Demo-wurde-von-Erdogan-Fans-angegriffen;art23650,1304328
http://www.heute.at/news/oesterreich/wien/Schon-wieder-Attacke-auf-Kurden-am-Stephansplatz;art23652,1305229