Archiv für den Monat: November 2014

Salafismus und Reaktion in Oberösterreich

„Lies!“ ist die simple Forderung, unter der freundliche, meist bärtige junge Männer in mitteleuropäischen Innenstädten kostenlos Koranexemplare verteilen. 2011 startete die Aktion in Deutschland. Ziel ist es, allein dort 25 Millionen Exemplare unter die Menschen zu bringen, einen pro Haushalt. Mittlerweile wurde die Kampagne auf zahlreiche weitere europäische und asiatische Städte ausgedehnt. In Österreich bilden Wien und Linz die Schwerpunkte der Missionierungstätigkeit. Weitere im Jahr 2014 in dieser Hinsicht beglückte Orte in Oberösterreich waren/sind Wels, Steyr, Vöcklabruck, Braunau, Ried im Innkreis und Gmunden. Diese Street Dawa („Straßenmissionierung“) ist derzeit das wichtigste und für Außenstehende natürlich offensichtlichste Instrument salafistischer Propaganda. Immer wieder kommt es zu Debatten: Sind das harmlose Spinner, anständige Idealisten oder gar potentielle Terroristen, die ihre weißen „Lies!“-Westen jederzeit gegen einen Sprengstoffgürtel tauschen würden?

„Die wahre Religion“ in Österreich

Zwei offizielle facebook-Seiten betreibt das „Lies!“-Projekt in Österreich. Eine widmet sich der internationalen Kampagne und bringt Nachrichten aus aller Welt. Die andere berichtet ausschließlich über die Dawa-Aktivitäten in Österreich, in erster Linie die Koranverteilungen. Dazu kommt das eine oder andere Video von unbürokratischen Spontankonversionen. Es reicht, das islamische Glaubensbekenntnis nachzusprechen, schon wird man unter „Allahu Akber!“-Rufen in die Gemeinschaft aufgenommen. Die Bilder zeigen dekorierte Büchertische mit dem auf ein Buch begrenzten Sortiment und junge Männer, mit Bart, soweit es der Hormonhaushalt schon zulässt. Nur auf wenigen Fotos sind ältere Herren zu sehen, so z. B. bei jenen vom Tisch im Juni im Donauzentrum in Wien. Hier steht Ibrahim Abou-Nagie bei den Kids – einer der einflussreichsten Prediger der radikalen Szene und „Erfinder“ der Koranverteilungen. Der Besuch in Österreich wird auch auf Video festgehalten . Es zeigt Abou-Nagie in der Mariahilfer Straße – alle paar Sekunden wandert ein Koran über den Tisch in die Hände interessierter PassantInnen. Im Interview spricht er von 1 Million Konvertiten in Deutschland und schwadroniert munter drauf los über die freundlichen Menschen in Österreich und die Vorteile des Handabhackens als Strafe für Diebe: „Die Menschen, die Angst haben, dass ihre Hand abgehackt wird, die brauchen nicht zu klauen“. So einfach ist das.
Abou-Nagie und seine Gruppe „Die wahre Religion“ (DWR) sind die größte und aktivste Salafistengruppe in Österreich. Die österreichischen facebook-Seiten haben keine eigenen Homepages, sondern verweisen direkt auf Abou-Nagies www.diewahrereligion.de. Ident sind die österreichischen facebook-Inhalte auch mit jenen von www.hausdesqurans.de.
Während sich Abou-Nagie eher rarmacht, ist der charismatische und jugend-tauglichere DWR-Prediger Pierre Vogel Stammgast in Oberösterreich. Seit 2008 tritt er etwa einmal im Jahr hier auf, Gastgeber sind die einschlägigen Moscheevereine Kewser in Linz und Sahwa in Wels. An die 100 Zuhörende pro Vortrag (2012 in Linz anscheinend auch eine Schulklasse!) kann Vogel in Österreich anlocken. Zuviel, aber eingedenk seines Popstar-Status in der Szene eine doch überschaubare Menge.
Laut ernsthaften deutschen IslamexpertInnen wie Nina Wiedl und Claudia Dantschke ist DWR dem radikalen Spektrum zuzuordnen, d. h. zum „Djihad“ wie in Syrien wird zwar nicht aufgerufen, man zeigt jedoch durchaus Verständnis dafür. Verschwörungstheorien, Antisemitismus, das Delegitimieren demokratischer Systeme und die Abwertung von Frauen und Homosexuellen sind weitere Konstanten in der DWR-Propaganda.

Was tun?

Bei aller Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung: Pauschale Angriffe auf den Islam nutzen nur der radikalen Minderheit unter den MuslimInnen. Die anti-muslimischen Hetzer sind deren wichtigste Verbündete; Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen treiben Jugendliche in die Hand extremer Prediger. Das heißt, ein wirkungsvoller Kampf gegen Desintegrationsprozesse muss immer auch einer gegen heimische rechte Hetzer sein.
Das bedeutet aber nicht, über antidemokratische Einstellungen und deren ideologische Hintermänner in der muslimischen Community zu schweigen. Diese Einstellungen finden sich über das salafistische Spektrum hinaus in einer Reihe nationalistisch-islamistischer Gruppierungen wie etwa in der türkischen Millî Görüş – Bewegung, oder in einer rechtsextremen Ausprägung bei den „Grauen Wölfen“. Die DemokratInnen werden in der nächsten Zeit an mehreren Fronten zu kämpfen haben.

Thomas Rammerstorfer

Was ist Salafismus?
Die AnhängerInnenschaft der „Salaf“ (arabisch: die Vorgänger, die Altvorderen) stehen für eine erzkonservative Richtung im sunnitischen Islam. Die Salafisten streben ein Leben nach einer wortgetreuen Interpretation des Koran an, sie lehnen alle Anpassungen, die die Religion seit dem 7. Jahrhundert widerfahren haben, ab. Der Salafismus ist keine neue Bewegung, weshalb von manchen IslamwissenschafterInnen für das heutige Phänomen auch der Begriff Neo-Salafismus verwendet wird. In Saudi-Arabien ist mit dem Wahhabismus eine Spielart des Salafismus Staatsreligion. ExpertInnen differenzieren vier verschiedene – allerdings untereinander korrespondierende – Stoßrichtungen: Die „puritanische“ Richtung, die in erster Linie im alltäglichen Leben den Koranregeln entsprechen will, sich aber nicht politisch betätigt. Eine zweite, politische Richtung, die aktiv „Dawa“, das muslimische Pendant zur christlichen Missionierung, betreibt. Als Drittes die „Radikalen“, die den bewaffneten Kampf zwar nicht aktiv propagieren oder praktizieren, ihn aber doch unter Umständen für legitim befinden. Am extremen Rand der Szene stehen die Unterstützer und Praktikanten terroristischer und sonstiger militanter Aktivitäten.
In Deutschland geht man von etwa 7000 AnhängerInnen des Salafismus aus, das sind dort weniger als 0,2 % aller Menschen muslimischen Glaubens.

1 http://www.diewahrereligion.de/jwplayer/index.htm „Besuch in Österreich“
2 Bei dieser Zahl dürfte der Wunsch Vater des Gedanken sein. Seriösere Quellen sprechen von ca. 40 000

Artikel aus „Antifa Jahresforum 2014“, herausgegeben von der Welser Initiative gegen Faschismus

„Des kloane Mäderl war nix gschamig…“ – Frauenbilder bei Andreas Gabalier

Er ist der derzeit mit Abstand erfolgreichste österreichische Musiker: Andreas Gabalier. 600.000 Einheiten hat er in wenigen Jahren verkauft, die Musikpreise fliegen ihm zu, die Konzerthallen sind ausverkauft, er hat eine eigene Modemarke am Start und seine eigene TV-Show, die im gesamten deutschsprachigen Raum ausgestrahlt wird. Er ist der Höhepunkt einer seit gut 20 Jahren anhaltenden Entwicklung, des Siegeszuges einer alpinen Pop-Variante, die auch die Modewelt konterrevolutionierte. Das Produkt Gabalier ist perfekt in Szene gesetzt, hier stimmt alles von der Frisur bis zur beachtlichen Qualität der BandmusikerInnen. Und natürlich die politische Einstellung: Gabalier vertritt konservative Werte, Heimatliebe und Idealisierung des Natürlichen, Lob von Männlichkeit und Kameradschaft. Alles mit Augenzwinkern, oft in Form zotigen Landhumors. Besonders bemerkenswert ist seine Haltung zu Frauen; oder Nicht-Haltung dazu. Denn in Gabaliers Textwelten kommen zumindest erwachsene Frauen kaum vor. Dem bleibt er auch in seiner Interpretation der Bundeshymne ohne „große Töchter“ treu und in seinem Kampf gegen das „Binnen-I“ treu.

Was haben wir für Bezeichnungen für das weibliche Geschlecht bei Gabalier? Da wären etwa
„Zuckerpuppen“, „Baby“, „Engerl“, „liabes Weiberl“, “liabes Rehlein” „sweet little thing“, “sweet little Rehlein”, „Mäderl”, „Mäderle“, „fesche Madeln“, „kloane Mäderl“, „mein schönes Kind“, und „fesche Dirndln“.
Verniedlichung und Verkindlichung von Lustobjekten ist natürlich insbesondere in Liebeslieder keine Seltenheit, eher sogar die Regel. Auffallend hingegen ist die relative Unzweideutigkeit, mit der der Grazer Jus-Student das Anbahnen sexueller Handlungen auch mutmaßlich Minderjähriger beschreibt, wie im Titel „Fesche Madeln“:

„Des Kloane Mäderl
war nix gschamig und setzt sich auf den Buam drauf
und sie mocht des erste Knopferl
von ihrn engen Bluserl auf“

In einer Live-Version, beim Konzert in der Wiener Stadthalle 2012, fügt Gabalier an das Publikum gewandt noch hinzu: „Wo san die engen Bluserl? Für jedes offene enge Bluserl gibt’s a Schneiztiachl gschenkt“. Geilspechtelei als Unterhaltungsprogramm. Die Halle tobt vor Freude. Erwachsene Frauen kommen bei Gabalier nur selten vor. Und wenn, dann ist ihre Aufgabe ist die Verführung junger, „unschuldiger“ Männer, wie im Titel „Meine Stewardess“: „Ich war doch noch ein Kind“ heißt es, nachdem der Ich-Erzähler des Liedes offenbar Geschlechtsverkehr mit einer Stewardess auf der Toilette eines Flugzeuges hatte.
In „Die Beichte“ besingt er ähnliche „Probleme“:

„Die Hintermoser Kathl is a Saubartel gwesen
I hob viel oba so was hab i nu net gseng
Mit 14 hats ma wolln des erste Busserl geben“

Im gleichen Lied äußert er sich noch wie folgt zum Thema:

„Reiten sagt man lernt ma auf an alten Radl,
oba knackig san im Regelfall die jungen Madl“

Natürlich tauchen auch Männer auf bei Gabalier. Da wären z. B. der „Bergbauernbua“, der „Teifi“, der „Rehbock“, ein „fescher Kampl“, „flotte Buam“ und „Heimatsöhne“.

Thomas Rammerstorfer

t.rammerstorfer@gmx.at

10. 11. 2014: „Graue Wölfe – Rechtsextremismus aus der Türkei“ in Salzburg

Montag, 10. November um 19:00
Unipark Nonntal, Hörsaal Agnes-Muthspiel, Salzburg

Inspiriert von Europa und unterstützt von Nazi-Deutschland entstand auch in der Türkei der 40er Jahre eine faschistische Bewegung, die „Grauen Wölfe“, die sich ab den 60ern in der MHP (Partei der Nationalistischen Bewegung) zusammenfanden. Seit ihrer Gründung steht die Partei für rabiaten groß-türkischen Chauvinismus, sie ist für tausende Morde an fortschrittlichen TürkInnen und KurdInnen verantwortlich.

In Österreich erfreuen sich die „Grauen Wölfe“ eines großen Zulaufs an Jugendlichen, eine Entwicklung die durch den zunehmenden anti-türkischen Rassismus beschleunigt wird. Die MHP`ler sind in Vereinen mit meist harmlos klingenden Namen organisiert; sie und andere nationalistische Gruppierungen versuchen dadurch Einfluss in der österreichischen Gesellschaft, insbesondere der Integrationsszene zu gewinnen – mit Erfolg…

Den Vortrag hält der Rechtsextremismusexperte Thomas Rammerstorfer, der neben jahrelanger Recherche- und Aufklärungsarbeit auch auf die thematisch relevante Buchveröffentlichung „Grauer Wolf im Schafspelz – Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft“ (mit Kemal Bozay, Thomas Schmidinger und Christian Schörkhuber) zurückblicken kann.

Eintritt frei, Spenden für Flüchtlingsorganisation „Rote Sonne Kurdistan“ erbeten!

Eine Kooperationsveranstaltung von:
– Antifaschistisches Informations- und Solidaritätskollektiv Salzburg
– ÖH Salzburg
– Kurdischer Kulturverein Salzburg