Kategorie-Archiv: Rechtsextremismus

Interview zu „Frei.Wild“ (aus Echo, Mai 2013)

ECHO: Sie sagen, Frei.Wild sei keine rechtsextreme oder Neonazi-Band. Ist die ganze Diskussion also überzogen?

Thomas Rammerstorfer: Meines Wissens hat noch niemand Frei.Wild als Neonaziband bezeichnet. Frei.Wild verteidigen sich nur ständig deswegen, weil sie sich gerne in der Märtyrerrolle sehen, oder weil sie die Begrifflichkeiten nicht differenzieren – das weiß ich nicht. Die meiste Kritik an Frei.Wild finde ich berechtigt, allerdings finde ich nicht, dass die Band das große Problem wäre: die Plattenindustrie hat Nachfolger für die Bösen Onkelz gesucht, eine Band die das rechtskonservative Spektrum abdeckt, und Frei.Wild ist es geworden.

ECHO: Was ist bedenklich an Frei.Wild?

Rammerstorfer: Wie Frei.Wild zum Heimatbegriff steht, finde ich (…) bedenklich. Denn in den Songs geht es ja nicht nur darum, dass sie ihre Heimat lieben, sondern dass sie mehr oder weniger alle hassen, die das nicht tun. Der Hass auf jede Art von Kritik, dieses Schwarz-Weiß-Denken – wer nicht für uns ist, ist gegen uns – da steckt schon ein sehr, sehr einfaches Weltbild dahinter. Der „hassen“ an sich ist ja ein zentrales Thema ihrer Musik. Verbale Aggression auf aggressiver Musik zu transportieren, das kann Stimmungen erzeugen, die sehr bedenklich sind. Ich habe von Frei.Wild-Fans viele Mails gekriegt. Rund die Hälfte war halbwegs höflich, aber inhaltlich meist undifferenziert, sehr viele allerdings war von blankem Hass erfüllt.

ECHO: Fördert Frei.Wild diese Haltung der Fans Kritikern gegenüber?

Rammerstorfer: Man hasst ja Kritiker, es gibt es keine Dialogbereitschaft. Was passiert in der Realität: Frei.Wild stellt sich der Kritik nicht. Für mich unglaublich ist dieses fast schon widerliche Selbstmitleid. Was ist der Band passiert? – Es ist eine Hand voll Auftritte abgesagt worden, es hat Antworten gegeben auf die Provokationen der Band, es hat Kritik gegeben. Ansonsten hat es weder juristische Maßnahmen gegeben, diese Band zu schädigen oder sonst was. Umgekehrt ist es aber schon so, dass Frei.Wild mit juristischen Mitteln gegen Kritiker vorging, oder Leuten, die sich über die Band lustig machten, mit juristischen Konsequenzen droht. Es ist eine völlige Verdrehung der Realität, was diese Band in ihrer Verteidigungs- besser gesagt  in ihrer Angriffslinie praktiziert. Das ist für mich traurig, weil den jungen Leuten ein Muster vorgegeben wird: Du hast immer Recht, alle, die dich kritisieren, sind Idioten, die musst du hassen, bekämpfen, mundtot machen. Das ist eine Lebensanleitung für Jugendliche, die ich sehr bedenklich finde, neben diesen nationalistischen und sonstigen problematischen Inhalten.

ECHO: Wie sollte die Politik agieren?

Rammerstorfer: Das muss jeder Hallenbesitzer- oder Verwalter selbst entscheiden, ob er diese Band spielen lassen will. Für mich viel wichtiger ist, das Thema an sich zu diskutieren, also den erstarkenden Nationalismus bei Jugendlichen, auch im Rahmen von bildungspolitischen Maßnahmen versuchen, dem entgegenzuwirken. Nationalismus ist ein Spiel mit dem Feuer. Das Risiko der Eskalation ist latent vorhanden, auch in der Südtirol-Frage, die irgendwann durchaus wieder gewalttätig „diskutiert“ werden könnte.

Anmerkung August 2013: Das mit der Dialogbereitschaft möchte ich mal relativieren. Von seiten Frei.Wilds gibt es die – zumindest mir gegenüber – durchaus.

Der Misserfolg hat viele Väter

Die oberösterreichischen Behörden versagen im Kampf gegen Neonazis auf der ganzen Linie. Das Problem liegt nicht beim Verfassungsschutz alleine

Als ich im März 2010 erstmals auf den Neonazi-Club „Objekt 21“ stieß, dachte ich diese Angelegenheit würde sich innerhalb weniger Wochen erledigen. Die „Objektler“ agierten nahezu absurd dilettantisch. Tätowierte Hakenkreuze, völlig offensichtliche NS-Propaganda im Internet, SS-Runen als Wanddekoration, dazu kriminelle Aktivitäten. Der Kopf der Bande, Jürgen W., ein fanatischer Nazi, war zudem den Behörden bestens bekannt. Seit 2001 wurde er regelmäßig einschlägig verurteilt – in Oberösterreich ein Kunststück! – zuletzt 2009, wo er einen „Kampfverband Oberdonau“ leitete. Im Frühling 2010 also hätte es ohne jeden Zweifel mehr als genug Beweise gegeben, die Gruppe zu zerschlagen. Es dauerte aber noch fast drei Jahre, ehe die Behörden tatsächlich durchgriffen.

Fast drei Jahre, in denen die Ermittlungen von verschiedensten Stellen hintertrieben, verraten, verschleppt und sabotiert wurden. Als sich im August 2010 der Verfassungsschutz zu einer ersten Hausdurchsuchung aufraffte, war die Bande aus Kreisen der Vöcklabrucker Polizei vorgewarnt. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck sollte noch bis zum nächsten Jahr brauchen, um zumindest den Verein aufzulösen. Die Staatsanwaltschaft Wels zögerte trotz eindeutigster Beweislage jahrelang mit einer Anklageerhebung.

Fast drei Jahre, in denen die Neonazis ihre Aktivitäten intensivieren und professionalisieren konnten. Eine Firma wurde gegründet, mehrere Rotlicht-Unternehmen übernommen, ein Versand für Fascho-Brimborium entstand; parallel dazu veranstaltete man weiter Nazi-Konzerte und nistete sich in zahlreichen Nischen krimineller Ökonomie ein: Frauenhandel, Waffenhandel, Drogenhandel, ja selbst Handel mit gestohlenem Metall wird der Bande vorgeworfen. Dazu noch Brandanschläge, Körperverletzungen und zahllose weitere Delikte. Woche für Woche neue Verbrechen. Die Behörden schauten zu, schauten weg, was auch immer.

Fast drei Jahre, in denen die Nazi-Mafiosi in aller Öffentlichkeit agierten. Allein die Tageszeitung „Österreich“ widmete der Bande 21 (!) Artikel – vor dem Zugriff der Polizei im Jänner 2013. Bei meinen Vorträgen in diesen Jahren an Schulen oder Jugendzentren im Bezirk Vöcklabruck musste ich feststellen, dass das Treiben der „Objektler“ selbst unter 15-jährigen in der Region allgemein bekannt war. Und schon 2011 räumte ein Verfassungsschützer ein, die Bande würde auch in Drogen und Waffen machen.

Fast drei Jahre, in denen der ab 2010 (wegen seiner Delikte mit dem „Kampfverband Oberdonau“) inhaftierte Jürgen W. die Geschicke der Gruppe weiterhin leiten konnte, aus dem Knast, via Handy und facebook. Als „Suben Knaki“ ist W. dort registriert, ebenso wie die andren Köpfe der Bande problemlos auszuforschen. Um die Ermittlungen der Polizei abzukürzen, hätte auch ein Blick auf facebook genügt, wo „Objekt 21“ über eine offen einsehbare Fanseite verfügt, Rubrik „Lokales Geschäft“.

Wohl noch nie in Österreich hat eine dermaßen kriminelle, wenn nicht terroristische Organisation so lange und so ungeniert in aller Öffentlichkeit agieren können. Der Fehler ist sicher nicht nur beim Verfassungsschutz zu suchen. Polizei, Justiz, die Bezirkhauptmannschaft und die Landespolitik haben kollektiv versagt. Die Details dieses Versagens müssen schleunigst aufgedeckt werden.

Auch sollte an Menschen gedacht werden, die in der bisherigen Diskussion nicht erwähnt wurden: Den Opfern. Wenn tatsächlich auch Menschenhandel und Zwangsprostitution im Spiel waren, wäre es interessant zu erfahren, ob und wie man den Betroffenen helfen kann bzw. sie vor eventuell drohenden fremdenpolizeilichen Repressalien schützen kann.

Thomas Rammerstorfer beschäftigt sich mit Rechtsextremismus und Jugendkulturen (Vortragsreihe „Brauntöne“). Er ist aktiv beim Infoladen Wels und Vorstandsmitglied der Welser Initiative gegen Faschismus.

 

12. 9. 2013: „Blut muss fliessen“ in Salzburg

Filmvorführung – anschließend Diskussion mit Regisseur Peter Ohlendorf und Thomas Rammerstorfer

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Blut muss fließen. (R: Peter Ohlendorf, D 2012) Einblicke in eine Jugendszene, zu der kaum ein Außenstehender Zutritt hat. Sechs Jahre lang hat der Journalist Thomas Kuban mit versteckter Kamera auf Neonazi-Konzerten gefilmt. Der Autor Peter Ohlendorf hat Thomas Kuban auf seiner Reise durch Deutschland, Österreich und Europa mit der Kamera begleitet. 2012 lief der Film auf der Berlinale und wurde in Nürnberg mit dem Alternativen Medienpreis ausgezeichnet. DONNERSTAG, 12.09.2013 um 17 Uhr im „Das Kino“ http://www.mysoundofmusic.at/

Radiobeitrag zu „Blut muss fliessen“

Die KUPFradioshow wirft einen Blick auf die rechtsextreme und brauntoneklein2neonazistische Szene, besonders darauf, welchen Einfluss rechte Musik hat und wie Jugendkulturen und in weiterer Folge auch die Alltagskulturen bis in die Mitte der Gesellschaft beeinflusst werden.

Blut muss fließen – Undercover unter Nazis“ ist der Dokumentarfilm von Peter Ohlendorf, in dem ein Journalist unter dem Pseudonym Thomas Kuban in die Neonazi-Szene eintaucht. Mit versteckter Kamera hat er über sechs Jahre bei ca. 60 Neonazi-Konzerten die Stimmung eingefangen – vor allem in Deutschland, aber auch zum Beispiel in Italien, Ungarn und Österreich.

Außerdem steht im Fokus des Films der Umgang von Medien und Behörden mit Rechtsextremismus.

Anfang Mai wurde der Dokumentarfilm in den neuen Kinosälen des Programmkino Wels gezeigt. Im Anschluss daran gab es eine Diskussion. Ausschnitte daraus sind in der Sendung zu hören. Mit Hanna Mayer vom Programmkino sprachen Regisseur Peter Ohlendorf und Rechtsextremismus-Experte Thomas Rammerstorfer über den Film und über die Neonaziszene – insbesondere über die Situation in Österreich, die im Film selber nur kurz angeschnitten wird.
Hier zu hören:

http://cba.fro.at/112571

Bunte, Braune, brave Bürger. Aktueller Rechtsextremismus in Wels

Der oberösterreichische Zentralraum stellt eine traditionell fruchtbare Region für deutschnationale und rechtsextreme Strömungen dar. Insbesondere Wels verfügt über historisch gewachsene Milieus.
Einer breiteren Öffentlichkeit wurde dieses Faktum bei den Gemeinderatswahlen 2009 bewusst, bei denen die FPÖ 29,9 % der Stimmen erreichte und die neonazistischen „Bunten“ eine Kandidatur versuchten. Letztere wäre wohl auch mit dem Einzug in den Gemeinderat belohnt worden, wäre der Wahlvorschlag nicht wegen offensichtlicher Verfassungswidrigkeit abgelehnt worden. Unter der Fuchtel des sich seit Jahrzehnten immer wieder betätigenden Ludwig Reinthaler hatten sich diverse rassistische Querulanten und rund 20 Angehörige der Vogelweider Skinhead-Szene zusammengetan. Seit Ende der 1980er Jahre existiert in diesem Stadtteil ein – behördlich unangetastetes – Milieu, das mal diese, mal jene Gruppe bildete: Rapid Club Wels, Patriotic Front, Club Wels, White Wolfes (sic!), die Bunten oder seit Neuestem ein unter dem Namen Road Crew Oberösterreich auftretender Zusammenschluss von Neonazis und Hooligans. Nachwuchs rekrutiert sich aus von Kriminalität, Gewalt sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch geprägten „White Trash“-Familien. Dementsprechend niveauvoll agiert man: So wünschte Jochen L., 2003 Kandidat der Welser FPÖ, im Jänner Bürgermeister Koits und das „Kanackengesindel“ „ins Kurhotel Ausschwitz“ (sic!). Getätigt wurde die Äußerung in der facebook-Gruppe „I mog Wels nimma!“. Frühpensionist Jochen L., dessen Schwester 2009 für die Bunten kandidieren wollte, entschuldigte seine Äußerung später damit, dass er unter Drogeneinfluss gestanden hatte. Hass und Gewalt prägen die Szene. 2011 wurde ein Noitzmühler Wirt Zufalls(-todes)opfer eines Rechtsextremen, des wegen seines Hitler-Tatoos bekannten Peter H. Im Sommer desselben Jahres forderten Übergriffe von Rechtsextremen zahlreiche z. T. Schwerletzte in der Innenstadt. Im Dezember 2012 wurden zwei sich küssende Männer von homophoben Schlägern schwer verletzt. Zu den Drohungen und Gewaltakten kommen immer wieder Schmier- und Pickerlaktionen.

Doch Rechtsextremismus ist bei weitem kein auf die Unterschicht beschränktes Phänomen. Auch in den höheren Schulen mehren sich Versuche, Jugendliche zu agitieren und zu organisieren. 2012 war hier insbesondere die NS-Splittergruppe „Heimatpartei Österreich“ (HPÖ) aktiv. Traditionell werden die Oberstufen von der Burschenschaft Gothia beackert. Der Männer- bzw. Bubenbund bietet deutschnationalen Freizeitspaß mit Fechten, Schießen und vor allem ausgiebigen Trinkgelagen.

Die Welser Freiheitlichen versuchen sich betont gemäßigt zu geben, um bürgerliche WählerInnenschichten nicht zu vergraulen. Doch nicht nur Hinterbänkler wie der erwähnte Jochen L., auch Vize-Bürgermeister Bernhard Wieser selbst hat offenbar ein durchaus ungezwungenes Verhältnis zur Braunzone. Er unterschrieb 2009 eine Unterstützungserklärung für die später verbotene Neonazi-Truppe Nationale Volkspartei. Selbst seine eigenen, und somit des Antifaschismus sicherlich unverdächtigen, ParteikollegInnen der FPÖ Enns bezeichneten die NVP als „braune Zecken“… Landesparteiobmann Haimbuchner aus Steinhaus, einst Schüler in Wels, ist ebenso gut vernetzt mit rechts außen. So ist er stellvertretender Vorsitzender des Witiko-Bundes, einer üblen revanchistischen Vereinigung. Der bisherige Obmann, Robert H., sitzt derzeit eine Haftstrafe wegen Waffen- und Kriegsmaterialschmuggel ab, ein für dieses Milieu nicht untypisches Delikt.

Faschistisches, rassistisches und antisemitisches Gedankengut sind aber nicht ausschließlich unter „Einheimischen“ kursierende Phänomene. Bei subkulturellen Neonazis und der FPÖ tummeln sich durchaus auch Menschen mit z. B. kroatischem oder ungarischem Migrationshintergrund. Man findet sich im autoritären Denken und dem gemeinsamen Hass auf den Islam. Unter den MuslimInnen wiederum existieren Splittergruppen, die rabiaten Antisemitismus verbreiten, oder faschistische Gruppen wie die türkischen „Graue Wölfe“. Antisemitische Tendenzen und Weltverschwörungstheorien finden sich auch in der Esoterik-Szene.

Der klassische Nazi-Skinhead ist ein Auslaufmodell, die letzten alten Nazis bald gestorben. Antidemokratischer Extremismus und rechte Gesinnung haben heute neue Gesichter. Dementsprechend muss ein moderner Antifaschismus vielfältige Aufklärungsarbeiten leisten: Wir dürfen einerseits nichts vergessen, müssen aber auch in der Lage sein, Neues zu lernen.

aus Stadtplanet Wels, Nr. 15

Zur historischen Entwicklung des Rechtsextremismus in Wels:
http://kvinfoladenwels.wordpress.com/2011/12/06/rechtsextremismus-und-neonazismus-in-wels/

Thomas Rammerstorfer, geb. 1976, aktiv beim Infoladen Wels, der Liga für emanzipatorische Entwicklungzusammenarbeit und Vorstandsmitglied der Welser Initiative gegen Faschismus. Recherchiert zu Migration, Integration, österreichischem und türkischem Rechtsextremismus und Jugendkulturen; zahlreiche Vorträge und Artikel dazu. Mitarbeiter im Rechercheteam von Corinna Milborn für das Buch „Gestürmte Festung Europa“ (2006), Mit-Autor von „Grauer Wolf im Schafspelz“ (2012)

Frei.Wild-Fans protestieren gegen Konzertabsage in Wels – Neonazis und Blaue voll dabei

„Den Stadtverantwortlichen sollte mal jemand gas geben…“ schreibt Robert Faller, Gründer der mittlerweile wegen NS-Wiederbetätigung verbotenen „Nationalen Volkspartei“ – und Anna Sch., rechte Aktivistin aus Wien feixt: „Das ist aber doppeldeutig…“

Nachdem die Verantwortlichen der Stadt Wels angekündigt haben, dass sie keinen Auftritt der Rechtsrock-Band „Frei.Wild“ in ihrer Halle wollen, laufen die Wogen hoch. Dabei kann von einem „Konzertverbot“, „Zensur“ oder dergleichen nicht die Rede sein: Es gab offenbar noch keinen Vertrag zwischen Stadt und Veranstalter (was diesen nicht daran hinderte bereits Tickets zu verkaufen) und wenn ein Hallenbesitzer- oder Verwalter gewisse Dinge nicht in seiner Halle will, ist dies schlicht seine Entscheidung.

Die Wehleidigkeit und Paranoia, die auch die Texte der Band prägen, spiegeln sich nun in den Befindlichkeiten der Fans. Am meisten echauffiert sich wieder mal Rechtsextremist Ludwig Reinthaler: „Ruft an den linksextremen Ausländerbürgermeister 07242/235-0 und beschwert euch“ postet er in der Protest-facebook-Gruppe „Welser Rockfans gegen rote Volksverdummung“. Eifrigster Poster ist der stadtbekannte Nazi-Skinhead Markus S., der plötzlich zu einem eifrigen Verfechter von Meinungsfreiheit und Toleranz mutierte. Auf gewohnt niveauvolle Art und Weise schafft er Satzmonster wie: „Was haben die nen knall drecks Medien Hetze gegen.eine unpolitische Deutschrockband soweit sind wir schon .“
Beim Frankenburger Martin K. wiederum gehts mit dem Pathos durch: „Ich werde nicht Ruhen bis das geklärt ist“ und „ich werde kämpfen sogut ich kann!!“ meint er. Carina M. wiederum ist einer großen Verschwörung auf der Spur: „Dass schlimme ist es geht nicht nur um das konzert von freiwild. In letzter zeit wird einfach alles was nur in die richtung rock/metal geht von antifa etc. abgesagt!“ Pro Frei.Wild Wels assistiert: „Das ist vollkommen richtig!! Es geht um Österreichische Grundrechte un um die Demokratie!!“

Spannend ist auch, wer sich bei den „Welser Rockfans“ alles als solcher outet: So dürfen wir unter andrem den Wiener FP-Politiker Johann Gudenus und den Tiroler Werner Königshofer, welchem das bewundernswerte Kunststück, wegen rechtsextremer Äußerungen aus der FPÖ ausgeschlossen zu werden, gelang, als Neo-Welser begrüssen. Rock on!

Vortragsangebote zu Rechtsextremismus

Brauntöne – rechtsextreme Jugendkulturen und ihre Musik

Der seit 2008 existierende, laufend aktualisierte Vortrag läuft im April zum 50. Mal – neben allen österreichischen Bundesländern war er auch schon in Deutschland zu sehen. VeranstalterInnen: Schulen, politische und religiöse Jugendgruppen, Studi-Gruppen, Jugendzentren, die Pädagogische Hochschule von Linz uvm…
Inhaltlich geht’s um die Entwicklung der rechtsextremen Musik von ihren subkulturellen Anfängen bis zum Einsickern in den mainstream, mit Bild- und Tonbeiträgen. Auf regionale Besonderheiten des Veranstaltungsortes wird nach Möglichkeit Rücksicht genommen.

Graue Wölfe – Rechtsextremismus aus der Türkei

Der Vortrag ist konzipiert als interne oder öffentliche Weiterbildung für politische Gruppen, im Jugend-, Integrations- und Sozialbereich tätige Menschen und sonstige Interessierte. Neben der historischen Entwicklung des türkischen Nationalismus stehen die Aktivitäten der „Grauen Wölfe“ in ihren organisatorischen und jugendkulturellen Ausprägungen im Mittelpunkt. Den Vortrag gibt es sowohl in einer 30- und in einer 80-minütigen Version bzw., ergänzt mit Informationen und Musikbeispielen zu andren extremistischen Jugendkulturen als 3-stündiges Seminar.

Let`s talk about Nazis
Argumente gegen Hass – Fakten statt Vorurteile

Der 2011 für ein Seminar der Gewerkschaftsjugend konzipierte Vortrag setzt sich nicht nur mit Nazis auseinander, wie der etwas simplifizierende Titel vermuten lassen könnte. Vielmehr geht es um das Erklären populärer Vorurteile und Wissenslücke: Definition der politischen Begriffe links und rechts; Migrationsgeschichte Österreichs; Rechtsextremismus in Österreich…

Außerdem gäbe es noch einige Referate für EinsteigerInnen in die jeweiligen Themenkreise:
– Historische Hintergründe des Nahostkonfliktes
– Oberösterreich ganz Rechts: Historische Entwicklung und Gegenwart
– Rechtsextremismus im Innviertel: Historische Entwicklung und Gegenwart
– Rechtsextremismus in Wels

Bei Interesse bitte mail an t.rammerstorfer@gmx.at

BRAUNTÖNE – Made in Austria

aus Yeni Hayat, Deutsch-Türkische Zeitung, Juni/Juli 2010 – leicht aktualisiert

Rechtsextreme Musik in und aus Österreich

Seit 2 Jahren referiere ich nun gemeinsam mit Markus Rachbauer über rechtsextreme Jugendkulturen und ihre Musik. Viele unserer über 30 Vorträge zum Thema wurden auch von interessierten LehrerInnen besucht. An die 20 mal wurden wir dann angefragt, ob wir Zeit und Interesse hätten den Vortrag auch an den jeweiligen Schulen der PädagogInnen abzuhalten. Wir wollten immer; trotzdem kam das bis dato genau ein einziges mal wirkich zustande . Fast alle anderen von engagierten Lehrkräften angedachten Vorträge scheiterten am Veto der DirektorInnen bzw. SchulinspektorInnen. Das Problem sei schon zu groß, sickerte öfters mal durch – und wenn ein Problem groß wird, dann leugnet man es am besten, sagt die österreichische Mentalität.

Die KonsumentInnen

Im Stammbuch meiner Nichte beantwortet ihr Schulfreund mit „kroatischem Migrationshintergrund“ die Frage nach seiner Lieblingsmusik schlicht mit: Thompson. Thompsons Rockmusik strotzt vor faschistischer, antisemitischer und nationalistischer Propaganda. Sein kleiner Fan ist 7 Jahre alt. Meist beginnen sich Kinder ab diesem Alter für Musik jenseits typischer Kinderlieder zu interessieren. Wirklich wichtig wird sie ab der Pubertät; in allerster Linie entscheidet die Musik ob und welcher Jugendkultur man sich anschliesst, sie ist identitätsstiftend auch im Hinblick auf die sich konstituierende politische Meinung. Diese ändert sich im Erwachsenenalter nicht mehr gravierend, wird jedoch meist weniger radikal geäußert. Musik ist die liebste und häufigste Freizeitbeschäftigung von Jugendlichen, das ist das Ergebnis aller diesbezüglichen Umfragen der letzten Jahrzehnte. Und gerade auf diesem so wichtigen Feld haben die Neonazis in den letzten jahren ihre grössten Erfolge gefeiert. Rechtsextreme Musiker haben viele Kinderzimmern erobert. Bands wie Landser, die Zillertaler Türkenjäger oder Stahlgewitter gehören zum mainstream. Wer es exklusiver mag hört neonazistischen Techno, Hardcore oder Black Metal. Man hört die Musik wohl kaum wegen ihrer Qualität, man hört sie nicht trotz sondern wegen ihrer rassistischen, gewaltverherrlichenden und antisemitischen Botschaften. Junge Menschen, die oft auf sonst nichts stolz sein können und sich selbst als Versager wahrnehmen, können mit dem Stolz auf eine angebliche Rasse Selbstwertgefühl erlangen. Ihre Wut auf sich selbst, über eingebildete oder auch reale Ungerechtigkeiten findet ein Ziel. Dazu kann man provozieren, Aufmerksamkeit erregen, sich als Revolutionär fühlen – und das ohne irgendeine Handlung zu setzen, allein durch das Konsumieren mutmaßlich „verbotener“ Musik, und ohne tatsächliches Aufbegehren, da der Rechtsextremismus ja in Wahrheit nichts revolutionäres, sondern auf die Spitze getriebenes Spießbürgertum darstellt.

Die SpielerInnen

Wie in anderen Bereichen der Popkultur sind die ÖsterreicherInnen bei der rechtsextremen Musik zwar intensive KonsumentInnen, Versuche selbst zu musizieren kommen jedoch nur selten über die Probierphase hinaus. Bei den meisten Möchte-gern-Rechtsrockern endet die „Karriere“ einige Wochen nach der Anschaffung der Instrumente. Oisterreicher und Arbeiterfront nannten sich die ersten rechten österreichischen Skinheadkapellen aus den 80er-Jahren, die schnell wieder von der Bildfläche verschwanden. Erst der Wiener Band Schlachthaus war längerer Erfolg beschieden, sie erschien bei einem bekannten deutschen Rechtsrock-Label und verkaufte in den 90ern über 10 000 Tonträger. Neben Wien bildete Vorarlberg das zweite kleine Zentrum österreichischer Nazi-Musiker, erwähnenswert sind hier vor allem die Bands Stoneheads und Tollshock, die aus dem neonazistischen Blood and Honour-Netzwerk stammten. Vorarlberg war auch, gemeinsam mit Oberösterreich, das Bundesland mit den meisten und größten Nazi-Konzerten. Bis zu 1500 ZuhörerInnen bejubelten internationale Stars und regionale Sternchen der Szene. Die Anzahl der Konzerte im Bundesgebiet ist mit etwa 5 – 10 im Jahr seit Mitte der 90er in etwa gleichbleibend. Trotz sprunghaft vergrösserter Fanszene und ohne behördliche Repressalien fürchten zu müssen, sind die Österreicher anscheinend auch als VeranstalterInnen ziemlich unfähig. Man fährt lieber auf die grossen Events ins Ausland, wobei hier die osteuropäischen Länder als Ziele zunehmend Deutschland den Rang ablaufen. In Slowenien fand auch das im Jänner das vorläufig letzte Konzert der Wiener Service Crew Vienna (Skinhead-Sound) und Donner des Nordens (Nazi-Metal) statt. Kurz zuvor hatte der rechtsextreme Innviertler Liedermacher Bernhard einen Auftritt in Bayern, wo er auch schon die Wahlkämpfe der neonazistischen NPD musikalisch begleitete. Bernhard ist seit über 10 Jahren aktiv, wobei diverse Knastaufenthalte seine Karriere hemmten. Im August ´09 trat er gemeinsam mit der Wiener Liedermacherin Isi in Kroatien bei der dortigen Blood and Honour-Sektion auf. Neben den österreichischen Skin-Kapellen und LiedermacherInnen existieren noch ein halbes Dutzend rechtsextremer Metalbands. Die jüngste CD erschien soeben, „Für`s (sic!) Vaterland“ einer Tiroler Sängerin namens Finnja. Trotz Allem: Insgesamt betrachtet steht die weite Verbreitung rechtsextremer Musik in Österreich im starken Gegensatz zur Bedeutungslosigkeit heimischer MusikerInnen, was wohl durch eine (nicht nur bei Rechten…) weit verbreitete passiv-konsumierende Haltung bedingt ist.

Thomas Rammerstorfer ist Mitarbeiter beim Infoladen Wels (www.infoladen-wels.at) und der Liga für emanzipatorische Entwickungszusammenarbeit (www.leeza.at), er referiert zu Rechtsextremismus (www.brauntoene.at)