Kategorie-Archiv: Jugendkulturen & Musik

VON HITPARADENKÖNIGEN UND MENSCHENFEINDEN

aus: ANTIFA-FORUM 2013

Gegen Nazimusik ist fast jeder – doch die Einschätzung der Graubereiche bereitet Schwierigkeiten

„Frei.Wild“ in Wels und Kufstein

Allgemeines Erstaunen bei FreundInnen und GenossInnen rief es hervor, als ich im April 2013 NICHT dazu aufrief, das geplante Konzert mit „Frei.Wild“ in Wels zu verhindern.

Geschrieben hatte ich: Allerdings halte ich ihre Distanzierung vom Neonazismus für glaubwürdig. Die Ansichten der „Frei.Wild“ sind (…) durchschnittlich (…). Ich bin keineswegs der Meinung, dass man diese Konzerte verbieten sollte. Vielmehr sollte man sie zum Anlass nehmen, den Vormarsch rechter und konservativer Ansichten gerade bei österreichischen Jugendlichen zu thematisieren und zu diskutieren.[1]

Nun kennen wir den Ausgang in Wels. Das „Frei.Wild“-Konzert wurde abgesagt. Thematisiert oder diskutiert wurde gar nichts und das fand ich schade.

Im Tiroler Kufstein ging man den anderen, wie ich meine unbequemeren, aber sinnvolleren Weg: „Frei.Wild“ durften ungestört auftreten. Zuvor gab es aber eine Reihe von Veranstaltungen, Medienberichten und viele, viele kleine Debatten in Cafes und Klassenzimmern zu den Problemen, die wir AntifaschistInnen mit vielen Textpassagen dieser Musiker haben. Ich war in dieser Zeit einige Tage in Kufstein und vom Niveau der Gespräche, auch mit AnhängerInnen der Band, überrascht. Das Ziel der antifaschistisch bewegten Menschen war auch nicht, den Fans ihre Leidenschaft für die Band ausreden zu wollen, oder sie gar pauschal in eine rechtsextremes Ecke zu stellen, sondern sie selbst zu einer kritischen Auseinandersetzung anzuregen: Mit Heimat und Nation, mit den von „Frei.Wild“ kolportierten Männlichkeits- und Identitätsbildern. Natürlich liefen die Fans nicht in Scharen zur „Gegenseite“ über, aber ich denke, es wurden viele Nachdenkprozesse in Gang gesetzt, und auch viele Vorurteile über Linke und AntifaschistInnen widerlegt oder zumindest aufgeweicht. Die wochenlangen Diskussionen haben für die Kufsteiner Jugendlichen einen wahren Politisierungsschub gebracht, wie mir eine lokale Grün-Politikerin sagte.

So sehe ich also das „Frei.Wild“-Konzert in Kufstein, dass stattgefunden hat, als größeren Erfolg für die AntifaschistInnen denn jenes in Wels, das nicht statt gefunden hat, an. Auch wenn dieser Erfolg nur schwer messbar ist.

Die „Hinichen“ in Wien

In Wien krachte es letzten Herbst ordentlich. Da war ein Auftritt der Proll-Rock-Truppe „Die Hinichen“ im honorigen, städtisch geförderten Gasometer geplant. Die „Hinichen“ erfreuen ihre Fans und verärgern alle Menschen mit Menschenverstand mit Texten wie:

„Wir mischen auf im Frauenhaus, wir peitschen die Emanzen aus, wir treiben die Lesben vor uns her, das fällt uns Kerl´s gar net schwer“

und dergleichen mehr, das ich hier gar nicht wiedergeben will, weils gar zu blöd und ekelhaft ist. Jedenfalls wird Gewalt gegen Frauen ungeniert propagiert. Dagegen protestierte vor allem der Kultursprecher der Wiener Grünen, Klaus Werner Lobo, und erreichte letzten Endes eine Absage des Konzertes. Erfreulicherweise, wie ich meine! Aber warum bin ich im Falle von „Frei.Wild“ für Toleranz und Diskussion, im Falle der „Hinichen“ für den Zensurknüppel? Der Unterschied besteht für mich darin, dass die „Hinichen“ ganz konkret Gewalt gegen eine ganz konkrete Personengruppe fordern, gegen die auch ein ganz konkretes, reales Bedrohungsszenario vorliegt. Es vergeht in Wien und anderswo vermutlich kein Tag, wo nicht eine Frau ins Kranken- oder Frauenhaus geprügelt wird und wahrscheinlich kein Monat, wo keine Frau Todesopfer männlicher Gewalt wird. Den Herren von „Frei.Wild“ kann man hingegen rechte (keine neonazistische!) Gesinnung, aber nicht einmal beim schlechtesten Willen konkrete Gewaltaufrufe gegen real Bedrohte unterstellen.   

Gangsta-Rap überall

Mit „Frei.Wild“ und ohne die „Hinichen“ kann ich mich also wohl noch argumentativ halbwegs schlüssig durchschummeln. Was tun aber mit der Flut gruppenbezogener Menschenfeindlichkeiten, Mord-, Allmachts- und Gewaltphantasien und vulgärster Sexismen, die unter dem Hip Hop, Gangsta- oder Battlerap-Label daherkommen? Bushido, Shindy, Haftbefehl, Kool Savas oder Fler[2] dominieren die Charts und füllen die Hallen. Geschlossene rechtsextreme Weltbilder kann man ihnen nicht vorwerfen, Hetze gegen einzelne (auch real bedrohte) Personengruppen wie Homosexuelle oder auch das Verbreiten antisemitischer Stereotype sehr wohl. Einzelne Konzerte abzusagen, wie in Österreich schon geschehen, oder auch den CD-Verkauf einzuschränken, wie es in Deutschland passiert, können der Verbreitung solcher Musik in Internet-Zeiten kaum mehr etwas anhaben. Auch wird diese Musik mit ihren Inhalten von tausenden Nachwuchs-Rappern reproduziert. Das noch irgendwie zu kontrollieren, können wir vergessen. Umso wichtiger ist es, sich hier der Diskussion zu stellen; zumindest einen Teil der Kids kann man vermitteln, warum man die propagierten „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeiten“ ablehnt. Eltern, LehrerInnen und JugendarbeiterInnen sind hier herausgefordert. Hip Hop ist zur Weltsprache der Marginalisierten, zum wichtigsten Medium der Verdammten dieser Erde, geworden. Manches was sie uns zu sagen haben wird uns nicht gefallen.

Trotzdem, so gefährlich musikalisch dargebotene Hasspredigten sein mögen, sollten wir die Kirche im Dorf lassen: Rassismus und Homophobie gabs auch von Eric Clapton, Guns `n` Roses oder Ted Nugent – und deren AnhängerInnen sind darob nicht allesamt Rechtsextreme oder andere Menschenfeinde geworden.

Thomas Rammerstorfer


Road Crew: Die „unpolitischen“ Neonazis

Neue subkulturelle Trends und Organisationsformen deutscher Rechtsextremer finden heute meist schnell ihre Entsprechungen in Oberösterreich. Die Szene ist über die Staatsgrenze hinweg gut vernetzt. Neonazis aus Oberösterreich besuchen ihre Kameraden regelmäßig, gehen mit ihnen auf einschlägige Konzerte oder zum Fußball. Mit der „Road Crew“ ist nun eine neue Form rechtsextremer Männerbündelei auch in Österreich angekommen. Führend dabei sind Neonazis aus Wels und dem Mühlviertel.

Road Crew 24

Die Gruppierung Road Crew 24 entstand an sich als Fanclub der rechten deutschen Skinhead-Band „Barking Dogs“, wobei die 24 für den zweiten und vierten Buchstaben des Alphabets steht, also den Initialen der Band. Nachdem sich die Barking Dogs 2008 auflösten, bestand die Road Crew weiter als eine Art – offiziell unpolitischer – Freizeitverein verschiedener Leute aus der rechtsextremen Skinhead- und Hooliganszene. Von Düsseldorf aus gründete man weitere „Chapter“, zuerst in Bochum, Bielefeld, Mönchengladbach und Stuttgart.[1] Der Begriff „Chapter“ bedeutet hier in etwa „Ortsgruppe“. Er  entstammt dem Rockermillieu, welchem man auch die Organisationsstruktur weitgehend übernommen hat. So setzt man nicht darauf eine breite Masse an Mitgliedern zu rekrutieren, sondern versucht eher ältere, gefestigtere Szenegänger anzusprechen, die ihre Loyalität bereits unter Beweis gestellt haben. Eine neonazistische Einstellung ist dabei kein Muss, aber sicherlich auch kein Hindernis. Die eigenen Veranstaltungen – Feste, Konzerte, Hobbyfußballturniere – werden konspirativ organisiert, die Orte sind nur einem kleinen Kreis an Eingeweihten vorab bekannt, der Rest wird per facebook bzw. SMS erst am Tag des Geschehens informiert.

Road Crew Oberösterreich

Während die Road Crew-Chapter in Deutschland recht bunte Mischungen unpolitischer und rechtsextremer Männerbündler darstellen, dominieren im Anfang 2012 gegründeten Oberösterreich-Chapter Neonazis. Die namentlich bekannten Mitglieder sind Stammbewohner des heimischen braunen Sumpfes: Aus Wels Markus S., altgedienter Anhänger der Nazi-Skinhead-Organisation „Blood and Honour“, verhinderter Kandidat der verbotenen Neonazi-Liste „Die Bunten“ und ehemaliger Aktivist des rechtsextremen „Rapid Club Wels“. Diesem entstammt auch ein weiteres Road Crew-Mitglied, Klaus St., sowie Jungnazi Julian E. aus Weißkirchen bei Wels. Aus dem rechtsextremen Hooligan-Millieu von Blau Weiß Linz stießen Stefan G., Michael N. und Harald A. hinzu, und auch zumindest ein Aktivist der Braunauer Nazi-Szene, Thomas K. ist mit von der Partie. Die via  facebook von deutschen Road Crew-Aktiven ausgegebenen Drohung „Wer zu sehr prahlt und sich der Öffentlichkeit preis gibt, wird schnell am Galgen hängen!“ wird von den Oberösterreichern nicht recht ernst genommen. Dutzende Fotos von Treffen der österreichischen und deutschen Mitglieder wurden veröffentlicht, wohl um Eindruck innerhalb der Szene zu schinden und die Position der RC in Österreich herauszuheben. Im Sommer 2013 wurde schließlich ein „Supporter“-Capter in der Steiermark gegründet, auch ein Italien-Chapter existiert zumindest auf dem Papier.

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Der Organisationsansatz der Road Crew bietet eine Reihe von Vorteilen für die Aktiven. In Zeiten der Politikverdrossenheit, auch bei Menschen mit rechtsextremer Einstellung, wirkt der Freizeitbund anziehend, mit seiner wachsenden Anzahl an Ortsgruppen auch mächtig. Ein behördlicher Verfolgungsdruck besteht nicht, ebenso wenig lästige Verpflichtungen wie Flugblätter verteilen oder dergleichen. Trotzdem kann man sich als Gruppe von Verfolgten und Missverstandenen inszenieren, die nur durch unbedingten Zusammenhalt in einer ach so feindlichen Umwelt bestehen kann.

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[1] http://www.publikative.org/2011/12/21/unpolitischer-freizeitverein-der-barking-dogs-fanclub-road-crew-24/

Wade Michael Page und die deutsche und österreichische Nazi-Musik-Szene

von Thomas Rammerstorfer

Es ist ein Thema, das mich schon länger wurmt, und das trotz aller Brisanz zumindest meines Wissens noch nie behandelt wurde: Die Kontakte des 6-fachen Mörders Wade Michael Page, des „Sikh Temple shooters“, in unsere Breiten.

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Bei einem Konzert in Österreich auf der Bühne: Gregor T., Marcus D., Jasons Stevens und Wade Michael Page

Ein rassistisch motivierter Amoklauf erschütterte am 5. August 2012 die USA. Der Neonazi Wade Michael Page stürmte in Oak Creek/Wisconsin in einen Sikh-Tempel und erschoss sechs Menschen. Weitere wurden verletzt, der Täter richtete sich selbst. Während sich die öffentliche Diskussion schnell auf die US-Waffengesetzgebung fokussierte, wurden die Verbindungen des Täters nach Europa, auch nach Österreich, nie beleuchtet.

Page war Mitglied der internationalen Skinhead-Organisation „Hammerskins“ und ein langjähriger Aktivist der Nazi-Musikszene der USA. Laut US-Medien spielte er, als Vollmitglied oder „aushilfsweise“, bei folgenden Bands: Intimidation One, Youngland, Max Resist, Aggressive Force und den Blue Eyed Devils aus den USA, zudem sprang er auch bei den britischen Celtic Warriors und den deutschen Radikahl ein. Jede einzelne dieser Bands gab auch Konzerte sowohl in Deutschland als auch in Österreich, manche waren mehrmals hier auf Tour. Bei welchen Auftritten Page dabei war und wo nicht lässt sich nur schwer nachvollziehen. Ein Bild eines „Intimidation One“-Auftritts, vermutlich in Vorarlberg, zeigt ihn auf der Bühne mit den österreichischen Blood and Honour-Aktvisten Gregor T. und Marcus D.

Mit der Band Definite Hate spielte er den Song „Take Action“ ein, in dem es heißt: “Revolution’s in the air. 9mm in my hand. You can run but you can’t hide from this master plan.“ Eine Waffe dieses Kalibers, 9 mm, benützte er schließlich auch für seine Morde. Definite Hate und End Apathy waren die letzten Stationen seiner Musikkarriere. Diese begann quasi in Europa. Im Jahr 2000 heuerte er bei Jason Stevens US-Neonazi-Band „Intimidation One“ für eine Tournee dort an.

„Stevens recruited the then-28-year-old Page as a guitarist to fill in for a band member who couldn’t get a passport for an upcoming European tour”[1] berichtet ein US-Magazin. Es dürfte auch Schwierigkeiten mit den Behörden gegeben haben:

“(…) there were a few times Wade was arrested and quickly released when he and his bandmates illegally played their neo-Nazi music in public while on tour in Europe, where several countries have banned public displays of Nazism”[2].

Ob mit oder ohne Probleme, zahlreiche Europa-Auftritte, insbesondere im deutschsprachigen Raum wurden absolviert. 2004 nahm man sogar ein ganzes Album mit ins Englische übersetzten Versionen der Lieder der deutschen NS-Kultband Landser auf. Und so trauern auf Jason Stevens facebook-Seite (Jason Sandeaux) auch Deutsche um Page: Christian Rechenbach aus Thüringen schreibt „R. I. P. my friend“ und „I will remember him as the good, nice and honest person that he was“. Michel Schäfer, ebenfalls aus Thüringen ergänzt: “da geb ich dir recht, lass ihn in unserer erinnerung halten so wie er war.”

Inwieweit andere Thüringer – der im November 2011 enttarnte „Nationalsozialistische Untergrund“ – Page zu seiner Wahnsinnstat inspirierten ist nicht bekannt. Das musikalische Werk von Nazi-Bands wie „Intimidation One“ erfreut sich ungebrochener Beliebtheit im deutschsprachigen Raum. Die 2013 erschienene Best-of CD „10 Years on the frontline“ wird vom „Germaniaversand“ auch im deutschsprachigen Raum ganz legal vertrieben.

3. 10. 2013: Diskussion in Wien

Diskussion auf der WavesVienna-Konferenz

Gut gemeinte Zensur oder wichtige Kontrolle (11:00–12:00)
Wie gehen wir damit um, dass Kunst, die uns teilweise zuwider sein mag, aber gegen keine Gesetze verstößt, ein großes Publikum anspricht?

Sprecher: Walter Gröbchen (monkey./AT), Thomas Rammerstorfer (Kulturverein Infoladen Wels), Muff Sopper (Planet Music/AT), Sylvia Margret Steinitz (Wienerin/AT), Klaus Werner-Lobo (Kultursprecher der Grünen Wien/AT), Moderation: Stefan Parnreiter-Mathys (Cultural Manager/AT)

Urania/Wien, Dachsaal

Infos unter http://www.wavesvienna.com/konferenz/schedule/

Trendfarbe Braun – wie Ewiggestrige in der Popmusik an Einfluss gewinnen

aus „Grüne Schule“ Nr. 1, Juni 2012SONY DSC

Bei der Suche von Jugendlichen nach Identität spielt Musik eine kaum zu überschätzende Rolle. Ganze Jugendkulturen, ja ganze Generationen definier(t)en sich über Musikstile. Sie erscheint auch als primäre Ausdrucksweise sowohl unterschiedlicher Emotionen als auch von gesellschaftlicher Haltungen. Rechtsextreme, die ihre „Opfer“ in Ermangelung intellektueller Kompetenzen oder politischer Programme primär auf der Gefühlsebene ansprechen müssen, haben die Bedeutung populärer Musik erkannt und setzen darauf. Mit zunehmenden Erfolg.

Bis weit in die 70er-Jahre orientierten sich rechtsextreme Jugendgruppen am Erscheinungsbild ihrer historischen Vorläufer der 30er-Jahre. Dementsprechend begrenzt waren die Agitationserfolge. Das Interesse, in Hitlerjugend-Kostümierung bei Marschmusik zu salutieren, hielt sich bei der damaligen Jugend in engen Grenzen. Rockmusik und eine rechte Einstellung schienen unversöhnliche Gegensätze zu sein.

Zu Beginn der 80er importierten v. a. Fußballfans eine neue Jugendszene, die auf den britischen Inseln schon ein Jahrzehnt früher entstanden war: Die Skinheads. Die an sich unpolitische Bewegung wurde schnell zum Rekrutierungsfeld der Naziszene. Im Kontext einer zunehmend nach rechts rückenden Gesellschaft radikalisierten sich immer mehr Jugendliche. Nazi-Rock von Bands wie Störkraft lieferte den Soundtrack für eine Welle an rassistischen Terror mit über 100 Toten, der nach dem Ende der DDR die Bundesrepublik und mit Einschränkungen auch Österreich erschütterte. So erfolgte 1992 der erste eindeutig rassistisch motivierte Brandanschlag Österreichs in Traunkirchen, 1997 kam in Wels ein Mazedonier bei einer Nazi-Brandstiftung zu Tode.

Waren die 80er vom dumpfen Gegröle der Skins dominiert, entwickelte sich in den 90er-Jahren eine zunehmend vielfältigere rechtsextreme Musikszene. In machistisch und martialisch geprägten Jugendkulturen wie der Heavy Metal-Szene (v. a. im „Black Metal“) gelang es starke rechtsextreme Flügel zu etablieren; eine Entwicklung die momentan in der Hip Hop-Kultur vor sich geht. Auch in kleineren musikalischen Nischen wie dem Industrial Rock, Dark Wave, Techno („White Techno“) und Hardcore („Hatecore“) entstanden rechte Subgenres. Sanftere Klänge schlagen „nationale Liedermacher“ wie Frank Rennicke, Annet Müller oder der Schärdinger „Bernhard“ an.

Auch inhaltlich hat man das über rassistisches Gegrunze hinaus erweitert. Geschichtsrevisionismus, die Verehrung der Wehrmacht und einzelner Größen des Nationalsozialismus, insbesondere Rudolf Hess gibt es zu hören, auch werden zunehmend antikapitalistische Positionen propagiert, die sich allerdings meist in antisemitischen Weltverschwörungstheorien erschöpfen. Szenetypisch ist eine nachgerade obsessive Beschäftigung mit dem Thema sexueller Kindesmissbrauch, das auch in der Propaganda rechter Parteien eine starke Rolle spielt. Kaum eine Rechtsrock-Band ist heute ohne Lied zu diesem Thema am Start.

In Österreich ist die Szene eher konsumorientiert, die einheimischen Bands erreichten bei weitem nicht die Professionalität der internationalen Rechtsrock-Helden und verschwinden meist schnell von der Bildfläche. Eine großen Popularität erfreuen sich die Österreich deutsche Acts wie Landser, Zillertaler Türkenjäger, Stahlgewitter, Sleipnir oder Dee Ex sowie die schwedischen Saga; die traditionellen Skinhead-Bands wie Skrewdriver haben an Bedeutung verloren.

Aus einer Reihe von Gründen ist Oberösterreich mehr als andere Bundesländer Zentrum unterschiedlicher rechtsextremer Jugend-Szenen. Das Innviertel, insbesondere der Bezirk Braunau, ist eine Hochburg der Skinheadszene. Im Mühlviertel versammeln sich viele Rechtsextreme unter dem Dach des „Ring Freiheitlicher Jugend“, aber auch in der Black Metal-Szene. Im Zentralraum sind unterschiedlichste Gruppen am Werk: Von rechten Hooligans bis zu organisierten Parteien wie der „Heimatpartei“ oder den „Bunten“. Überregionale Nazi-Skinheadgruppen firmieren als „Objekt 21“ oder „Road Crew Oberösterreich“. Faschistische Vereine türkischer MigrantInnen existieren in Linz, Wels, Traun und Braunau, diese veranstalten auch immer wieder Konzerte. Auch Islamisten und rechtsextreme Gruppen aus Ex-Jugoslawien (etwa der kroatische Fascho-Popstar „Thompson“) und Tschetschenien haben ihr Anhänger.

Von den Sicherheitsbehörden gibt es keine nennenswerten Aktivitäten im Kampf gegen Rechts; insbesondere beim Thema Jugendkulturen wirkt man bestenfalls überfordert. Umso wichtiger ist hier die Rolle der LehrerInnen und Eltern, ja der ganzen Zivilgesellschaft; wir alle sind gefragt, wenn es darum geht, den braunen Unrat wieder auf die Müllhalde der Geschichte zu befördern.

 

Kampf der Kulturen in Oberösterreich: Von wahnsinnigen Welsern, Frei/Wild und Wagner

Linz: Richard Wagner, 1. Akt

„Die Aufführungen der Wagner Opern im Linzer Landestheater hatten Hitlers Liebe zum Germanenkult geweckt.“[1] Allein: Das Landestheater schien ihm doch dem Wagner`schen Pomp unangemessen. Also lies er ein Opernhaus für Linz planen. Der Rest der Geschichte ist bekannt. Den Notwendigkeiten des Vernichtungskrieges zu Folge produzierte Linz Kanonen statt Kanons. Aber nun war es endlich soweit: Am 12. April eröffnete der Bunker an dem vom Hitler (oder gar der Vorsehung?) auserkorenen Ort in der Blumau seine Pforten. Nur die FPÖ war, wohl in Unkenntnis des Führerwunsches, quasi irrtümlich statt deutschtümlich, dagegen. Begonnen wird, unschwer zu erraten, mit Wagner, dem „Wegbereiter des Neuen“ (Musiktheater-Eröffnungsbroschüre) oder auch der „größte(n) Prophetengestalt, die das deutsche Volk besessen“ (Hitler).

Wels: Frei/Wild vs. freie Szene

Ja, die freie Szene. Ihr geht es wie Hans im Glück. Da hat man Subversion ohnehin schon für Subvention schlecht getauscht, und jetzt wird einem die auch noch gekürzt. Aber dazu später. Agiert diese Szene also leider weder frei noch wild, beansprucht dies zu sein nun eine Truppe rechts-konservativer Südtiroler namentlich für sich: Frei.Wild. Die wollten in Wels spielen und haben auch gleich fleißig angefangen, Tickets zu verkaufen, allerdings, wenig bauernschlau, die Rechnung ohne den Wirt und vor allem ohne Vertrag gemacht. Letzterer kam auch in Folge nicht zustande, da der Wirt – Vizebürgermeister Hermann Wimmer – keinen wollte. Das wiederum führte zu allgemeinen Wut- und Trauerbekundungen von Frei.Wild-Fans, insbesondere natürlich deren Welser Fraktion, die größtenteils aus Freiheitlichen und/oder Neonazis zu bestehen scheint. Ober-Jammerlappen war wieder mal Ludwig Reinthaler: „in dieser Stadt wird alles verboten was nicht linksextrem ist!“ analysierte er, und zwar von „Wahnsinnigen Welser linksextremen ausländer-Politiker ( Koits und Konsorten )“. Rechtschreibschwächen im Original.

Wels: Richard Wagner, 2. Akt

Und dann war da natürlich noch mal Wagner! Der hat nicht nur bei Hitler gewisse Lieben mit bekannten Folgen erweckt, ihm gehört auch die Zuneigung des stramm deutschnationalen Teils des Welser Bürgertums. Darum gibts jedes Jahr ein Wagner-Festival in Wels. Das Publikum ist besonders kaufkräftig, und das freut die Unternehmer und ihre Parteien. So kaufkräftig aber dann doch wieder nicht, dass man nicht noch massiv Steuergelder zuschießen müsste: 80 000 Euro jährlich, also fast der Hälfte der im Kulturbudget vorgesehenen Ermessenausgaben, so beschlossenen von VP und FP. Einen Umstand den zu kritisieren u. a. auch ein Mitarbeiter des Kulturzentrums „Alter Schlachthof“ wagte. Dem die oben angeführten Parteien daraufhin die Subvention strich. Die Welser Haselnuss-Koalition ist offenbar der Meinung dass andere Meinungen nicht zulässig sind.

Interview zu „Frei.Wild“ (aus Echo, Mai 2013)

ECHO: Sie sagen, Frei.Wild sei keine rechtsextreme oder Neonazi-Band. Ist die ganze Diskussion also überzogen?

Thomas Rammerstorfer: Meines Wissens hat noch niemand Frei.Wild als Neonaziband bezeichnet. Frei.Wild verteidigen sich nur ständig deswegen, weil sie sich gerne in der Märtyrerrolle sehen, oder weil sie die Begrifflichkeiten nicht differenzieren – das weiß ich nicht. Die meiste Kritik an Frei.Wild finde ich berechtigt, allerdings finde ich nicht, dass die Band das große Problem wäre: die Plattenindustrie hat Nachfolger für die Bösen Onkelz gesucht, eine Band die das rechtskonservative Spektrum abdeckt, und Frei.Wild ist es geworden.

ECHO: Was ist bedenklich an Frei.Wild?

Rammerstorfer: Wie Frei.Wild zum Heimatbegriff steht, finde ich (…) bedenklich. Denn in den Songs geht es ja nicht nur darum, dass sie ihre Heimat lieben, sondern dass sie mehr oder weniger alle hassen, die das nicht tun. Der Hass auf jede Art von Kritik, dieses Schwarz-Weiß-Denken – wer nicht für uns ist, ist gegen uns – da steckt schon ein sehr, sehr einfaches Weltbild dahinter. Der „hassen“ an sich ist ja ein zentrales Thema ihrer Musik. Verbale Aggression auf aggressiver Musik zu transportieren, das kann Stimmungen erzeugen, die sehr bedenklich sind. Ich habe von Frei.Wild-Fans viele Mails gekriegt. Rund die Hälfte war halbwegs höflich, aber inhaltlich meist undifferenziert, sehr viele allerdings war von blankem Hass erfüllt.

ECHO: Fördert Frei.Wild diese Haltung der Fans Kritikern gegenüber?

Rammerstorfer: Man hasst ja Kritiker, es gibt es keine Dialogbereitschaft. Was passiert in der Realität: Frei.Wild stellt sich der Kritik nicht. Für mich unglaublich ist dieses fast schon widerliche Selbstmitleid. Was ist der Band passiert? – Es ist eine Hand voll Auftritte abgesagt worden, es hat Antworten gegeben auf die Provokationen der Band, es hat Kritik gegeben. Ansonsten hat es weder juristische Maßnahmen gegeben, diese Band zu schädigen oder sonst was. Umgekehrt ist es aber schon so, dass Frei.Wild mit juristischen Mitteln gegen Kritiker vorging, oder Leuten, die sich über die Band lustig machten, mit juristischen Konsequenzen droht. Es ist eine völlige Verdrehung der Realität, was diese Band in ihrer Verteidigungs- besser gesagt  in ihrer Angriffslinie praktiziert. Das ist für mich traurig, weil den jungen Leuten ein Muster vorgegeben wird: Du hast immer Recht, alle, die dich kritisieren, sind Idioten, die musst du hassen, bekämpfen, mundtot machen. Das ist eine Lebensanleitung für Jugendliche, die ich sehr bedenklich finde, neben diesen nationalistischen und sonstigen problematischen Inhalten.

ECHO: Wie sollte die Politik agieren?

Rammerstorfer: Das muss jeder Hallenbesitzer- oder Verwalter selbst entscheiden, ob er diese Band spielen lassen will. Für mich viel wichtiger ist, das Thema an sich zu diskutieren, also den erstarkenden Nationalismus bei Jugendlichen, auch im Rahmen von bildungspolitischen Maßnahmen versuchen, dem entgegenzuwirken. Nationalismus ist ein Spiel mit dem Feuer. Das Risiko der Eskalation ist latent vorhanden, auch in der Südtirol-Frage, die irgendwann durchaus wieder gewalttätig „diskutiert“ werden könnte.

Anmerkung August 2013: Das mit der Dialogbereitschaft möchte ich mal relativieren. Von seiten Frei.Wilds gibt es die – zumindest mir gegenüber – durchaus.

Satanische Mächte, eklige Riten. Ein Weltverschwörungsideologe an einer Wiener Mittelschule

Weltverschwörungstheorien sind alt wie die Welt, kommen aber in stets modernisiertem Gewand daher: Aktuell ist der „Truth-Rap“ Vehikel für das Mitteilungsbedürfnis der verschrobenen Gemeinde. Auf offenen Antisemitismus verzichten die „Truther“ oder „Infokrieger“, die in Zeiten von Krisen des Kapitalismus traditionell verstärkten Zulauf erfahren, mittlerweile weitgehend. Man rappt gegen die Teufeleien der Freimaurer, Bilderberger oder schlicht der „Illuminaten“, die eine „Neue Weltordnung“ etablieren wollen. Die Methoden, derer sie sich mutmaßlich bedienen, sind an Gemeinheit kaum zu überbieten: Chemikalien im Trinkwasser, der Atemluft und sogar der Zahnpasta machen uns zu willfährigen Idioten und Ja-Sagern. Nur die „Truther“ kennen die Wahrheit, und es liegt an Ihnen das Volk zu erlösen. Eine fixe Szene-Größe ist der Wiener Kilez More, dem es an Selbstbewusstsein nicht mangelt: „Ich bin der – der Prophet, weil ich seh was bevorsteht“[1] reimt er. So weit, so schwachsinnig. Auftritte hat Kilez More vor allem bei den Happenings der Truther, oder am Stephansplatz bei einer Kundgebung des ins Obskuranten-Eck abgerutschten „Occupy“- Bündnisses.

Auch eine Institution, in der Kinder eigentlich was lernen sollten, gab ihm ausreichend Raum seine Thesen – oder auch: sein Wahnsystem – zu präsentieren: Die Kooperative Mittelschule in der Wiener Pazmanitengasse. Offenbar hat sich hier eine Klasse intensiv und völlig unkritisch mit den Thesen von Kilez More auseinandergesetzt, der selbsternannte Prophet leitete einen Rap-Workshop und produzierte ein Video mit den Kids.

Seine Texte  haben es in sich: Die Anschläge vom 11. September waren kein Angriff von Al Kaida, denn, so der offenbar auch latent rassistische Prophet, „der Hirn hat weiß so was kann kein Turban- oder Bartträger“. Die wahren Täter waren vielmehr „die Menschen die den Staat verwalten, Orden und Logenbrüder die den gesamten Plan gestalten“, so heißt es in einem Track mit dem nicht unpassenden Titel „Geistesgestört“. Und die fidelen Logenbrüder sind dabei, noch größere Massaker anzurichten: „das Erwachen der Zeit ist weit und genau deswegen wollen sie uns vergiften – Fluorid im Wasser, Chemtrailwolken in den Lüften“[2]. Mit „Chemtrailwolken“ meinen die „Truther“ Kondensstreifen von Flugzeugen, die ihrer Ansicht nach chemische Substanzen zur Versklavung oder auch Vernichtung der Menschheit sind.

Aber wer sind eigentlich die Bösewichte? Auch darauf gibt es Antworten: „schwarz sind die Messen, die sie abhalten, um sich für die Rituale zu treffen, kapuzentragende Bestien, die von satanischen Mächten besetzt und gefesselt und besessen sind“[3] und „mit auferlegter Verschwiegenheit gehen und nehmen auch sie geheim an den ekligen Riten teil und sie beten Luzifers Heil, gehen Verträge mit diesem ein, dass er eben sein Ziel erreicht“[4].

Die willfährigen Diener des Gehörnten sind die Freimaurer sowie die Teilnehmer der „Bilderberger-Konferenz“, (eines auch real existierenden think tanks) und natürlich sämtliche internationalen Organisationen von der UNO bis zur EU. Ziel ist die „Eine-Welt-Regierung“ mit dem Satan als Kanzler. Unterrichtsthema in einer Wiener Mittelschule!

Für die 13- bis 14-jährigen SchülerInnen schien der workshop mit Rap und Gruselgeschichten eine willkommene Abwechslung zu sein. Schon vor der Videoproduktion wurden die Kids von der Lehrkraft entsprechend propagandistisch vorbereitet. So stellten die SchülerInnen auch Plakate mit Fotocollagen her sowie flotten Verschwörungstheoretikersprüchen: „Wir sind Infokrieger im Informationskrieg“[5].

Mario und Gabi schreiben auf ihr Plakat, das Kilez More stolz auf seiner homepage präsentiert: „Ich finde das was er singt uns die Augen geöffnet hat. Er singt über die Wahrheit und es hört sich gut an. Es wäre sehr schön wenn er zu uns kommt und für uns live singt“[6]. Diesen Wunsch erfüllte der Prophet.

„Moderne“ Weltverschwörungstheorien fanden in unseren Breiten zu Zeiten des Nationalsozialismus ihre größte Verbreitung. Die Nazis sahen eine Verschwörung eines „jüdisch-freimaurerischen Finanzkapitals“ am Werk, mit dem Ziel der Zerstörung Deutschlands. Auch der „Illuminatenorden“, ein ebenso bedeutungsloser wie sagenumwobener Geheimbund des späten 18. Jahrhunderts, wurde und wird in diesen Zusammenhängen immer wieder erwähnt. Neben rechtsextremen, okkult-esoterischen und erz-katholischen Zirkeln werden solche Verschwörungstheorien heute auch von fundamentalistischen Gruppierungen wie der Hamas oder den türkischen Milli Görüs verbreitet. Auch Teile der anti-imperialistischen Linken sind für die vermeintlich kapitalismus-kritischen Botschaften anfällig: So traten die „Truth-Rapper“ der „Bandbreite“ 2010 auch beim „Festival des politischen Liedes“ in Oberösterreich auf.


[1] Song „Der Prophet“

[2] Song „Infokrieger“

[3] Song „Massenpost“

[4] Song „Können wir das zulassen?“

[5] http://www.kilezmore.com/galerie/km-schulprojekt

[6] ebenda

 

12. 9. 2013: „Blut muss fliessen“ in Salzburg

Filmvorführung – anschließend Diskussion mit Regisseur Peter Ohlendorf und Thomas Rammerstorfer

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Blut muss fließen. (R: Peter Ohlendorf, D 2012) Einblicke in eine Jugendszene, zu der kaum ein Außenstehender Zutritt hat. Sechs Jahre lang hat der Journalist Thomas Kuban mit versteckter Kamera auf Neonazi-Konzerten gefilmt. Der Autor Peter Ohlendorf hat Thomas Kuban auf seiner Reise durch Deutschland, Österreich und Europa mit der Kamera begleitet. 2012 lief der Film auf der Berlinale und wurde in Nürnberg mit dem Alternativen Medienpreis ausgezeichnet. DONNERSTAG, 12.09.2013 um 17 Uhr im „Das Kino“ http://www.mysoundofmusic.at/

Bushido: Der Weg des Spießers

Als Bushido anno 2009 den Integrationspreis bekam war ich nicht dagegen. Er hat sich perfekt in die Gesellschaft integriert. Zum einen ökonomisch als Musiker und Immobilienspekulant, aber vor allem in Bezug auf sein Weltbild. Sexismus, Homophobie, Gewaltverherrlichung und Antisemitismus sind keine Werthaltungen, die sich auf extremistische Kreise beschränken, sondern stammen direkt aus der Mitte unserer Gesellschaft. Die Verhöhnung der ökonomisch Schwachen durch die ökonomisch Starken, das Glorifizieren des sozialen Aufsteigers, der das herrschende Recht des Stärkeren rücksichtslos anwendet: das ist nicht deutscher Rap, sondern Realität im Kapitalismus.

Da passt jene Episode gut dazu, die Bushido hierzulande erst über das Milieu hinaus bekannt machte. 2005 wurde sein Auto – das wichtigste Statussymbol des ökonomischen Aufsteigers! – in Linz beschädigt. Bushido schaffte es gemeinsam mit zwei Helfern den mutmaßlichen Täter, einen 19-jährigen, zu verprügeln. Gangstarap? Nein, Spießertum in Reinkultur. Und das zieht sich durch den  Lebens-„Weg des Kriegers“. Da mahnt er zwar gerne Privatpersonen ab und will Geld, wenn mal ein Track auf einer Internettauschbörse landet, klaut aber selbst reihenweise bei KollegInnen (er ist deswegen auch rechtskräftig verurteilt). Er hält sich für den „Staatsfeind Nr. 1“ und absolviert 2012 ein Praktikum im Bundestag bei einem Politiker der CDU, mit der er seine wertkonservativen Ansichten teilt. Freundlicherweise blieben bei seinen jüngsten Tiraden gegen PolitikerInnen auch jene der CDU/CSU außen vor. 2010 durfte der Staatsfeind sogar die offizielle Hymne der deutschen Nationalmannschaft zur Fußball-WM, „Fackeln im Wind“, trällern. Ein Höhepunkt in einem deutschen Spießerleben, so was von integriert!

Da blieb aber ein Problem: Das patriotische Gedöns von „Fackeln im Wind“ war seine bisher letzte Top Ten-Platzierung in den Singlecharts. Die Alben schafften zwar bessere Einstiege, in Stückzahlen gemessen ging deren Verkauf aber auch zurück. Die Marginalisierten hatten sich von Bushido ab- und glaubwürdigeren Rappern zugewandt. Zudem kauften sie nur ungern Musik, die über Tauschbörsen frei erhältlich ist. Noch schwerwiegender: Bushidos eigenes Label, „ersguterjunge“, steckt vermutlich stark in der Krise. Nach dem Abgang der Stars wie Eko Fresh, Fler oder Kay One blieben 2013 überhaupt nur mehr der Meister himself und der noch wenig bekannte Shindy über. Dass der umstrittene Bushido-Track „Stress ohne Grund“ nun auf einer Shindy-CD erschien soll wohl dessen bis dato eher laue Karriere befeuern. Wenn es in der Firma kriselt, werden die „Werbebotschaften“ aggressiver. Der Stress hat also durchaus Grund.