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Gmx.at zu Rechtsextremismus in OÖ

„Im Wiederbetätigungsprozess um die rechtsextreme Gruppierung „Objekt 21“ wurden vergangenen Herbst in Wels alle sieben Angeklagten schuldig gesprochen, nationalsozialistische Ideologien verherrlicht zu haben. „Oberösterreich ist traditionell ein guter Boden für rechtsextremes und deutschnationales Gedankengut. Das war schon in den 1920ern so“, erklärt der Rechtsextremismus-Experte Thomas Rammerstorfer aus Wels. Seiner Ansicht nach hat in Oberösterreich das „Dritte Lager“ die Zäsur des Weltkriegs und der Niederlage ohne Verluste überstanden: „Rechtsextreme sind hier heute fest verankert.“

Die Situation erzeuge „eine gewisse Stimmung der Narrenfreiheit für Neonazis“, urteilt Rammerstorfer. „Aus so einem Sumpf wachsen die unterschiedlichsten Blüten: Skinheadbanden im Innviertel und Wels, rechtsextreme Hooligans in Linz, Weltverschwörungsobskuranten, Nazi-Kameradschaften, faschistische Metal-Fans im Mühlviertel, dazu die bundesweit meisten FPÖ-Mitglieder.“ Er kritisiert, die Entwicklungen würden von der Politik häufig verharmlost – selbst von Grünen und SPÖ. „Während beim Objekt 21-Prozess in Wels sogar eine deutsche Bundestagsabgeordnete dabei war, interessierte sich aus Österreich nicht mal ein Lokalpolitiker dafür.“

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Braune Umtriebe im Heimatgau

aus: Analyse & Kritik, Hamburg, Nr. 588, November 2013 

Objekt 21: Nazis in Österreich mit guten Kontakten nach Thüringen

Von Thomas RammerstorferJanuar 2013: Einer erstaunten Öffentlichkeit in Österreich wird mit Objekt 21 ein in seinen Dimensionen nahezu einzigartiges kriminelles Netzwerk präsentiert: Die oberösterreichische Polizei macht die Neonazigruppe für zahlreiche Straftaten wie Einbrüche, Brandanschläge, Entführung, Drogen-, Waffen- und Menschenhandel, Körperverletzungen usw. usf. verantwortlich.

Benannt ist die Gruppe nach der Anschrift ihres Anwesens im Ortsteil Windern, einem kleinen Ort zwischen Braunau und Linz. Der Nazikameradschaft mit engen Verbindungen nach Bayern und Thüringen rechnet die oberösterreichische Polizei rund 30 Mitglieder und etwa 200 Anhänger aus Österreich und Deutschland zu. Bei Razzien im Januar wurden unter anderem Sturmgewehre, Maschinenpistolen und zehn Kilogramm Sprengstoff gefunden.

Der Zerschlagung der Gruppe im Januar ging eine jahrelange Untätigkeit der Sicherheitskräfte vor. Dabei waren die Hintermänner und Aktivitäten von Objekt 21 längst bekannt. Alleine in der Tageszeitung »Österreich« erschienen seit 2010 gezählte 30 Artikel mit detaillierten Informationen, insbesondere zu den neonazistischen Verbrechen der Gruppe. Am 4. November 2013 verurteile das Landgericht Wels nun sieben Männer wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung. Doch die Mühlen der Gerechtigkeit mahlen nur langsam und schlampig.

Anfang 2010 stießen AntifaschistInnen auf das Objekt 21, eine relativ offen agierende Neonazigruppe, die im Örtchen Desselbrunn am Rande des Salzkammergutes ein Haus angemietet hatte. Ein Szeneaussteiger lieferte Beweismaterial: Fotos von mit Hakenkreuzen »verzierten« Wänden, von völkischen Liederabenden mit deutschen und österreichischen Szenebarden, Saufgelagen und dergleichen mehr. »Wir hatten die in wenigen Tagen ausrecherchiert. Aufgrund der völlig offensichtlichen NS-Wiederbetätigung dachten wir, die Sache werde vom Verfassungsschutz kurz und schmerzlos erledigt«, erzählt Roman G., ein Ebenseer Antifaaktivist. Doch es sollte anders kommen.

Erst zwei Monate nach Beginn der antifaschistischen Öffentlichkeitsarbeit erfolgte eine Hausdurchsuchung, die dann freilich wenig Verwertbares zutage förderte. Die Bezirkshauptmannschaft brauchte bis 2011, um einen von den Nazis zur Tarnung gegründeten Kulturverein zu verbieten. Angesichts der behördlichen Untätigkeit traten die »Objektler« zunehmend frecher auf und erweiterten ihre Tätigkeiten. Man stieg ins Rotlichtmilieu ein, verdiente dort als Auftragsbrandstifter und Berufsschläger. Drei Bordelle wurden übernommen, ein Versand etabliert (»NS Squad«) und Konzerte veranstaltet.Engste Beziehungen pflegte man zu Kameraden aus Thüringen. Die Gruppe war streng hierarchisch strukturiert, unumstrittener Führer Jürgen W., der auch während der Verbüßung einer 2009 verhängten Haftstrafe per Facebook und Handy die Aktivitäten koordinierte. Diverse Versuche zur Zusammenarbeit und zum Informationsaustausch vonseiten deutscher Sicherheitskräfte scheiterten am Desinteresse ihrer österreichischen KollegInnen.

Das ganze Ausmaß an behördlicher Unfähigkeit und Unwilligkeit brachte der Prozess vor dem Landgericht Wels im Herbst 2013 zutage. Zwar waren die Aktivitäten der Gruppe jahrelang bekannt, die tatsächlichen Ermittlungsergebnisse aber nur rar. Die Erhebungen liefen verspätet an, bei Hausdurchsuchungen wurde Beweismaterial übersehen, die Anklageschrift wurde wegen Formfehlern vom Landesgericht zunächst zurückgewiesen. Weder wurden Telefone abgehört noch Internetaktivitäten überwacht. Die offene Facebook-Gruppe der »Objektler« fiel niemandem auf – sie besteht bis heute.

Auch die Auswahl der Angeklagten ist nicht nachvollziehbar. Einige kleine Mitläufer landeten vor Gericht, einige Kader der Gruppe blieben unangetastet. Der gesamte Komplex wird zudem nicht im Ganzen vor die Justiz gestellt, sondern in einzelne Tatbestände filetiert. Hier wird mal eine Brandstiftung verhandelt, da ein paar Einbrüche, auch die NS-Wiederbetätigungen werden nach einem nicht nachvollziehbaren Muster aufgeteilt.

So wartet etwa der Thüringer Naziliedermacher Phillip T. in der JVA Korneuburg auf einen Prozess, der in der österreichischen Szene eine wesentliche Rolle zu spielen scheint. Ebenso wie Andreas P. aus Gotha (Thüringen), der in Linz sitzt. Das Wesentliche wurde in Wels offensichtlich übersehen – oder bewusst vertuscht: Hier operierte eine militante, neonazistische, streng hierarchisch gegliederte Bande mit besten Verbindungen in die deutsche, vor allem Thüringer rechtsterroristische Szene.

»Die Unbedarftheit, mit der die Polizei wohl jahrelang dem Treiben zugesehen hat bzw. den neonazistischen Kontext ausblendete, erinnerte schon fatal an Ermittlungspannen der bundesdeutschen Behörden in den Anfangsjahren des NSU«, so die Bundestagsabgeordnete der LINKEN Martina Renner, die nun eine parlamentarische Anfrage zu den Vorkommnissen stellt. Es bleibt abzuwarten, ob dadurch Licht ins Braune kommt.

Thomas Rammerstorfer arbeitet als freier Journalist und lebt in Oberösterreich.

Der Heimatgau

Wenige Landstriche Europas haben vom »Dritten Reich« ähnlich nachhaltig profitiert wie der »Heimatgau des Führers«, Oberösterreich. In sieben Jahren NS-Herrschaft erfuhr der damalige »Gau Oberdonau«, in erster Linie durch den rücksichtslosen Arbeitseinsatz von ZwangsarbeiterInnen, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen, einen massiven Industrialisierungs- und Modernisierungsschub. Dadurch sind Ansichten a la »Hitler hat auch viel Gutes getan« sowohl bei den Eliten als auch der Arbeiterschaft weit verbreitet und tradiert. Oberösterreich gilt als Bundesland mit dem größten Rechtsextremismusproblem.

Parlamentarische Anfrage zu „Objekt 21“ und Kameraden in Deutschland

Während die oberösterreichische PolitikerInnen in Sachen antifaschistischer Aktivitäten in ihren üblichen Dornröschenschlaf entschlummert sind, nimmt zumindest die deutsche Partei „Die Linke“ die Sache ernst. Heute – 5. November 2013 – wird eine parlamentarische Anfrage zu den grenzüberschreitenden Naziaktivitäten eingebracht. Mit der deutschen Bundestagsabgeordnete Martina Renner, die im Gegensatz zu ihren heimischen BerufskollegInnen den Weg zu „Objekt 21“ – Prozess nach Wels fand, sprach ich ebenda.

renner

Was gibt es für Verbindungen von Objekt 21 nach Deutschland?

Wenn man sich die Neonazis ansieht, die auf bundesdeutscher Seite zum Netzwerk des O21 gehören, dann fällt auf, dass diese überwiegend aus den Strukturen von Blood&Honour, insbesondere entsprechender Bands und deren Umfeld gehören bzw. aus dem Bereich der extrem nazistischen völkischen Organisationen wie der verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“. Enge Verbindungen zwischen Neonazis aus Thüringen zu den braunen Granden in Österreich wie Helmut Schweiger sind ebenfalls belegt. Die Kontakte zwischen den Gruppierungen und Personen gehen zurück bis auf die frühen 2000er Jahre. Regelmäßig waren österreichische Neonazis zu Gast bei rechtsextremen Konzerten und braunen Festivals, wie dem „Thüringentag der nationalen Jugend“. Im Gegenzug zog es Thüringer Neonazis nach Österreich. Es drängt sich nach der Aussage des Belastungszeugen P. der Eindruck auf, dass insbesondere Neonazis, die in Deutschland durch schwere Körperverletzungsdelikte aufgefallen waren bzw. sogar entsprechende Haftstrafen verbüßten gezielt für das Objekt 21 „geworben“ wurden. Zu fragen ist nun, wie groß ist das Netzwerk, welche Aktivitäten hat es auf bundesdeutscher Seite durchgeführt, insbesondere gibt es hier auch Verbindungen in den Bereich der Organisierten Kriminalität und welche Gefährdung geht durch diese Personen und Hintermänner aus.

Wie schätzen sie die Arbeit der oberösterreichischen Behörden ein?

Im Prozess hatte man schon ein Deja vu. Die Unbedarftheit mit der Polizei wohl jahrelang dem Treiben zugesehen hat bzw. den neonazistischen Kontext ausblendete, erinnerte schon fatal an Ermittlungspannen der bundesdeutschen Behörden in den Anfangsjahren des NSU. Bezeichnend ist auch, dass erst von außen der Druck derart hoch angesetzt werden musste, durch die Veröffentlichung von Bildern aus dem Objekt 21, dass entsprechende Strafverfolgungsmaßnahmen gezielt in Gang gesetzt wurden. Wichtig ist dafür zu sorgen, dass die Diskussion um diese Strukturen nicht trennt zwischen hier Organisierte Kriminalität und da Naziterror. Eines muss klar sein, das sind zwei Seiten einer Strategie. Nämlich ein autonomes Netzwerk zu schaffen, dass genügend Geld verfügt Neonazis zu binden, aber auch Waffen etc. zu besorgen.

Mehr Infos und die Anfrage gibts in Kürze auf: http://www.martinarenner.de

Road Crew: Die „unpolitischen“ Neonazis

Neue subkulturelle Trends und Organisationsformen deutscher Rechtsextremer finden heute meist schnell ihre Entsprechungen in Oberösterreich. Die Szene ist über die Staatsgrenze hinweg gut vernetzt. Neonazis aus Oberösterreich besuchen ihre Kameraden regelmäßig, gehen mit ihnen auf einschlägige Konzerte oder zum Fußball. Mit der „Road Crew“ ist nun eine neue Form rechtsextremer Männerbündelei auch in Österreich angekommen. Führend dabei sind Neonazis aus Wels und dem Mühlviertel.

Road Crew 24

Die Gruppierung Road Crew 24 entstand an sich als Fanclub der rechten deutschen Skinhead-Band „Barking Dogs“, wobei die 24 für den zweiten und vierten Buchstaben des Alphabets steht, also den Initialen der Band. Nachdem sich die Barking Dogs 2008 auflösten, bestand die Road Crew weiter als eine Art – offiziell unpolitischer – Freizeitverein verschiedener Leute aus der rechtsextremen Skinhead- und Hooliganszene. Von Düsseldorf aus gründete man weitere „Chapter“, zuerst in Bochum, Bielefeld, Mönchengladbach und Stuttgart.[1] Der Begriff „Chapter“ bedeutet hier in etwa „Ortsgruppe“. Er  entstammt dem Rockermillieu, welchem man auch die Organisationsstruktur weitgehend übernommen hat. So setzt man nicht darauf eine breite Masse an Mitgliedern zu rekrutieren, sondern versucht eher ältere, gefestigtere Szenegänger anzusprechen, die ihre Loyalität bereits unter Beweis gestellt haben. Eine neonazistische Einstellung ist dabei kein Muss, aber sicherlich auch kein Hindernis. Die eigenen Veranstaltungen – Feste, Konzerte, Hobbyfußballturniere – werden konspirativ organisiert, die Orte sind nur einem kleinen Kreis an Eingeweihten vorab bekannt, der Rest wird per facebook bzw. SMS erst am Tag des Geschehens informiert.

Road Crew Oberösterreich

Während die Road Crew-Chapter in Deutschland recht bunte Mischungen unpolitischer und rechtsextremer Männerbündler darstellen, dominieren im Anfang 2012 gegründeten Oberösterreich-Chapter Neonazis. Die namentlich bekannten Mitglieder sind Stammbewohner des heimischen braunen Sumpfes: Aus Wels Markus S., altgedienter Anhänger der Nazi-Skinhead-Organisation „Blood and Honour“, verhinderter Kandidat der verbotenen Neonazi-Liste „Die Bunten“ und ehemaliger Aktivist des rechtsextremen „Rapid Club Wels“. Diesem entstammt auch ein weiteres Road Crew-Mitglied, Klaus St., sowie Jungnazi Julian E. aus Weißkirchen bei Wels. Aus dem rechtsextremen Hooligan-Millieu von Blau Weiß Linz stießen Stefan G., Michael N. und Harald A. hinzu, und auch zumindest ein Aktivist der Braunauer Nazi-Szene, Thomas K. ist mit von der Partie. Die via  facebook von deutschen Road Crew-Aktiven ausgegebenen Drohung „Wer zu sehr prahlt und sich der Öffentlichkeit preis gibt, wird schnell am Galgen hängen!“ wird von den Oberösterreichern nicht recht ernst genommen. Dutzende Fotos von Treffen der österreichischen und deutschen Mitglieder wurden veröffentlicht, wohl um Eindruck innerhalb der Szene zu schinden und die Position der RC in Österreich herauszuheben. Im Sommer 2013 wurde schließlich ein „Supporter“-Capter in der Steiermark gegründet, auch ein Italien-Chapter existiert zumindest auf dem Papier.

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Der Organisationsansatz der Road Crew bietet eine Reihe von Vorteilen für die Aktiven. In Zeiten der Politikverdrossenheit, auch bei Menschen mit rechtsextremer Einstellung, wirkt der Freizeitbund anziehend, mit seiner wachsenden Anzahl an Ortsgruppen auch mächtig. Ein behördlicher Verfolgungsdruck besteht nicht, ebenso wenig lästige Verpflichtungen wie Flugblätter verteilen oder dergleichen. Trotzdem kann man sich als Gruppe von Verfolgten und Missverstandenen inszenieren, die nur durch unbedingten Zusammenhalt in einer ach so feindlichen Umwelt bestehen kann.

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[1] http://www.publikative.org/2011/12/21/unpolitischer-freizeitverein-der-barking-dogs-fanclub-road-crew-24/

16. 10. 2013: „Oberösterreich ganz Rechts“ in Wels

mit Thomas Rammerstorfer

Kaum ein Monat vergeht, ohne dass es die rechtsextreme Szene Oberösterreichs nicht in die Schlagzeilen schaffen würde. Aufsehen erregende Fälle wie der „Bund Freier Jugend“ oder „Objekt 21“ sind aber nur die sichtbare Spitze eines braunen Eisbergs, dessen verborgener Kiel tief in der Geschichte wurzelt.
Das Referat versucht die historischen Wurzeln der speziellen Situation Oberösterreichs offen zu legen und einen aktuellen Überblick über rechtsextreme Tendenzen dort zu schaffen.

Mittwoch, 16. Oktober 2013 um 18 Uhr

Büro der SJ/AKS, Karl Loy-Str. 17, 4600 Wels