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Have Fun. Ein Gespräch mit Börni Kreindl

Seit den späten 1980ern ist Bernhard „Börni“ Kreindl einer der umtriebigsten Musiker aus der Welser Gegend, in Hard Core-, Metal-, Rock-, Jazz-, Electro- und Improvisationsprojekten… es war an der Zeit mal mit ihm über sein bisheriges Wirken zu quatschen.

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Das erste was mir natürlich einfällt zu dir ist das Ostbahn-Kurti-Konzert am 4. November 1989 im Alten Schlachthof. Cheetah mit dir an der Gitarre haben als Vorband gespielt… magst du was zu dazu erzählen…

Ja, ich war 18 – jetzt bin ich 46, also kannst du dir ausrechnen wann es war – da hat mich der Stefan Hattinger gefragt ob ich bei ihm Rhythmus-Gitarre spielen will. Der war ein Checker, der Hattinger, macht auch heute noch im Musik-Business. Wir hatten eine Sängerin – Ulli Mhesz, einen Schlagzeuger, einen Bassisten… einen Solo-Gitarristen haben wir ewig gesucht, da haben wir dann den Edi Grinninger aus der Eferdinger Gegend gefunden, der hat schon super gefidelt damals. Am Schlagzeug Tom Machold. Ich hab die meisten Nummern geschrieben und dann sind wir schon zu fünft losgefahren, von Wels bis Wien. Das war 1988. Kurz zuvor bin ich wieder nach Wels gekommen, vorher war ich 4 Jahre in Niederösterreich, ich habe Uhrmacher gelernt. Zurück in Wels hab ich den Hattinger im damaligen Pikanta, dem späteren Ovilaba kennengelernt und so sind wir zur gemeinsamen Band gekommen. Waren zwei schöne Jahre, wo wir fast jeden Tag zusammen waren und Riffs geschrieben haben. Ich hab das Grobe gemacht und er hats dann verfeinert.

Kannst du dich noch an das Konzert ´89 im Schlachthof erinnern?

Sicher, ich bin ja noch nicht ganz weich.

Naja, aber du hast viele Konzerte gegeben… war Cheetah deine erste Band?

Stimmt, an alle Konzerte kann ich mich nicht mehr erinnern (lacht), da magst du recht haben. Nein, wir hatten schon in der Schule eine Band mit vielen Auftritten. Eine Coverband, alles von Beatles bis Stones.

Mit der Ulli Mehsz hast du später auch noch zusammengearbeitet.

Ja, die ist auch eine Welserin, die wohnt heute noch in Wels. Im Jahr 2000 hat sie mich gefragt ob ich mit ihr noch mal eine Band mache. Da haben wir die Ulli Mhesz Band gegründet, und auch eine CD und eine Video gemacht, das heißt „Ich will sein“, gibt’s alles auf youtube. Haben wir auf der Schaunburg gedreht. Es folgten Konzerte, war eine schöne Zeit mit super Musikern, zu sechst, zwei Keyboarder, Bass, Gitarre und die Ulli. Der Peter Guschlbauer aus Linz war Produzent, der hat auch das Video gemacht, das hat uns 10 000 Schilling gekostet, das war nicht viel.

Gibt’s von Cheetah selbst auch noch Aufnahmen?

Es gab ein Demo-Band mit sechs Nummern. Das haben wir beim Edi Grinninger im Wohnzimmer aufgenommen, da haben wir grad reingepasst, und nebenan im Schlafzimmer standen die Mischpulte, da hat er uns aufgenommen. Eigenproduktion. Ich hab das leider nicht mehr. Ich hab mein letztes einen depressiven Menschen geborgt und der hat sich leider vor den Zug gehaut. Es gibt eine Nummer auf einem Sampler, „Live in Wels“. Gespielt haben wir quer durch Österreich, bei Stadtfesten, in Wien, einige Male im Schlachthof in Wels.

Mein erster Tonträger von dir war von den Sexual Spastics, ein Tape, ich glaube live im Kraftwerk…

Ja, die Spastics. Mit Cheetah wars halt nach zwei Jahren aus, die Ulli hat sich umorientiert. Schade, war eine super Sache. Die Sexual Spastics sind gleichzeitig schon gelaufen, ich hab ja zeitweise in fünf Bands gespielt. Da bist du halt jeden Tag entweder im Proberaum gewesen oder hast ein Konzert gespielt, das war lässig. Ich hab ja gern immer Leute um mich, das taugt mir. Ich bin halt ein Gesellschaftstier, und da war halt jeden Tag Action.

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Foto: Die 1980er

Wer war bei den Sexual Spastics noch dabei?

Vratny Peter, Lipps Harry, Haslinger Stefan. Hard Core war damals in Oberösterreich eine Riesensache, wir waren da zum richtigen Zeitpunkt dran. Da waren ein paar Riffs dabei Richtung Fugazi, ein bisschen Crossover, Metal, das ist schon gefahren. Im Flex in Wien haben wir mal an einem Mittwoch gespielt, ganz alleine, waren auch 200 Leute da. Das war noch im alten Flex, das war saugeil, so abgefuckte Buden mag ich, das ist mir viel lieber als was nobles. Vom Konzert im Kraftwerk in Steyr gibt’s auch ein Video, Dharma Bums Insane aus Steyr und wir im Kraftwerk. Das alte Kraftwerk war auch ein Wahnsinn, genial, ein altes Gewölbe, wenn da 200 Leute drin waren ist die Hölle abgegangen. Da sind die Leute noch richtig ausgezuckt bei den Konzerten…

Heute filmen sie alle mit dem Handy mit, da habens keine Zeit mehr zu tanzen.

Ja, wir haben noch unsren Schädel gebeutelt und die habens Handy in der Hand.

Musikalische Einflüsse damals für dich?

Ich hab sehr früh angefangen, meine Mama war bei Hans-Sachs-Chor, hat Piano gespielt und wir hatten einen Flügel im Wohnzimmer, da hab ich schon mit 3 drauf rumgeklimpert. Mit 9 hab ich mit Gitarre angefangen, damals bin ich auf Beatles und so Zeug abgefahren. Aber auch ganz andres, mein Vater hatte eine Almhütte in der Steiermark, und da haben wir Volksmusik gespielt für die Urlauber. Mit 16 bin ich dann zum Punk gekommen, Slime, Tote Hosen und so. Übern Hattinger Stefan bin ich dann zum Metal gekommen, der hat mir halt so Sachen wie Metallica und Slayer vorgespielt, da hab ich dann einige Jahre nur mehr Metal und Hard Core gespielt. Dann bin ich auf was andres gekommen und habe eine 2-jährige Jazz-Ausbildung gemacht, beim Petersdorfer Harald in Thalheim drüben. Immer zu Fuß rüber von der Vogelweide mit Kassettendeck und Gitarre, über eine Stunde hin und eine zurück, aber das war es mir wert. In dieser Jazz-Phase sind dann so 1994 die Funny Genius entstanden. Der Eiselsberg Wolf am Schlagzeug, der Sigi Loidl an Keyboards und Gitarre, die Ruth Eiselsberg am Gesang, Wolfgang Seiler am Bass, der Wittig Martin am Schlagzeug. Schräge Musik, gibt eine eigene Soundcloudseite, da kann man sich alles anhören. CD haben wir auch gemacht, eine Mini, 22 Minuten.

Wie hast du damals die Kulturszene so gesehen, wie wars mit Auftrittsmöglichkeiten?

In den 80ern ist sehr viel entstanden, Schlachthof, Kraftwerk, KAPU, Stadtwerkstatt. Ich war da live dabei, ich war auch in Vereinen drin, hab mitveranstaltet, später hatte ich ja einen eigenen Verein, Soundtheater, ein Kulturverein. Man hat damals alle Leute gekannt, wir haben ja überall gespielt. Da hat vieles wachsen und auch wieder sterben gesehen.

Wars damals schwieriger für lokale Bands Auftritte zu bekommen?

Nun, da ist viel enstanden, vor allem in Oberösterreich und natürlich Wien. In Oberösterreich gabs ja auch viel in den kleinen Orten, Bands, Verein, Locations. Es war irgendwie kreativer damals, unprofessioneller, aber das Publikum hat das mehr honoriert. Jetzt ist nicht mehr so viel Bewegung drinnen.

Ich denke, dass „Konzert besuchen“ hat sich stark verändert. Diese Festivals mit 100 Bands, 5 Tage lang und 100 000 Leute Publikum hat es ja damals nicht gegeben. Und auf der Setlist stehen dann v. a. Bands die es seit 20 oder 30 Jahren gibt

Ja, damals hat man sich noch mehr kleine, neue Sachen angeschaut, wurscht ob lokale Bands, oder von mir aus auch aus Norwegen oder USA. Das Publikum war damals neugieriger, interessierter. Man wollte sich was anschauen, was man noch nicht kennt, was neues entdecken, auch am Merchandise-Stand stöbern, ob es irgendwelche neuen CDs oder Kassetten gibt. Das interessiert aber heute keinen mehr, da bestellt sich jeder was er will im Internet. Aber ich verstehs eh, auch Youtube und so, bevor ich 2 Stunden eine CD suche, tipp ich ein was ich hören will und fertig.

Die „Freie Szene“ oder DIY-Szene – war das für dich was Ideologisches auch, oder war das eben nur aus der Not heraus, weils keine Musikindustrie gegeben hat in Österreich?

Wir haben bei den Spastics schon sehr politische Themen angeschnitten, also da gings nicht um Liebe und Herzschmerz, sondern um beinharte Themen, die was halt uns damals mit 20 interessiert haben. Umweltzerstörung war damals noch ein großes Thema, Tschernobyl und so.

Beim Schlachthof in Wels hast du die Anfangsphase auch erlebt.

Ja, Cheetah war die erste Band, die dort geprobt hat. Der Hattinger hat das hauptsächlich organisiert. Und wir hatten als erster einen Proberaum, oben im Turm. Jetzt gibt’s 7, 8, 9, keine Ahnung, war schon lang nimmer unten. Aber ich würde sehr gerne wieder mal hin, spannend wie das jetzt wohl ausschaut. War lässig früher, du hast geprobt, dann waren plötzlich 5 Leute da, oder 10 oder 20 und haben mit dem Schädel gewackelt.

The Funny Genius hast du schon erwähnt, wie lange hat es die gegeben?

Zwei Jahre ungefähr. Wir haben einige arge Konzerte gespielt. Das war eine steile Zeit. Ist halt wieder auseinander gegangen – lauter starke Individuen, jeder will seinen Kopf durchsetzen. Das war sehr schade, mit denen hätte ich gern länger gespielt. Aber es gab schon neue Projekte, z. B. mit dem Sigi Loidl Die harmlosen Brüder. Da haben wir drei Sets gehabt, eine Stunde Coverversionen, eine Stunde Jazz und eine Stunde eigene Geschichten. Gibt auch ein Demo davon. Hat der Sigi Loidl aufgenommen, der Siegall. Und Megatief, eine Coverband, wir haben von Slayer, Metallica bis Faith No More gespielt. Der Bauer Werner am Bass, verschiedene Zeugler, weiß nimmer wie die alle geheißen haben. Ich hab gesungen und Gitarre gespielt und ab und zu haben wir den Ecker Alex noch dabei gehabt als Gitarristen. Wir sind viel aufgetreten, Fred Sega, Schlachthof, ist ganz gut angekommen, obwohl wir nur Covers gespielt haben. Wir haben uns aber nicht die einfachsten Nummern ausgesucht, schon eher ausgefallenes. Wir wollten halt draufdrücken und ein wenig Kohle machen mit der Musik.

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Dann kam Soundtheatre

Ja, Ende der 90er kam dann Soundtheatre, die Jam-Band, da haben schon über 50 Leute mitgespielt. 10 CDs gibt’s. Ich hab zuvor schon in Jam-Bands wie Psycho Express oder Green Grass Company gespielt. Das live jammen hat mir einfach riesigen Spaß gemacht. Ich wollte immer so klingen, dass die Leute nicht checken, dass es improvisiert ist, so sollte es sich anhören. Wir haben bewusst nie geprobt, wir haben uns einfach hingestellt und gespielt, das war ein faszinierender Zugang für mich. Das haben wir immer aufgenommen und CDs gemacht, ein Konzert-Video gibt’s auch, von Soundtheatre im The Soundtheatre, 2 ½ Stunden. Helmut Budaker war da dabei von Grand Zeppelin, der Ingo von Superfeucht, der Ötschi als Saxophonist und der Lukas Plescher von den Krautschädeln hat Schlagzeug gespielt. Der Loidl Sigi hat zwei Nummern gesungen und das Konzert gemischt. Ist ein super Video geworden.
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Die Musicalwerkstatt Wels war noch wichtig für mich, da war ich `95 – 2000 dabei. Das war ein Jugendprojekt, das Frau Professer Kossmeier geleitet hat, die hat sich da Musiker zusammengesucht. Das ist immer in verschiedenen Besetzungen abgelaufen. Da hat jeder von den Jungen kommen können, der mitmachen wollte. Es gab verschiedene Aufführungen, z. B. „Flashback into the 60ies“ oder „Die letzte Welt“ von den Schmetterlingen, jedesmal mit kleiner Tour und Tonträger. Da waren Chöre dabei, mit 20 oder 30 Leuten und bis zu 15 Solosänger. Trotz der vielen Leute: Da war so eine Harmonie immer, das war bis jetzt eine der steilsten Zeiten in meinem Leben, und die Arbeit mit jungen Leuten hat mir immer Spaß gemacht. Der Bürgermeister wollte mich damals sogar als Jugendarbeiter einstellen. Aber ich war damals zu viel Musiker, um noch was andres zu machen.

Soundtheatre gibt’s noch?

Ja, eigentlich schon, wir haben schon länger jetzt nichts mehr gemacht, aber ich denke schon dass wir nochmal spielen wollen. Mal schauen. Ich hab jetzt vor allem viel produziert daheim im Studio, vielleicht kommt noch mal eine Live-Zeit. Es gibt halt gewisse Faktoren gesundheitlicher Naturen bei mir. Jetzt war ich lange nur im Studio, ziemlich fleißig. Jetzt stehen schon 300 Songs von mir im Internet, die ich aufgenommen habe. Mindtheatre ist ein Musik Projekt von boerni_k und der Inti. Inti schreibt die texte, ich mache und produziere die Musik dazu – ein Funprojekt mit Tiefgang.

Du hast dich die letzten Jahre verlagert aufs Produzieren?

Aufnehmen und vor-produzieren. Produzieren tuts der Chris Unger, dass muss schon eine gute Qualität haben, wenn man was verkaufen will. Ich muss ja keine große Kohle machen, aber wenn man ab und zu was einnimmt, kann man wieder neues Equipment kaufen und sich verbessern. Aber eigentlich mach ichs aus Spaß, ich brauch nichts. Leider bin ich technisch ein Spätzünder, da hab ich lange dran gearbeitet, dass in den Griff zu kriegen. Ich spiel mir jetzt quasi alles selbst ein im Studio, Gitarre, Bass, Keyboard, Schlagzeug programmieren tu ich, dann hol ich mir verschiedene Musikerinnen und Musiker, frag sie ob sie singen wollen, schreib Texte…

Wir haben eine CD mit elektronischer Musik gemacht, die heißt Behind the Moon, mit Gudrun Rubini und Markus Sis, das ist ein ehemaliger Sängerknabe. Jetzt kommt bald „Du und ich“ mit Gudrun Rubini raus, ein Rockalbum mit 24 Nummern, das wird auf Amazon, Itunes etc. vertrieben, und einen Teil möchte ich auf Vinyl pressen lassen. Dann kommt eine Funk/Crossover-CD, „Funk Hole“, die ist auch grad beim mischen.

Musik ist…

…wenn man mit seiner Leidenschaft andren Menschen Freude schafft

Danke Börni 🙂

Fanclub

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Foto: Erste Vorbesprechung fürs Interview: Thomas Rammerstorfer und Börni anno `96

FÄKALKÜNSTLER UND ASOZIALE ALIMENTE

aus KUPFzeitung Nr. 152

Der Kulturkampf der 1990er, 20 Jahre Guttenbrunner Erklärung der KUPF – und was wurde. Rechtsextremismus in allen seinen Facetten ist ein allgegenwärtiger Tatbestand im politischen Spektrum Oberösterreichs. Die KUPFzeitung hat den Journalisten Thomas Rammerstorfer gebeten, die Geschichte und Gegenwart des rechten „Kulturkampfs“ gegen freie Zeitkultur in Oö nachzuzeichnen.

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«Bombe im Alten Schlachthof. Tod allen linken und asozialen Alimenten (sic)» teilte ein anonymer Anrufer während des «Music Unlimited»-Jazzfestivals der Welser Polizei mit. Der Schlachthof wurde geräumt, keine Bombe gefunden, und die «Alimente » konnten weiterfeiern. Eine Episode aus dem Jahr 1995, folgenlos, aber kennzeichnend für eine gewisse Stimmung. Auch die FPÖ hatte gegen das (O-Ton) «total beschränkte Festival» protestiert. Bereits 1992 (gegen eine Ausstellung von Cornelius Kolig, der von Jörg Haider als «Fäkalkünstler» tituliert wurde [1]) und 1993 (gegen eine Ausstellung von Hermann Nitsch) gingen Neonazis und christliche Rechte in Wels auf die Straße.

Wien

Begonnen hatte das alles nicht in Wels, und auch nicht in Linz, sondern in Wien. 1986 wurde nicht nur ein Kurt Waldheim Bundespräsident und ein Jörg Haider FPÖ-Obmann. Es gab da noch Claus Peymann, der die Direktion des Burgtheater übernahm und für die nächsten Jahre als hauptsächlicher Reibebaum konservativer und rechtsextremer Kulturkämpfer fungierte. Insbesondere die Inszenierung des «Heldenplatz » von Thomas Bernhard im Gedenkjahr 1988 brachte das vereinte Spießertum auf die Barrikaden des Boulevards, und in Form einer Gegendemonstration am Premierentag auch tatsächlich auf die Straße. Noch jahrelang sollte es heiß her gehen: 1991 räumte Kanzler Vranitzky erstmals so etwas wie eine Mittäterschaft von ÖsterreicherInnen an den Verbrechen der Nazis ein. Gleichzeitig erreichte die Fremdenfeindlichkeit im Lande erste, traurige Höhepunkte durch rechte Wahlerfolge und Gewalttaten. 1993 folgte schließlich das Lichtermeer, die Manifestation eines «guten» Österreichs, in dem die Kunstund Kulturszene praktisch geschlossen der rassistischen FPÖ-Hetze eine Absage erteilte. Spätestens hier dämmerte den Blauen: Die Kulturschaffenden – von A wie Ambros bis Z wie Zillertaler Schürzenjäger – sind gegen uns.

Der „Kunst und Politik Furz“ und die Guttenbrunner Erklärung

Der Kampf gegen die «kulturelle Hegemonie» der «Linken» wurde 1993, einige Monate nach dem Lichtermeer, von Jörg Haider in seinem Werk «Die Freiheit, die ich meine» quasi offiziell proklamiert: «Ohne werteverteidigenden Kulturkampf ist eine Überwindung des linken Kulturfaschismus nicht möglich» [2].
In weiterer Folge konzentrierte sich die Rechte auf zwei Linien. Zum einen die Kritik an den sogenannten «hochsubventionierten Staatskünstlern», die mutmaßlich im Auftrag der herrschenden Sozialdemokratie gegen die ihre Privilegien in Frage stellenden Freiheitlichen agitierten. Diese Debatten liefen vor allem auf Bundesebene. Auf Landes- und Gemeindeebene wurde den Alternativkulturszenen, die, wenn nicht ohnehin semi-terroristisch, so doch zumindest jugendversauend wirkten, der Krieg erklärt. Ab 1994 erreichte die Intensität des Kulturkampfes in Oberösterreich lichte Höhen und ungeahnte Tiefpunkte. Die FPÖ veröffentlichte ein Pamphlet mit dem Namen «Kunst und Politik Furz». Diese gegen die KUPF-Vereine und das «Festival der Regionen» gerichtete «Dokumentation» wurde allen freiheitlichen Gemeinde- und LandespolitikerInnen als «Argumentationshilfe » zugestellt. In Anti-Antifa-Manier waren – nicht mal ein Jahr nach der ersten Briefbombenwelle – AktivistInnen der KUPF-Vereine mit Foto und Adresse aufgelistet.
1995, das war das Jahr des missglückten Bombenattentats zweier Linksradikaler im niederösterreichischen Ebergassing, beide waren unter nie ganz geklärten Umständen dort zu Tode gekommen, witterte man eine anarchistische Terrorgefahr. FPÖ und Boulevardblätter übten sich im Konstruieren linksradikaler Netzwerke, die vermeintlich ganz Österreich überzogen. In Oberösterreich waren es wiederum hauptsächlich KUPF-Vereine, die «Handlangerdienste für die linke Gewaltszene leisten» [3], so der damalige FPÖ-Obmann Achatz. Dazu zählte Achatz etwa die Linzer Stadtwerkstatt, den – als Gegenpol zur jährlichen freiheitlichen Veranstaltung in Ried im Innkreis gedachten – «Kulturpolitischen Aschermittwoch», und natürlich den Schwertberger KANAL, der als Wiederverkaufsstelle des «TATblatt» sowieso eine Art Vorhof zur Hölle sein musste. Zum obersten Feldherr der freiheitlichen Kulturkämpfer avancierte der Wiener Rechtsextremist Walter Marinovic [4] mit gleich drei Büchern zum Thema in den Jahren 1994 und 1995. Diverse Gerichtsverfahren KUPF vs . FPÖ zogen sich bis 1997 und wurden allesamt von den Guten gewonnen.
In diesem Klima entstand die «Guttenbrunner Erklärung» [5] als «eine Grundsatzerklärung der KUPF (…) anlässlich der kulturfeindlichen Tendenzen der FPÖ.» In 15 Punkten distanziert sich die KUPF von den Anwürfen und verteidigt eine tolerante Kulturpolitik. Man «erklärt sich mit allen solidarisch, die sich (…) für eine liberale, tolerante, demokratische, menschliche und friedfertige Gesellschaft einsetzen.» In der Praxis lief dies nicht ohne Differenzen. Geschäftsführer Günther Mitter verließ die KUPF im Jahr nach der Guttenbrunner Erklärung «im Streit, weil man von mir verlangte, Solidaritätsadressen gegenüber anarchistischen Gruppen zu verfassen» [6], so Mitter.

Warum Oö?

In keinem anderen Bundesland wurde der Kulturkampf so intensiv und an so vielen Schauplätzen geführt. Auch die eingesetzten Mitteln der Rechten waren vielfältig: Demonstrationen und Kundgebungen, Pressearbeit, Broschüren und Bücher, Verleumdungen und Bombendrohungen. Da stellen sich nun Fragen. Ist Oberösterreich kulturpolitisch besonders konservativ? Das mag im Vergleich zu Wien, das in den kulturellen und soziologischen Prozessen etwa 5 bis 10 Jahre voraus war, gelten, sicher nicht im Vergleich zu anderen Bundesländern. Nein, dass sich «freie Szene» und «freiheitliche Partei» so in die Haare gerieten, lag in erster Linie mal daran, dass sie beide in gewisser Größe existierten. Nirgends hatte (und hat) die FPÖ mehr Mitglieder und entsprechende Strukturen als in Oberösterreich; nirgendwo stand (und steht?) ihr mehr zivilgesellschaftlicher Widerstand gegenüber.

Heute

Den Brachialattacken der 1990er Jahre hielt die «freie Szene» tapfer stand. Bald wanderte der rechte Zirkus zum nächsten Feindbild weiter. Seither hat man allzu offensichtliche kulturkämpferische Kampagnen unterlassen. Insbesondere im Wetteifern um die Stimmen der JungwählerInnen gibt man sich lieber modern-populistisch denn reaktionär- verbohrt. Zudem wähnt man sich spätestens und seit dem Trachtenboom und den Erfolgen des Andreas Gabalier ohnehin als Sieger im Kampf um die kulturelle Hegemonie – meines Erachtens zu Recht. Wo es möglich ist, haut man der Alternativkultur aber immer noch gern das Hackl ins Kreuz, siehe zum Beispiel die Groteske um den KUPF-Innovationstopf 2010 oder die Kürzung der Subvention für den «Alten Schlachthof» in Wels 2013. Die Taktiken haben sich geändert, die Ideologie ist die gleiche geblieben.

Die andere Frage ist: Sind auch «wir» die gleichen geblieben? Das muss man wohl verjeinen. Wir erleben ein gutes Vierteljahrhundert rechter Dauerberieselung, ein Vierteljahrhundert, in dem sich die sozialen Verhältnisse krass zu Ungunsten der sozial Schwachen verändert haben, während die breite Öffentlichkeit sich mit mehr oder weniger rassistischen Diskursen bei schlechter Laune hält. Die Aufgeregtheit vom Anfang der 1990er, als FPÖ-Wahlerfolge, Neonazis, Briefbomben und die rechtsextreme Massenmobilisierung in Deutschland die Ära gesellschaftspolitischen Fortschritts jäh beendeten, ist weg. Freilich hat sich an den grundlegenden Positionen der KUPF nichts geändert, sie wurden 2009 auch nochmal verdeutlicht [7]. Die breite Mobilisierung zum Thema der vielleicht auch schmäler gewordenen Basis ist nicht mehr so einfach.

Im Kulturbereich schien die Frontstellung vor 30 Jahren deutlich klarer als heute. Es gab – zumindest stellte es sich einem so dar – das «alte», Klassik, Schlager, Blasmusik, Goldhauben, konservativ, reaktionär, rechts, böse! Und eben das «junge», alternative, das musikalisch quasi alle anderen Stilrichtungen umfasste und sich politisch meist als links, mindestens aber als gesellschaftskritisch verstand. Gerade in Oberösterreich war diese Bewegung sehr breit und vielfältig und hatte großes subversives Potential. Das wurde von der ÖVP und der SPÖ durchaus erkannt und mit Hilfe von relativ viel Zuckerbrot integriert und weitgehend egalisiert. Die FPÖ hätte lieber die Peitsche gesehen und daran hat sich wohl nichts geändert. Die Frage der Zukunft wird sein, ob sich die KulturarbeiterInnen auf die Verteidigung des Brotes beschränken oder sich wieder mehr im Kampf um Kuchen für alle engagieren.

[1] Ich kann’s mir nicht verkneifen anzumerken, dass Haider Herrn Kolig 2006 den Kärntner Landeskulturpreis überreichte. Kolig nahm ihn via Greifzangen entgegen.

[2] Jörg Haider, Die Freiheit, die ich meine, S. 230, 1993

[3] Das linke Netz in Oberösterreich, in „Rund um uns“ Nr. 461

[4] web.archive.org/web/20121026184939/gruene.at/uploads/media/Marinovic.pdf

[5] kupf.at/positionen/guttenbrunner-erkl-rung

[6] Mitter, Tante KUPF, in „20 Jahre KUPF“, S. 38

[7] kupf.at/positionen/kulturpolitik/positionspapiere/no-pasaran