Es kommt wieder Leben in die Bude

FreiRaumWels, ZiGe und Co.: Die letzten Monate brachten ein bemerkenswertes Aufblühen der Welser Zivilgesellschaft

Zivilgesellschaftlicher Widerstand hat in Österreich eine überaus erfolgreiche Tradition. Ohne die Frauen-, Umwelt- und Friedensbewegungen, ohne Proteste gegen Atomkraft und Rechtsextremismus, ohne Initiativen im Kulturbereich, ohne die Kämpfe für Homosexuellenrechte, ohne Jugend- und Stadtteilprojekte: Wir würden in einem völlig anderen, wesentlich weniger lebenswerten Land leben. Zivilgesellschaftlicher Widerstand hat oft die Parteipolitik dazu angeregt, manchmal auch sanft gezwungen, das Richtige zu tun, oder wenigstens das Falsche nicht zu tun. Er war meist seiner Zeit voraus, und wer seiner Zeit voraus ist, hat es oft schwerer wie einer, der sein Heil in einer vermeintlich guten alten Zeit zu finden glaubt.

Auch in Wels ist am Sich-reiben an konservativen Strukturen manch Funke entstanden, der zwar keine Flächenbrände, aber bemerkenswert langlebige Glutnester entstehen ließ: Der KV Waschaecht (vormals KI) existiert seit 1981, die Welser Initiative gegen Faschismus seit 1984, der Alte Schl8hof seit 1985, der Infoladen wurde 1998 gegründet. Und trotz der unbestrittenen Bedeutung dieser und anderer progressiver Institutionen fehlte in den letzten Jahren irgendwas. Seit ein paar Monaten wissen wir was.

Im Herbst 2020 begann sich der FreiRaumWels gegen seine Schließung zu wehren. Nachdem in der Phase Rabl eine Reihe guter Projekte wie der Trödlerladen, das AktivTeam Noitzmühle oder das Jugendzentrum D22 leise abgetreten waren bzw. wurden, artikulierte sich hier endlich Widerstand. Offen, ehrlich, mutig trat man für das Überleben des Raumes ein. Die Aktivist*innen organisierten Crowdfunding, Pressearbeit, Politkontakte und Social-Media-Kampagne so bemerkenswert professionell, dass man es in Hinkunft als „Best-Practice“-Beispiel in einem Handbuch für Zivilgesellschaftlichen Widerstand hernehmen kann, ja muss.

Als nächstes Kapitel sollte dort das ZiGe (Zivilgesellschaftliche) Kollektiv Platz finden. #wirhabenplatz begann es im Februar festzustellen, suchte und fand Partner*innen aus Kirche, Kultur, Pfandfinder*innen, Schl8hof und Welser Initiative gegen Faschismus. Auch wenn nach sieben Zeltlagern für eine humane Flüchtlingspolitik vorerst Pause ist, die durchwegs eiskalten Nächte haben viel Wärme in Wels erzeugt.

FreiRaumWels, ZiGe und alle ihre Freund*innen haben wieder Bewegung in die Stadt gebracht. Und die Handelnden waren bei weitem nicht nur die „üblichen Verdächtigen“, also die Welser Subversions-Adabeis, zu denen sich der Autor auch fast schon zählen muss, sondern auch ganz, ganz viel neu oder nach oft langen Jahren des Stillstands wieder Bewegte. Dafür einfach mal Danke. Danke, danke, danke.

https://www.facebook.com/zigekollektivwels/?ref=py_c

https://www.freiraumwels.at/

Februar 2021, Stadtplatz Wels
April 2021, Schl8hof Wels
FreiRaumWels-Soli-Kundgebung, Oktober 2020