Archiv für den Monat: Juli 2016

Die AKP ist gut vernetzt mit europäischen Rechtsparteien

Die Kritik europäischer Rechtspopulisten an der AKP ist einigermaßen unglaubwürdig – man arbeitet sogar im gleichen Dachverband zusammen – der „Allianz der Europäischen Konservativen und Reformer“

Nach den Wahlen zum Europaparlament 2009 entstand dort die Fraktion der „Europäischen Konservativen und Reformer (EKR)“, die auch bald eine Entsprechung außerhalb des EU-Parlaments – und auch außerhalb der EU fand: Die „Allianz der Europäischen Konservativen und Reformer“ (AECR). Im November 2013 trat die „Adalet ve Kalkınma Partisi“ (AKP) bei. Zuvor hatte die Erdogan-Partei seit 2005 einen Beobachter-Status bei der „Europäischen Volkspartei“, der u. a. auch die ÖVP und die CDU angehören, inne. Hier war man nach der blutigen Niederschlagung der Gezi-Park-Proteste nicht etwa hinausgeflogen, sondern hatte die EVP freiwillig verlassen, weil diese den Beobachter-Status nicht zur Vollmitgliedschaft „upgraden“ wollte (siehe hier).

Bei der AECR findet man sich als Vollmitglied in durchaus interessanter Gesellschaft wieder. Mit dabei sind die britischen und polnischen Regierungsparteien, die Torys und die PiS. Dazu kommt eine Abspaltung der „Alternative für Deutschland“ um deren einstigen Gründer Bernd Lucke, die ALFA, und eine ganze Reihe kleinerer Parteien aus dem Milieu rechter und konservativer EU-SkeptikerInnen. Zwar nicht als Mitglied, aber unter „Regional partners“ werden die US-RepublikanerInnen gelistet.

Kritik von Seiten der „Allianz“ an der derzeitigen Politik der AKP gibt es offiziell nicht. Im Gegenteil, in der einzigen Stellungnahme der EKR zum Thema solidarisierte man sich mit Erdogan: „Democrats must stand solidly with Turkey’s constitutional order.“ twitterte Daniel Hannan, Generalsekretär der konservativen Internationalen und britischer EU-Abgeordneter (siehe hier).

Einen strammen AKP-Mann hat man sogar zu einem AECR-Vize-Präsidenten gemacht: Zafer Sırakaya, nebenbei europäischer Vorstandsvorsitzender der jüngst recht bekannt gewordenen AKP-Lobbyorganisation mit dem irreführenden Namen „Union of European Turkish Democrats“ (UETD). Hier sehen wir ihn mit erhobenem Zeigefinger bei einer pro-AKP-Demonstration (rechts im Bild/Quelle: twitter):
zafer

Wie sich IslamistInnen und rechte Islam-GegnerInnen innerhalb der AECR so vertragen, ist nicht bekannt. Naja, jenseits der Gretchenfrage hat man ja auch einiges gemeinsam.

Thomas Rammerstorfer

„Wenn Sie die heutige Kundmachung nicht absagen, übernehmen wir für die möglichen Vorkommnisse keine Verantwortung!“

Seit Tagen kommt es zu Überfällen auf pro-kurdische Kundgebungen. Am 30. Juni wurde eine Kurdin in Linz durch einen Flaschenwurf schwer verletzt. Eine Eskalation mit Ansage.

In mehreren Städten (Wien, Linz und Innsbruck) läuft derzeit eine Infokampagne kurdischer Vereine. Gefordert wird die Freilassung des PKK-Anführers Abdullah Öcalan und der Beginn von Friedensverhandlungen, um den Konflikt im Südosten Anatoliens zu beenden. Nun kann man zu Öcalan und zur PKK stehen wie man will: Die Forderung ist legitim und jedenfalls nicht ungesetzlich. So sahen das bis jetzt auch die österreichischen Behörden, die diese Infostände bzw. Kundgebungen nicht untersagten. Anders sehen es die diversen Banden türkischer Faschisten und Islamisten, die eine Kampagne gegen diese Veranstaltungen begannen. Mit Erfolg. Am 22. und am 25. Juni kam es zu Überfällen verhetzter Jugendlicher, mutmaßlich auch von Mitgliedern des Boxclubs „Osmanen Germania“, auf die kurdischen Kundgebungen am Stephansplatz. Es kam zu Schlägereien, auch zwei Polizeibeamte wurden verletzt. Am Wochenende 26./27. Juni wurde ein Lokal der KPÖ in Wien mit faschistischen Parolen und den drei Halbmonden, Zeichen der „Grauen Wölfe“, beschmiert. Es ist meines Wissens das erste mal, dass eine österreichische Partei Zielscheibe der türkischen Faschisten wurde. Für die Lokale kurdischer Vereine ist dies ein Dauerzustand.

Am 29. Juni befand man wohl, dass man mit Prügel und Randale nicht alles erreichen konnte, es ging die facebook-Gruppe „Verbot der PKK-Kundgebungen in Österreich“ online. Musterschreiben wurden geteilt, mit denen man Behörden und PolitikerInnen unter Druck setzen sollte. Die „Kufstein Türk Kültür Derneği“ (Graue Wölfe) drohte vor der ersten Kundgebung am 29. Juni in Linz in einem Brief Bürgermeister Luger recht unverholen: „Wenn Sie die heutige Kundmachung nicht absagen, übernehmen wir für die möglichen Vorkommnisse keine Verantwortung!“. Weiters taten sich vervor: AKP-Mann und Nischenmedien-Experte Irfan Ü. (der glühende Antisemit war bei der Gemeinderatswahl 2015 für die Linzer SPÖ aktiv) und der Astener Neos-Gemeinderat und Blogger Alen Tahic: „Sowas darf es in Österreich nicht geben! Wir müssen uns energisch dagegen wehren!“ fand er.

Luger reagierte – in einem von Arzu Büyükkal (bis 2015 Vorsitzende des Linzer „Migrations- und Integrationsbeirates“, 2015 SP-Gemeinderatskandidatin in Linz und bei der dem türkischen Staat unterstellten ATIB) verbreiteten Schreiben – verständnisvoll:

„Ich verstehe Ihren Unmut über die gestern stattgefundene Kundgebung am Hauptplatz vollkommen. Auch mich hat diese Veranstaltung sehr geärgert. Leider stellt sich die Faktenlage so dar, dass ich als Bürgermeister im Vorfeld nichts über diese Kundgebung wusste. Als Stadt Linz haben wir hier leider keine Handhabe, da es sich um eine Demonstration bzw. Kundgebung gehandelt hat. Die Polizei ist dafür zuständig und hat diese auch genehmigt. Es gab im Vorfeld keine Information an mich. Ich distanziere mich von dieser Kundgebung der PKK und bin sehr verärgert.“

Unmittelbar nach Veröffentlichung des Luger-Schreibens (30. Juni/15.49) kam es zur Eskalation. Eine tanzende Frau wurde von Faschisten angegriffen und mit einer Flasche niedergeschlagen, sie wurde blutüberströmt ins Krankenhaus eingeliefert (Rissquetschwunde). Bei nachfolgenden Rangeleien wurden zumindest drei Personen festgenommen. Nun könnte man meinen: jetzt distanziert sich Luger von den rechtsextremen Schlägern. Aber Scherz beiseite. Davon ist in der SP-Aussendung kein Wort zu lesen, nein, auch kein Wort des Mitleids mit dem Opfer, einer langjährigen, über kurdische Kreise hinaus anerkannten Frauen – und Menschenrechtsaktivistin. Nein, schuld sind die, die Versammlungsfreiheit ermöglichten: „Mich ärgert, dass die Polizei solchen Kundgebungen zustimmt“ sagt er.

Ärgerlich ist freilich, neben Lugers Sermon, die Tatsache, dass die Polizei nicht willens war die genehmigte Kundgebung auch zu schützen. „Verhinderung oder Störung einer Versammlung “ ist eine Straftat, entsprechend hätte man an beiden Tagen in Linz die Angriffe auf die kurdische Kundgebung sofort unterbinden können, ja müssen.

Thomas Rammerstorfer

Siehe:

Bürgermeister Klaus Luger verurteilt Krawalle am Linzer Hauptplatz auf das Schärfste


http://www.heute.at/leser/PKK-Demo-wurde-von-Erdogan-Fans-angegriffen;art23650,1304328
http://www.heute.at/news/oesterreich/wien/Schon-wieder-Attacke-auf-Kurden-am-Stephansplatz;art23652,1305229