Archiv für den Monat: August 2013

Interview zu Antisemitismus bei muslimischen Jugendlichen

Anmerkung: Sorry, ich habs schlicht und ergreifend vergessen wer das Interview mit mir gemacht hat. Wenns wer weiß bitte melden;)

Wie weit verbreitet ist der Antisemitismus unter muslimischen Jugendlichen in Österreich?

Die Ablehnung Israels ist eines der wenigen Themen, mit denen man in der Türkei Konsens erzielen kann. Ob TürkInnen oder KurdInnen, Rechte oder Linke, Säkulare oder streng Gläubige: Man hat ja nur Israel, das am ehesten als gemeinsames Feindbild taugt.

Bleibt das gleich oder ist die Tendenz steigend?

Empirisch belegbar ist das nicht. Meine Meinung: Antisemitismus als Krisenerklärungsmuster – als „Antikapitalismus für Dumme“ – wird sicherlich tendenziell gestiegen sein. Allerdings auch bei nicht-muslimischen Menschen. Dafür ist der Nahostkonflikt etwas in den Hintergrund geraten.

Welchen „Migrationshintergrund“ haben die Jugendlichen?

Ich beschäftige mich mit Jugendlichen türkischer bzw. kurdischer Herkunft. Ich weiß aber z. B. vn einem befreundeten Streetworker, der mit albanischen Kids arbeitet, dass da die Verbreitung antisemitischer Vorurteile und Hirngespinste auch stark ist.

Sind es Buben wie Mädchen gleichermaßen?

Dazu kann ich keine Angaben machen. Im Vordergrund stehen natürlich bei politischen Äußerungen mehr Buben.

Woher kommen die Ressentiments?

Internet, vor allem Bildchen und Videos, die via web2-Produkten verbreitet werden, aber auch ganze Kinofilme. Die Grauen Wölfe hatten im Frühjahr 2013 etwa für Vorstellungen ihres Propaganda-Filmes „Ülkücüler“ Kinosäle in ganz Österreich angemietet. Natürlich gibt es auch die organisierte Vereinslandschaft, wobei ich nicht beurteilen kann inwieweit hier organisiert Antisemitismus verbreitet wird. 

Welche Rolle spielen diverse Vereine (Milli Görüs), die Grauen Wölfe oder Moscheen?

Welche Rolle spielt das Internet – Soziale Medien und diverse Foren?

Ich beobachte die web2-Seiten, vor allem auf facebook, der Grauen Wölfe wie der Milli Görüs. Da lässt sich feststellen, bei den Wölfen überwiegt die Propaganda gegen KurdInnen und ArmenierInnen, bei den Milli Görüs gegen Israel bzw. die Jüdinnen und Juden.

Auf den in etwa 10 oberösterreichischen facebook-Gruppen von MG wird häufig offen die Hamas glorifiziert; Propagandabildchen und Videos, die den bewaffneten Kampf gegen Israel und die USA verherrlichen, sind leider Alltag. Auch tschetschenische Islamisten wie Bassajew, der für viele Massaker an insgesamt tausenden ZivilistInnen verantwortlich war, werden offen als Helden genannt.

Was wissen die Jugendlichen über die jüdische Religion und über den Holocaust?

Das Thema spielt keine große Rolle, glaube ich. Man wird in der Schule damit konfontiert, ich glaube aber da steht mehr so eine „Was geht uns das an“-Haltung im Vordergrund. Generell ist das Interesse an österreichischer Geschichte und Politik ja nicht sehr ausgeprägt; es interessiert ja nicht mal die „österreichischen“ Jugendlichen sonderlich.

Wie gefährlich ist dieser Antisemitismus? Gewaltbereitschaft?

Welche Maßnahmen sind zu ergreifen, wie kann man hier aufklären?

Eine erste Maßnahme ist einfach: Hören wir mal auf, Gruppen wie MG oder die GW zu unterstützen. Offen rechtsextreme, antidemokratische Gruppen – nicht nur die GW oder MG, auf deutsch/österreich-nationalistischer Seite  etwa der RFJ – werden mit Steuergeldern gefördert. Das ist Irrwitz. Allein in Linz wurden die GW von 2008 bis 2011 mit 7700 Euro gefördert und dazu noch logistisch unterstützt: Etwa haben sie 2009 ein Konzert im Rathaus veranstaltet.

Natürlich wären auch Bildungsmaßnahmen in den Schulen wichtig, um auch Menschen mit Migrationshintergrund seriös über Geschichte und Politik ihrer Herkunftsländer zu informieren. Und natürlich ist es oft die rassistische Ausgrenzung durch die „Einheimischen“, die die Kids in die Arme rechter Gruppen treibt. Wenn dir die einen vermitteln, dass du Abschaum bist, und die anderen, du seihst der Mittelpunkt des Universums und Angehöriger einer überlegenen Rasse/Religion, mit wem wirst du wohl abhängen?

Besonders wichtig fände ich es, den muslimisch-jüdischen Dialog zu fördern, www.mjconference.de leistet hier schon Pionierarbeit.

Besonders interessant finde ich noch, dass viele junge Muslime scheinbar überzeugt sind, Hitler wäre ein Moslem gewesen („Das Biber“ berichtet in seiner aktuellen Ausgabe) – dies würde auch im Netz diskutiert werden. Haben Sie hier Erfahrungen?

Nein. Mir hat nur mal eine Muslima – eine österreichische Konvertitin übrigens – gesagt, Hitler sei Jude gewesen…

 

Interview zu „Frei.Wild“ (aus Echo, Mai 2013)

ECHO: Sie sagen, Frei.Wild sei keine rechtsextreme oder Neonazi-Band. Ist die ganze Diskussion also überzogen?

Thomas Rammerstorfer: Meines Wissens hat noch niemand Frei.Wild als Neonaziband bezeichnet. Frei.Wild verteidigen sich nur ständig deswegen, weil sie sich gerne in der Märtyrerrolle sehen, oder weil sie die Begrifflichkeiten nicht differenzieren – das weiß ich nicht. Die meiste Kritik an Frei.Wild finde ich berechtigt, allerdings finde ich nicht, dass die Band das große Problem wäre: die Plattenindustrie hat Nachfolger für die Bösen Onkelz gesucht, eine Band die das rechtskonservative Spektrum abdeckt, und Frei.Wild ist es geworden.

ECHO: Was ist bedenklich an Frei.Wild?

Rammerstorfer: Wie Frei.Wild zum Heimatbegriff steht, finde ich (…) bedenklich. Denn in den Songs geht es ja nicht nur darum, dass sie ihre Heimat lieben, sondern dass sie mehr oder weniger alle hassen, die das nicht tun. Der Hass auf jede Art von Kritik, dieses Schwarz-Weiß-Denken – wer nicht für uns ist, ist gegen uns – da steckt schon ein sehr, sehr einfaches Weltbild dahinter. Der „hassen“ an sich ist ja ein zentrales Thema ihrer Musik. Verbale Aggression auf aggressiver Musik zu transportieren, das kann Stimmungen erzeugen, die sehr bedenklich sind. Ich habe von Frei.Wild-Fans viele Mails gekriegt. Rund die Hälfte war halbwegs höflich, aber inhaltlich meist undifferenziert, sehr viele allerdings war von blankem Hass erfüllt.

ECHO: Fördert Frei.Wild diese Haltung der Fans Kritikern gegenüber?

Rammerstorfer: Man hasst ja Kritiker, es gibt es keine Dialogbereitschaft. Was passiert in der Realität: Frei.Wild stellt sich der Kritik nicht. Für mich unglaublich ist dieses fast schon widerliche Selbstmitleid. Was ist der Band passiert? – Es ist eine Hand voll Auftritte abgesagt worden, es hat Antworten gegeben auf die Provokationen der Band, es hat Kritik gegeben. Ansonsten hat es weder juristische Maßnahmen gegeben, diese Band zu schädigen oder sonst was. Umgekehrt ist es aber schon so, dass Frei.Wild mit juristischen Mitteln gegen Kritiker vorging, oder Leuten, die sich über die Band lustig machten, mit juristischen Konsequenzen droht. Es ist eine völlige Verdrehung der Realität, was diese Band in ihrer Verteidigungs- besser gesagt  in ihrer Angriffslinie praktiziert. Das ist für mich traurig, weil den jungen Leuten ein Muster vorgegeben wird: Du hast immer Recht, alle, die dich kritisieren, sind Idioten, die musst du hassen, bekämpfen, mundtot machen. Das ist eine Lebensanleitung für Jugendliche, die ich sehr bedenklich finde, neben diesen nationalistischen und sonstigen problematischen Inhalten.

ECHO: Wie sollte die Politik agieren?

Rammerstorfer: Das muss jeder Hallenbesitzer- oder Verwalter selbst entscheiden, ob er diese Band spielen lassen will. Für mich viel wichtiger ist, das Thema an sich zu diskutieren, also den erstarkenden Nationalismus bei Jugendlichen, auch im Rahmen von bildungspolitischen Maßnahmen versuchen, dem entgegenzuwirken. Nationalismus ist ein Spiel mit dem Feuer. Das Risiko der Eskalation ist latent vorhanden, auch in der Südtirol-Frage, die irgendwann durchaus wieder gewalttätig „diskutiert“ werden könnte.

Anmerkung August 2013: Das mit der Dialogbereitschaft möchte ich mal relativieren. Von seiten Frei.Wilds gibt es die – zumindest mir gegenüber – durchaus.

Der Misserfolg hat viele Väter

Die oberösterreichischen Behörden versagen im Kampf gegen Neonazis auf der ganzen Linie. Das Problem liegt nicht beim Verfassungsschutz alleine

Als ich im März 2010 erstmals auf den Neonazi-Club „Objekt 21“ stieß, dachte ich diese Angelegenheit würde sich innerhalb weniger Wochen erledigen. Die „Objektler“ agierten nahezu absurd dilettantisch. Tätowierte Hakenkreuze, völlig offensichtliche NS-Propaganda im Internet, SS-Runen als Wanddekoration, dazu kriminelle Aktivitäten. Der Kopf der Bande, Jürgen W., ein fanatischer Nazi, war zudem den Behörden bestens bekannt. Seit 2001 wurde er regelmäßig einschlägig verurteilt – in Oberösterreich ein Kunststück! – zuletzt 2009, wo er einen „Kampfverband Oberdonau“ leitete. Im Frühling 2010 also hätte es ohne jeden Zweifel mehr als genug Beweise gegeben, die Gruppe zu zerschlagen. Es dauerte aber noch fast drei Jahre, ehe die Behörden tatsächlich durchgriffen.

Fast drei Jahre, in denen die Ermittlungen von verschiedensten Stellen hintertrieben, verraten, verschleppt und sabotiert wurden. Als sich im August 2010 der Verfassungsschutz zu einer ersten Hausdurchsuchung aufraffte, war die Bande aus Kreisen der Vöcklabrucker Polizei vorgewarnt. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck sollte noch bis zum nächsten Jahr brauchen, um zumindest den Verein aufzulösen. Die Staatsanwaltschaft Wels zögerte trotz eindeutigster Beweislage jahrelang mit einer Anklageerhebung.

Fast drei Jahre, in denen die Neonazis ihre Aktivitäten intensivieren und professionalisieren konnten. Eine Firma wurde gegründet, mehrere Rotlicht-Unternehmen übernommen, ein Versand für Fascho-Brimborium entstand; parallel dazu veranstaltete man weiter Nazi-Konzerte und nistete sich in zahlreichen Nischen krimineller Ökonomie ein: Frauenhandel, Waffenhandel, Drogenhandel, ja selbst Handel mit gestohlenem Metall wird der Bande vorgeworfen. Dazu noch Brandanschläge, Körperverletzungen und zahllose weitere Delikte. Woche für Woche neue Verbrechen. Die Behörden schauten zu, schauten weg, was auch immer.

Fast drei Jahre, in denen die Nazi-Mafiosi in aller Öffentlichkeit agierten. Allein die Tageszeitung „Österreich“ widmete der Bande 21 (!) Artikel – vor dem Zugriff der Polizei im Jänner 2013. Bei meinen Vorträgen in diesen Jahren an Schulen oder Jugendzentren im Bezirk Vöcklabruck musste ich feststellen, dass das Treiben der „Objektler“ selbst unter 15-jährigen in der Region allgemein bekannt war. Und schon 2011 räumte ein Verfassungsschützer ein, die Bande würde auch in Drogen und Waffen machen.

Fast drei Jahre, in denen der ab 2010 (wegen seiner Delikte mit dem „Kampfverband Oberdonau“) inhaftierte Jürgen W. die Geschicke der Gruppe weiterhin leiten konnte, aus dem Knast, via Handy und facebook. Als „Suben Knaki“ ist W. dort registriert, ebenso wie die andren Köpfe der Bande problemlos auszuforschen. Um die Ermittlungen der Polizei abzukürzen, hätte auch ein Blick auf facebook genügt, wo „Objekt 21“ über eine offen einsehbare Fanseite verfügt, Rubrik „Lokales Geschäft“.

Wohl noch nie in Österreich hat eine dermaßen kriminelle, wenn nicht terroristische Organisation so lange und so ungeniert in aller Öffentlichkeit agieren können. Der Fehler ist sicher nicht nur beim Verfassungsschutz zu suchen. Polizei, Justiz, die Bezirkhauptmannschaft und die Landespolitik haben kollektiv versagt. Die Details dieses Versagens müssen schleunigst aufgedeckt werden.

Auch sollte an Menschen gedacht werden, die in der bisherigen Diskussion nicht erwähnt wurden: Den Opfern. Wenn tatsächlich auch Menschenhandel und Zwangsprostitution im Spiel waren, wäre es interessant zu erfahren, ob und wie man den Betroffenen helfen kann bzw. sie vor eventuell drohenden fremdenpolizeilichen Repressalien schützen kann.

Thomas Rammerstorfer beschäftigt sich mit Rechtsextremismus und Jugendkulturen (Vortragsreihe „Brauntöne“). Er ist aktiv beim Infoladen Wels und Vorstandsmitglied der Welser Initiative gegen Faschismus.