Archiv für den Monat: August 2013

Trendfarbe Braun – wie Ewiggestrige in der Popmusik an Einfluss gewinnen

aus „Grüne Schule“ Nr. 1, Juni 2012SONY DSC

Bei der Suche von Jugendlichen nach Identität spielt Musik eine kaum zu überschätzende Rolle. Ganze Jugendkulturen, ja ganze Generationen definier(t)en sich über Musikstile. Sie erscheint auch als primäre Ausdrucksweise sowohl unterschiedlicher Emotionen als auch von gesellschaftlicher Haltungen. Rechtsextreme, die ihre „Opfer“ in Ermangelung intellektueller Kompetenzen oder politischer Programme primär auf der Gefühlsebene ansprechen müssen, haben die Bedeutung populärer Musik erkannt und setzen darauf. Mit zunehmenden Erfolg.

Bis weit in die 70er-Jahre orientierten sich rechtsextreme Jugendgruppen am Erscheinungsbild ihrer historischen Vorläufer der 30er-Jahre. Dementsprechend begrenzt waren die Agitationserfolge. Das Interesse, in Hitlerjugend-Kostümierung bei Marschmusik zu salutieren, hielt sich bei der damaligen Jugend in engen Grenzen. Rockmusik und eine rechte Einstellung schienen unversöhnliche Gegensätze zu sein.

Zu Beginn der 80er importierten v. a. Fußballfans eine neue Jugendszene, die auf den britischen Inseln schon ein Jahrzehnt früher entstanden war: Die Skinheads. Die an sich unpolitische Bewegung wurde schnell zum Rekrutierungsfeld der Naziszene. Im Kontext einer zunehmend nach rechts rückenden Gesellschaft radikalisierten sich immer mehr Jugendliche. Nazi-Rock von Bands wie Störkraft lieferte den Soundtrack für eine Welle an rassistischen Terror mit über 100 Toten, der nach dem Ende der DDR die Bundesrepublik und mit Einschränkungen auch Österreich erschütterte. So erfolgte 1992 der erste eindeutig rassistisch motivierte Brandanschlag Österreichs in Traunkirchen, 1997 kam in Wels ein Mazedonier bei einer Nazi-Brandstiftung zu Tode.

Waren die 80er vom dumpfen Gegröle der Skins dominiert, entwickelte sich in den 90er-Jahren eine zunehmend vielfältigere rechtsextreme Musikszene. In machistisch und martialisch geprägten Jugendkulturen wie der Heavy Metal-Szene (v. a. im „Black Metal“) gelang es starke rechtsextreme Flügel zu etablieren; eine Entwicklung die momentan in der Hip Hop-Kultur vor sich geht. Auch in kleineren musikalischen Nischen wie dem Industrial Rock, Dark Wave, Techno („White Techno“) und Hardcore („Hatecore“) entstanden rechte Subgenres. Sanftere Klänge schlagen „nationale Liedermacher“ wie Frank Rennicke, Annet Müller oder der Schärdinger „Bernhard“ an.

Auch inhaltlich hat man das über rassistisches Gegrunze hinaus erweitert. Geschichtsrevisionismus, die Verehrung der Wehrmacht und einzelner Größen des Nationalsozialismus, insbesondere Rudolf Hess gibt es zu hören, auch werden zunehmend antikapitalistische Positionen propagiert, die sich allerdings meist in antisemitischen Weltverschwörungstheorien erschöpfen. Szenetypisch ist eine nachgerade obsessive Beschäftigung mit dem Thema sexueller Kindesmissbrauch, das auch in der Propaganda rechter Parteien eine starke Rolle spielt. Kaum eine Rechtsrock-Band ist heute ohne Lied zu diesem Thema am Start.

In Österreich ist die Szene eher konsumorientiert, die einheimischen Bands erreichten bei weitem nicht die Professionalität der internationalen Rechtsrock-Helden und verschwinden meist schnell von der Bildfläche. Eine großen Popularität erfreuen sich die Österreich deutsche Acts wie Landser, Zillertaler Türkenjäger, Stahlgewitter, Sleipnir oder Dee Ex sowie die schwedischen Saga; die traditionellen Skinhead-Bands wie Skrewdriver haben an Bedeutung verloren.

Aus einer Reihe von Gründen ist Oberösterreich mehr als andere Bundesländer Zentrum unterschiedlicher rechtsextremer Jugend-Szenen. Das Innviertel, insbesondere der Bezirk Braunau, ist eine Hochburg der Skinheadszene. Im Mühlviertel versammeln sich viele Rechtsextreme unter dem Dach des „Ring Freiheitlicher Jugend“, aber auch in der Black Metal-Szene. Im Zentralraum sind unterschiedlichste Gruppen am Werk: Von rechten Hooligans bis zu organisierten Parteien wie der „Heimatpartei“ oder den „Bunten“. Überregionale Nazi-Skinheadgruppen firmieren als „Objekt 21“ oder „Road Crew Oberösterreich“. Faschistische Vereine türkischer MigrantInnen existieren in Linz, Wels, Traun und Braunau, diese veranstalten auch immer wieder Konzerte. Auch Islamisten und rechtsextreme Gruppen aus Ex-Jugoslawien (etwa der kroatische Fascho-Popstar „Thompson“) und Tschetschenien haben ihr Anhänger.

Von den Sicherheitsbehörden gibt es keine nennenswerten Aktivitäten im Kampf gegen Rechts; insbesondere beim Thema Jugendkulturen wirkt man bestenfalls überfordert. Umso wichtiger ist hier die Rolle der LehrerInnen und Eltern, ja der ganzen Zivilgesellschaft; wir alle sind gefragt, wenn es darum geht, den braunen Unrat wieder auf die Müllhalde der Geschichte zu befördern.

 

Kampf der Kulturen in Oberösterreich: Von wahnsinnigen Welsern, Frei/Wild und Wagner

Linz: Richard Wagner, 1. Akt

„Die Aufführungen der Wagner Opern im Linzer Landestheater hatten Hitlers Liebe zum Germanenkult geweckt.“[1] Allein: Das Landestheater schien ihm doch dem Wagner`schen Pomp unangemessen. Also lies er ein Opernhaus für Linz planen. Der Rest der Geschichte ist bekannt. Den Notwendigkeiten des Vernichtungskrieges zu Folge produzierte Linz Kanonen statt Kanons. Aber nun war es endlich soweit: Am 12. April eröffnete der Bunker an dem vom Hitler (oder gar der Vorsehung?) auserkorenen Ort in der Blumau seine Pforten. Nur die FPÖ war, wohl in Unkenntnis des Führerwunsches, quasi irrtümlich statt deutschtümlich, dagegen. Begonnen wird, unschwer zu erraten, mit Wagner, dem „Wegbereiter des Neuen“ (Musiktheater-Eröffnungsbroschüre) oder auch der „größte(n) Prophetengestalt, die das deutsche Volk besessen“ (Hitler).

Wels: Frei/Wild vs. freie Szene

Ja, die freie Szene. Ihr geht es wie Hans im Glück. Da hat man Subversion ohnehin schon für Subvention schlecht getauscht, und jetzt wird einem die auch noch gekürzt. Aber dazu später. Agiert diese Szene also leider weder frei noch wild, beansprucht dies zu sein nun eine Truppe rechts-konservativer Südtiroler namentlich für sich: Frei.Wild. Die wollten in Wels spielen und haben auch gleich fleißig angefangen, Tickets zu verkaufen, allerdings, wenig bauernschlau, die Rechnung ohne den Wirt und vor allem ohne Vertrag gemacht. Letzterer kam auch in Folge nicht zustande, da der Wirt – Vizebürgermeister Hermann Wimmer – keinen wollte. Das wiederum führte zu allgemeinen Wut- und Trauerbekundungen von Frei.Wild-Fans, insbesondere natürlich deren Welser Fraktion, die größtenteils aus Freiheitlichen und/oder Neonazis zu bestehen scheint. Ober-Jammerlappen war wieder mal Ludwig Reinthaler: „in dieser Stadt wird alles verboten was nicht linksextrem ist!“ analysierte er, und zwar von „Wahnsinnigen Welser linksextremen ausländer-Politiker ( Koits und Konsorten )“. Rechtschreibschwächen im Original.

Wels: Richard Wagner, 2. Akt

Und dann war da natürlich noch mal Wagner! Der hat nicht nur bei Hitler gewisse Lieben mit bekannten Folgen erweckt, ihm gehört auch die Zuneigung des stramm deutschnationalen Teils des Welser Bürgertums. Darum gibts jedes Jahr ein Wagner-Festival in Wels. Das Publikum ist besonders kaufkräftig, und das freut die Unternehmer und ihre Parteien. So kaufkräftig aber dann doch wieder nicht, dass man nicht noch massiv Steuergelder zuschießen müsste: 80 000 Euro jährlich, also fast der Hälfte der im Kulturbudget vorgesehenen Ermessenausgaben, so beschlossenen von VP und FP. Einen Umstand den zu kritisieren u. a. auch ein Mitarbeiter des Kulturzentrums „Alter Schlachthof“ wagte. Dem die oben angeführten Parteien daraufhin die Subvention strich. Die Welser Haselnuss-Koalition ist offenbar der Meinung dass andere Meinungen nicht zulässig sind.

Nicht nur ein Skin(n)viertel

(Artikel ist von 2009)

Nazi-Läden, Fascho-Skinhead-Banden und ab und zu mal ein Toter: Das Innviertel ist eine Hochburg militanter Rechtsextremer Im Westen nichts Neues: »Der Hauptaktionsraum von rechtsextremen Skinheads in Oberösterreich war unverändert das Innviertel.« vermerkt der Verfassungsschutzbericht 2008 beinahe schon resignierend. Die in Deutschland verbotene Nazibande »Blood and Honour« ist hier ebenso heimisch wie zwei weitere größere Skinhead-Gruppierungen oder die sich etwas biederer gebende »Nationale Volkspartei«.

Die letzte – nicht untersagte – Neonazidemonstration fand hier statt (durch den »Bund freier Jugend/BfJ«, Ried 2006) und die einzigen drei Nazi-Ramschläden Österreichs befanden bzw. befinden sich ebenfalls allesamt dort: »Walhalla« in Ried (geschlossen), der »Militaria«-Laden in Obernberg (detto dicht), wo selbst illegale Waffen frei verkäuflich waren sowie seit 15. Dezember ’08 der »Thor Steinar«- Laden in Braunau. Inhaber des »Thorshops« ist ein gewisser Thoralf Meinl, Geschäftsmann aus der ehemaligen DDR. Er ist im »Stormfront«-Forum aktiv, dem ältesten Neonazi-Forum, das in den USA von Kukluxklan-Aktivisten betrieben wird: Dort grüsst er auch gern mal mit »SH!«, was vermutlich für »Schi Heil« steht.

»Hochwertige Kleidung« aus Braunau

In diesem werde aber eh »lediglich hochwertige Kleidung verkauft«, so ein nicht namentlich genannter Beamter der Polizeiinspektion Braunau2, der mit diesem Zitat ein Grundproblem der Region offenbart: eine bestenfalls unwissende, schlimmstenfalls mit der rechten Szene sympathisierende Polizei. Nahezu beispielgebend hierfür ist der Rieder Bezirkspolizeikommandant August Weidenholzer, der in den letzten Jahren nahezu jeder Provokation der rechten Szene tatenlos zusah, bzw. zusehen ließ.

So etwa im Juni 2006, wo eine Horde Neonazis des BfJ in Ried feierte. Zwar war die Polizei im Vorhinein informiert, und die Bezirkshauptmannschaft wies Weidenholzer an, 25 Beamte in Bereitschaft zu halten – allein, dieser ließ nicht einschreiten, selbst als der grölende Nazi-Mob von ca. 30 – 35 Personen gegen Mitternacht zum Haus des Bürgermeisters zog, dort klingelte und Lieder zum Schlechtesten gab.

»Es wurden weder rechte politische Parolen gerufen, noch wurden Lieder gesungen.«3, behauptete hingegen Weidenholzer und sah ebensowenig Grund einzuschreiten wie im Dezember desselben ‚ Jahres bei einem Neonazi-Konzert in Antiesenhofen, Bezirk Ried. Parolen wie »Blut muss fließen knüppeldick, wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik«, »In Auschwitz weiß ein jedes Kind, dass Juden nur zum Heizen sind« sowie Lobrufe auf Adolf Hitler, die bei dieser Veranstaltung wiedergegeben wurden, waren für die anwesenden Beamten offenbar nicht schlimm genug; zudem war man damit beschäftigt, mit den überwiegend deutschen Neonazis für Erinnerungsfotos zu posieren, wie ein der ORF-Sendung »Report« zugespieltes Videoband beweist.4

Durchaus einsatzfreudig erweist sich die Rieder Polizei hingegen, wenn es gegen Linke geht. Als ein Grüppchen Rechtsextremer des BfJ im Mai 2006 trotz Demonstrationsverbotes aufmarschierte, schritten die Beamten auf Geheiß des August Weidenholzer beherzt ein – und nahmen zwei gegen die illegale Nazi-Demo protestierende Antifas fest.

Blau-braune Eintracht

Es ist aber jetzt nicht so, dass Herrn Weidenholzer politisches Engagement grundsätzlich zuwider wäre, vielmehr ist er selbst auch tätig, als Ersatz-Gemeinderat ist bei der Schärdinger FPÖ. Sein dortiger Chef ist Lutz Weinzinger, Schärdinger Bezirksparteiobmann und Landesvorsitzender der Freiheitlichen.

Berührungsängste zum rechten Rand hat dieser ebenso wenig. Vielmehr ist Weinzinger, der angibt, durch seine »burschenschaftliche Erziehung« zur Politik gekommen zu sein, als Autor in der rechtsextremen »Aula« wohl sogar ein Teil davon. Auch mit der Anwesenheit prominenter Rechtsradikaler bei FP-Veranstaltungen hat Weinzinger kein Problem. So nahm im August 2006 u. a. der wegen NS-Wiederbetätigung verurteilte Gottfried Küssel an einer Gedenkveranstaltung teil. Organisator der Feier: Lutz Weinzinger.5 Inwieweit die Gedankenwelt eines Weinzingers oder der FPÖ ihren Niederschlag in der Amtsauffassung eines August Weidenholzer finden könnten, überlassen wir den geneigten Leserinnen zu beurteilen.

Ein Hoch auf unsre liebe Polizei

Die Neonazis selbst äußern sich in diversen Internet-Foren jedenfalls voll des Lobes über die Innviertler Ordnungshüterinnen, so z.B. auch bereits im Juli 2003 anlässlich eines illegalen Neonazi-Konzerts in Geinberg. Da wusste die Polizei zwar davon, glänzte aber wie üblich mit vornehmer Zurückhaltung, ein Teilnehmer freute sich über die problemlose Anreise: »Es war nur eine Polizeikontrolle, und die haben auch nur nach Waffen gesucht CDs mit evtl. nicht kosheren Texten und Covers haben sie gar nicht interessiert. Ich muss auch sagen das die Polizeibeamtin die mein Auto durchwühlt hat sehr sehr nett war, und das was sie ausgeräumt hat auch brav wieder eingeräumt hat.«6

(Rechtschreibung im Original – ob ihm die liebe Beamtin zum Abschluss noch die Windschutzscheibe geputzt hat, ist nicht bekannt). Selbst der BfJ gerät bei den Uniformierten aus Ried ins Schwärmen, so anlässlich einer rechtsextremen Demonstration dort im Jahr 2006: »Zwischendurch muss angemerkt werden, dass die Polizisten immer wieder durchblicken ließen, dass auch sie für den nationalen Protestmarsch Verständnis hatten und die hochdisziplinierten jungen Demonstranten eindrucksvoll fanden.«, heißt es da, und auch bei der Abschlusskundgebung wurde das »erfreuliche Verhalten der Polizei« erwähnt.7,

Traditionen

Die Strukturen der extremen Rechten haben im Innviertel eine lange Tradition. Schon in den 30ern war das Innviertel ein reges Betätigungsfeld von aus dem »Altreich« einsickernden Nationalsozialisten. 1935 stieg ein Rieder zum Führer der SS in Österreich auf: Ernst Kaltenbrunner, Burschenschafter der Arminia Graz. Nach dem Ende des »tausendjährigen Reiches« zogen weitere Nazis an den Inn, aus Deutschland ebenso wie aus dem Mühlviertel) als dieses ab August ’45 von den Sowjets übernommen wurde – viele Tausende, darunter wohl nicht wenige Nazis flohen in diesen Tagen über die Donau in die amerikanisch verwalteten Teile Oberösterreichs.

Dazu kam ein sehr hoher Anteil an »Volksdeutschen« Flüchtlingen8, die man zwar keineswegs pauschal als rechts verorten kann, deren Verbände aber sicher ihren Beitrag zu völkischen Stimmungen leisteten und leisten. Der rechte Aderlass aus Angst vor den »Russen« sorgte im Mühlviertel dafür, dass sich dort bis weit in die 80er Jahre kaum Parteistrukturen der FPÖ bildeten. Das Innviertel hingegen wurde zu einer Hochburg derselbigen, flankiert und unter Kontrolle von deutschnationalen Burschenschaften wie der Rieder »Germania« oder der Schärdinger »Scardonia«, die 1964 von Lutz Weinzinger hochderoselbst gegründet worden war.

Ein Österreicher zuviel

»Wir hatten schon mal einen Österreicher zuviel«9, so begründete der niedersächsische Innenminister 1991 die Ausweisung eines gewissen Karl Polacek aus Deutschland. Der Wiener Polacek war Landesvorsitzender der neonazistischen »Freiheitlichen Arbeiter Partei« (FAP), die bald darauf verboten wurde. Er war einer der aktivsten und militantesten Neonazis jener Zeit und wurde unter anderem verurteilt, weil er mit einer Axt (!) auf eine Antifaschistin eingeschlagen hatte. In seinem deutschen Umfeld kam es regelmäßig zu Gewalttaten bis hin zum Mord.

Zwei Mitglieder seiner Bande erstachen 1991 einen Bundeswehrsoldaten10. Nach seiner Ausweisung aus dem »Altreich« fand er Unterschlupf beim Altnazi Fritz Rebhandl in Salzburg, von wo er begann, die Innviertler Nazi-Skinheadszene zu organisieren und bald an die 50 junge »Kameraden« um sich scharte.11 Aktiv war Polacek vor allem in der Braunauer Gegend, die Zeitung der Gruppe nannte sich dementsprechend »Braunauer Ausguck«, in ihr wurde unverhüllt ein militanter Neonazismus gepredigt. Jahrelang konnte Polacek in diesem Sinne ungestört agieren und organisieren.

Trotz einer Reihe von Anzeigen gab es jahrelang keine Verfahren gegen ihn. Zuständiger Staatsanwalt in Ried: Heinrich Steinsky, schlagender Burschenschafter der »Suevia«. Dieser war bereits Jahre zuvor in Salzburg wegen Amtsmissbrauch angezeigt worden, weil er trotz zahlreicher Anzeigen keine Anklage gegen den Nazi Fritz Rebhandl erhob. Unmittelbar nach Steinskys Wechsel nach Ried wurde Rebhandel angeklagt und verurteilt.

Mittlerweise mehrmals eingeknastet, lebt Polacek heute in Griechenland. Seinen Idealen ist er treu geblieben, nur hat der mittlerweile 75-jährige die Axt endgültig gegen den Stift getauscht: zuletzt schrieb er einen Beitrag für das Buch »Als wir .befreit‘ wurden«. Herausgeber: Andreas Mölzer12. Einer der Unterstützer Mölzers und in dessen Personenkomitee bei der EU-Wahl 2004 ist auch ein gewisser Staatsanwalt Heinrich Steinsky, nur so nebenbei erwähnt.

Ab und zu überlebt’s einer nicht

Aus dem Umfeld von Polacek stammten auch die Mörder von Raimund F., der ’95 unter nie wirklich geklärten Umständen in Ried erschossen wurde (Staatsanwalt im Prozess: Heinrich Steinsky). 2002 war es der 18-jährige SV Ried-Fan Dominic, der die braune Aggression nicht überstand. Er wurde 2 Tage vor Weihnachten von Rechtsextremen zusammengeschlagen und verstarb an den Folgen. Im November wurde im bayrischen Simbach, vis-a-vis von Braunau, ein Obdachloser von Dorfjugendlichen zu Tode geprügelt. Politische Motive werden Stets ausgeklammert oder gar vertuscht. Das Problem der militanten Rechtsextremisten wird im öffentlichen Diskurs, bei weitem nicht nur im Innviertel, gern zu einem allgemeinen Problem mit »gewalttätigen Jugendlichen« umgelogen, denen man wiederum nur mit »rechten« Methoden (härtere Strafen etc.) beikommen könne.

Mit bunter Kultur gegen die braune Unkultur

So alt wie der Nazismus ist auch der Widerstand dagegen, der auch hier auf vielfältige Art und Weise daherkommt. Der kulturelle ist ein wichtiger Teil davon. Jahrelang war etwa der »Kulturpolitische Aschermittwoch« ein wichtiger Gegenpol zum »Politischen« der FPÖ.

Die Lage ist jedoch keine leichte nicht. Während Rechte und Rechtsextreme den öffentlichen Raum auf Massenevents wie der Rieder Messe beinahe dominieren, bleiben die Kulturbegeisterten meist unter ihresgleichen. »Es treffen sich mehr oder weniger die allseits Bekannten. Umgekehrt ist Zulauf garantiert, wenn das Niveau tief und der Spaßfaktor extrem hoch ist. Mir scheint, dass wir immer mehr in Parallelwelten leben« meint Heinz Wieser von »Kunst und Kultur Raab«13. Und er nennt auch ein leidiges Problem der Provinz, den Braindrain: »Meine Kinder und die vieler Bekannter hier im Ort, die sind weg, zum Studium oder für einen Job in die Städte«.

Durchaus bemerkenswert werkt in St. Pantaleon der Verein »meta.morfx« mit einem bunten Programm zwischen Electro, Rock und Ska. Die rund 50 Mitglieder haben in unzähligen Arbeitsstunden ein ehemaliges Fabriksgebäude für sich adaptiert und werken mit wenig Subvention und sehr viel Engagement. Die etwa 350 Besucherinnen pro Veranstaltung zeigen, dass es durchaus möglich ist, auch mit einem über Bierzelt-Niveau angesiedelten Programm massentauglich zu sein und so den braunen Rattenfängern vielleicht ein Stückchen Boden zu entziehen.

Thomas Rammerstorfer

1 Thor Steinar. »Kult«-Bekleidungsmarke der Neonazi-Szene
2 zit. nach »Braunauer Bezirksrundschau« 8. 1. 2009
3 zit. nach OÖN( 16. 6. 2006, siehe auch www.wno. org/newpages/chr08c.html
http://ooe.orf.at/stories/166836
www.hrb.at/bzt/doc/zgt/bl5/presse/ 20060921oesterreich.htm
www.doew.at/frames.php?/projekte/rechts/ chronik/2003_07/konzertl.html
www.widerstand.info/293/erfolgreiche-demonstration-in-ried-im-innkreis/
8 Grabmer, Volkmer, Die Volksdeutschen in Oberösterreich, Grünbach 2003, S. 88
9 zit. nach DIE ZEIT, 18. 10. 1991
10 www.doew.at/frames.php?/projekte/rechts/ chronik/2008_07/polacek.html
11 Purtscheller, Wolfgang, Aufbruch der Völkischen, Wien 1993, S. 396
12 www.andreas-moelzer.at/index.php?id=334
13 www.servus.at/kkraab

Thomas Rammerstorfer,  ist aktiv beim Infoladen Wels und der »Liga für emanzipatorische Entwicklungszusammenarbeit (www.leeza.at).

Quelle: KUPF-Zeitung, Nummer 129, März 2009, www.kulturplattform.at

Lichter und Schatten Kurdistans

aus KUPF-Zeitung Nr. 142, 2012

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Ein Reisebericht aus dem Keller der Türkei von Katharina Gusenleitner und Thomas Rammerstorfer.

Weitgehend unbeachtet von der europäischen Öffentlichkeit tobt im Osten der Türkei seit bald 30 Jahren ein ungleicher Bürgerinnenkrieg. Katharina Gusenleitner und Thomas Rammerstorfer aus Wels sind Mitarbeiterinnen der „Liga für emanzipatorische Entwicklungszusammenarbeit“ und bereisten die Region im Frühling. In der kleinen Provinz Dersim lässt sich beispielhaft die Komplexität der Konflikte nachvollziehen.

Die Bürgermeisterin von Dersim kommt verspätet zum vereinbarten Treffen. Ein Begräbnis ist dazwischen gekommen, ein weiterer Freund, der das Gefängnis nicht mehr lebend verlassen hat. Wie viele ihrer Amtskolleginnen aus der Region grad „drin“ sind, weiß sie nicht genau: „Vier oder fünf. Letzte Woche ist einer raus gekommen, aber ich glaube der ist schon wieder drin.“ Auch einer ihrer Vizebürgermeister sitzt gerade; Alltag in Kurdistan. Die Taktik der Repressionen hat sich geändert. Massenvertreibungen und extralegale Tötungen wie in den 80er- und 90er-Jahren sind nicht mehr an der Tagesordnung, aber jegliche zivilgesellschaftliche Regung kann ins Gefängnis führen. Manchmal reicht auch ein kurdisches Wort oder das Hören kurdischer Musik. Jede Kurdin steht unter dem Generalverdacht des Terrorismus.
Beim Spaziergang durch die Stadt zeigt die Bürgermeisterin beiläufig auf ein Haus. Hier wurde sie nach dem Militärputsch 1980 mehrere Wochen gefangen und gefoltert, erzählt sie im Tonfall beiläufiger touristischer Erläuterung.

Knapp 30 000 Einwohnerinnen zählt Dersim, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im kurdischen Gebiet der Türkei. Es waren mal deutlich mehr, doch eine einmalige Geschichte an Vertreibungen und Massenmorden innerhalb der letzten hundert Jahre haben die Region entvölkert. 1915 waren die Armenierinnen in die Wüste getrieben und massakriert worden. Nach dem Ende des Osmanischen Reiches und dem Sieg der Atatürk-Partei im „Befreiungskrieg“ gegen die Besatzung der Westmächte wandte sich der türkische Chauvinismus gegen seine ehemaligen kurdischen Verbündeten. Für die kurdischen Gebiete war der Status einer innertürkischen Kolonie vorgesehen, als Rohstofflieferant und Absatzmarkt. Dafür wurden die in offizieller Diktion dort lebenden „Bergtürken“ als unzivilisiert und rückständig gebrandmarkt. Die Massaker von Dersim 1937/38 bildeten das vorläufige Ende kurdischer Bewegungen. Die Provinz wurde entvölkert und auf Jahre zum Sperrgebiet. 1945 als Tunceli wiedergegründet, blieb die Region eines der Zentren zivilgesellschaftlicher wie auch militanter kurdischer Bewegungen und wurde somit immer wieder Ziel staatlicher Disziplinierungsmaßnahmen.

Dersim ist ein Gefängnis. Der Talkessel ist gleichzeitig auch ein Kessel im militärischen Sinne. Auf allen Gipfeln rund um die Hauptstadt ist die Armee mit Wachtürmen, Zäunen, Scheinwerfern und Abhöranlagen eingegraben. An den Zufahrtswegen sind Checkpoints eingerichtet. Vor unserem Hotel lümmeln Zivilpolizisten. Militärhubschrauber kreisen über, Panzerfahrzeuge fahren durch die Stadt, die an sich eher einem idyllischen Bergdorf gleicht, was die Szenerie umso absurder erscheinen lässt.

Dersim ist die Freiheit. Zwischen weiten Teilen der Bevölkerung scheint ein stilles Einverständnis zu herrschen, ein gewisser Stolz, trotz allem hier zu leben, in einem Ort, der den Kurdinnen auf der ganzen Welt als Synonym für Widerstand gilt. Ein älterer Herr mit bestem kurdischen Kommunisten-Schnauzbart spricht uns auf Deutsch an. 1964 ist er als Gastarbeiter nach Deutschland gegangen, berichtet er, und seine sieben Kinder leben alle dort. Einer seiner Söhne habe sogar eine Deutsche geheiratet. „Sie ist zwar sehr schön“ meint er, um leicht wehmütig hinzuzufügen: „aber ihr Vater ist Kapitalist.“

Trotz oder gerade ob dieser teils widrigen Lebensumstände sind die Einwohner Dersims ziemliche Freigeister. Freidenkerinnen und liberale Menschen in einer Art Freiluftgefängnis.
Wir treffen nicht nur die Bürgermeisterin, sondern auch andere Gemeindebedienstete, größtenteils Frauen. Dersim ist in Frauenhand. Das bemerken wir auch, als wir dem Hauptgrund unserer Projektreise einen Besuch abstatten – dem Frauenzentrum, ein von der Bürgermeisterin in Kooperation mit LeEZA begründetes Projekt und Grund unserer Reise.
In diesem einzigen Frauenzentrum der Region können Frauen aus der Stadt und den umliegenden Dörfern psychosoziale sowie rechtliche Beratung in Anspruch nehmen. Die meisten Frauen, die in Dersim wohnen, sind Einheimische, bzw. Binnenflüchtlinge, deren Dörfer während des Krieges der 1990er Jahre durch das türkische Militär zerstört und in Brand gesetzt wurden. Andere mussten aufgrund der Staudammbauten, von denen diese Region betroffen ist, ihre Dörfer verlassen.
Das Zentrum stellt sich als dringend benötigte Einrichtung heraus, denn die Frauen der Umgebung sind von häuslicher Gewalt ebenso bedroht wie von Übergriffen durch das türkische Militär. Bei Gesprächen mit Betroffenen wird uns bewusst, welchen Wert diese Institution für die Frauen hat. Oft ist das Zentrum der einzige Zufluchtsort für Gewaltopfer und deren Kinder. Es gibt aber auch – sehr gut besuchte! – Kurse für Männer, wo über das Wesen patriarchaler Machtstrukturen diskutiert wird. Wir haben die Möglichkeit, mit einigen dort Beschäftigten (u. a. Soziologin, Krankenschwester, Psychologin) und einer Klientin zu sprechen, und sind geschockt und fasziniert zugleich. Geschockt von der Gewalt und den Lebensumständen, denen die Frauen oft ausgesetzt sind und der Tatsache, dass der Staat sein Übriges tut, um deren Situation noch zu verschlimmern, fasziniert von der für diese Gegend einzigartigen „Sozialarbeit“ , die in dem Zentrum geleistet wird.
Im Rahmen unseres Dersim-Aufenthaltes bekommen wir weiters noch Gelegenheit ein Jugendzentrum mit eigenem Theater (Kino), in dem jährlich zwei mittlerweile etablierte Filmfestivals stattfinden, sowie ein Krisenzentrum für Drogenabhängige (Dersim ist von einem aufkeimenden Drogenproblem betroffen) und eine Nachhilfeeinrichtung zu besuchen.
In all diesen Institutionen treffen wir auf Menschen, die tolle Arbeit machen und gerührt scheinen ob des Interesses, das LeEZA für Ihren Einsatz zeigt.
Als gäbe es nicht schon genug Probleme in der Region, wird auch noch der Fluss Munzur, der unterhalb des Städtchens und durch die umliegende Gegend fließt, mit einem Staudamm verdammt! Wir stehen oberhalb des Ufers und betrachten durch den Munzur-Staudamm bereits überschwemmte Häuser, Spielplätze und so manches andere Gebäude, das einmal dem Alltagsleben der Bevölkerung diente.
Es ist kein Ende in Sicht, die Überschwemmungen werden in ihrer menschenverachtenden Weise vorangetrieben. Ziel ist die völlige Kontrolle des Wassers in der Region, vor allem zur Nutzung durch industriell betriebene, exportorientierte Landwirtschaft: Man braucht Devisen um die Industrialisierung voranzutreiben. Gleichzeitig schränkt die Mega-Staudämme die Bewegungsfreiheit der Guerilla ein. Allein der Atatürk-Staudamm ist viermal so groß wie der Bodensee, zigtausende mussten ihm weichen. Den Menschen wird die Lebensgrundlage entzogen. Von Landwirtschaft zu leben ist für die Kleinbäuerinnen kaum mehr möglich, es bleibt der Weg in die Elendsquartiere der Großstädte. Am Vortag unserer Abreise entdecken wir ein charmantes Lokal am Flussufer und besuchen selbiges gleich mittags und abends. Der Munzur, oder was davon übrig ist, zeigt seine Anziehungskraft bei Tag und bei Nacht gleichermaßen. Angesichts der „Verdammung“ genießen wir frischen Munzur-Fisch mit gemischten Gefühlen.
Die Türkei erscheint heute als dreigeteiltes Land. Der liberale, konsumorientierte Westen, die religiös geprägte Mitte und der kurdische Osten, die über einen Kolonialstatus nicht hinauskommt, und in dem ein Bürgerkrieg derzeit niederer Intensität tobt. Das Hegemoniekonstrukt des türkischen Nationalismus verbindet die AKP mit dem sunnitischen Islam. Die Widersprüche werden sich damit vielleicht oberflächlich kaschieren lassen – und das auch nur in Zeiten wirtschaftlicher Prosperität –, gelöst sind sie noch lange nicht.

Wer die Arbeit von LeEZA bzw. das Frauenzentrum in Dersim unterstützen möchte: Infos auf www.leeza.at. Dort findet sich auch ein ausführlicher Bericht über die weiteren Stationen der Reise.

Mag.a Katharina Gusenleitner, geboren in Wels, Studium der Rechtswissenschaften in Wien, Sprach-, Rhetorik- und Schauspielausbildung in Linz, Vorstandsmitglied im Verein „Reizend“, Vorsitzende des Vereins zur Förderung der Medienvielfalt, derzeit beschäftigt als Juristin für u.a. Unternehmensrecht und im MBA-Studium.

Thomas Rammerstorfer, geboren in Wels, aktiv u. a. beim Infoladen Wels und LeEZA. Inhaltliche Schwerpunkte: Rechtsextremismus, Jugendkulturen, Türkei.

„Die armenische Frage existiert nicht mehr“[1]

 

aus CONTEXT XXI, Ausgabe 5/6 2005

Ein fast vergessener Völkermord

„Der kranke Mann am Bosporus“
… war vor dem ersten Weltkrieg eine gängige Bezeichnung unter europäischen Diplomaten für das vor sich hin siechende Osmanische Reich. Von 1800 bis Anfang des 20. Jahrhunderts verloren die Osmanen einen großen Teil ihres einst gewaltigen Reiches: Bosnien-Herzegowina, Serbien, Albanien, Makedonien, Montenegro, Bulgarien, Rumänien, Griechenland, Bessarabien, Ägypten – die europäischen Großmächte, allen voran Russland, England und Frankreich bedienten sich Stück für Stück am osmanischen Kuchen. Mittels diplomatischer Finten, der Initiierung und Förderung nationalistischer Aufstände in der Peripherie und offenen Kriegen. Immer wieder gebärdeten sich England, Frankreich, Russland und zeitweise auch Österreich bzw. Österreich-Ungarn auch als Schutzmächte der unter osmanischer Herrschaft lebenden ChristInnen und erpressten so territoriale Zugeständnisse. Die osmanische Herrscherdynastie hatte dem wenig entgegen zu setzen: die Wirtschaft hatte den Anschluss verloren und wurde durch Billigimporte aus den Kolonien vor allem Englands weiter geschwächt[2], eine bürokratische Administration unter größtenteils unfähigen Monarchen und eine veraltete Armee mit ebenso unfähigen Befehlshabern – insbesondere innerhalb der türkischen, muslimischen Mehrheitsbevölkerung entstand ein Gefühl „der Schwäche und des Verfalls“[3].

Die Jungtürken

Bei gescheiterten Mittelständlern, Studenten und jungen Offizieren fielen säkulare, republikanische und nationalistische Ideen auf fruchtbaren Boden – die so genannte jungtürkische[4] Bewegung entstand als breite Sammlung unterschiedlicher politischer und nationaler Gruppierungen, deren Ziel die gänzliche oder teilweise Entmachtung des Sultanats und Schaffung eines „modernen“ Staatswesens nach Vorbild der europäischen Staaten war. Innerhalb der jungtürkischen Bewegung waren die ethnischen Minderheiten anfangs durchaus gut vertreten – viele ArmenierInnen, TscherkessInnen, GriechInnen, BulgarInnen, JüdInnen, Aseris etc. erhofften sich durch einen Sturz der Monarchie und ein Zurückdrängen des Islamismus mehr Rechte zu erhalten. Insbesondere die ArmenierInnen und ihre stärkste politische Partei, die Daschnakzutjun[5], erwarteten sich von einer Republik eine Verbesserung ihrer Lage und ein Ende der immer wieder aufflackernden Pogrome.
Staatlich gelenkte Pogrome hatten von 1894–1896 bis zu 300.000 ArmenierInnen das Leben gekostet. Um von ihrer eigenen Unfähigkeit abzulenken, hatten die osmanischen Herrscher die Bevölkerung immer wieder je nach Bedarf gegen die ArmenierInnen aufgehetzt.[6] Der deutsche Botschafter Wangenheim äußerte sich verständnisvoll über den anti-armenischen Pöbel. Die „Armeniermassakres“ seien „nur die natürliche Reaktion auf das Aussaugesystem der armenischen Geschäftsleute“[7], die Armenier seien eben die „Juden des Orients“.[8]
1908 kam es zum Umsturz im Osmanischen Reich. Die Jungtürken eroberten die Macht – Sultan Abdulhamid wurde abgesetzt und durch seinen Bruder Mehmed V. ersetzt, dessen Machtbefugnisse sich allerdings nur mehr auf Zeremonielles beschränkte. Die eigentliche Macht im Staate waren nun die Jungtürken, insbesondere deren radikal säkular-nationalistischer Flügel ittihat ve terraki[9] um Enver Pascha und Talat Pascha. Die ittihad ve terraki war stark im Militär verankert und konnte ihren Einfluss auch nach den Niederlagen im Konflikt mit Italien 1911[10] und in den Balkankriegen 1912/13[11] ausdehnen, so dass sich de facto ab 1913 eine Einparteiendiktatur, geleitet vom Triumvirat Enver Pascha, Talat Pascha und Dschemal Pascha manifestierte.

„Es ist erforderlich, das armenische Volk vollständig auszurotten …“

Im November 1914 trat das Osmanische Reich an der Seite Deutschlands, Österreich-Ungarns und Bulgariens in den Weltkrieg ein. Der Krieg an der Seite der Deutschen, mit denen schon eine lange intensive wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit bestand, sollte den Türken die Möglichkeit geben, einerseits dem Erbfeind Russland eine Niederlage zu bereiten und verlorene Territorien vor allem auf dem Balkan und im Kaukasus wiederzugewinnen.
Aus dem Vielvölkerreich sollte ein ethnisch homogener Nationalstaat werden, der alle „Turkvölker“, also auch Aseris, Turkmenen etc. vereinen sollte. Dem im Weg standen die nicht-türkischen und nicht-moslemischen Minderheiten, allen voran die christlichen ArmenierInnen, deren „millets“[12] vor allem im ostanatolischen Raum der Vereinigung der „Turkvölker“ nach Sicht der türkischen Nationalisten im Weg standen. In den Wirren eines großen Krieges sollte es möglich sein, vor allem die ArmenierInnen loszuwerden. Nazim Bey, führender Ideologe des Pantürkismus und Politiker der ittihad ve terraki formulierte es so: „Es ist (…) erforderlich, das armenische Volk vollständig auszurotten, so dass kein einziger Armenier auf unserer Erde übrigbleibt und der Begriff Armenien ausgelöscht wird.“
Während der Krieg die Osmanen bald in eine nahezu aussichtslose militärische Lage brachte – die russische Armee rückte im Kaukasus vor, die britischen und französischen Truppen griffen in Nordafrika und Arabien sowie die Meerenge der Dardanellen an – begann die ittihad ve terraki ihre Vernichtungspläne gegen die ArmenierInnen in die Tat umzusetzen. Die schwierige Situation an den Fronten erwies sich dabei sogar als hilfreich, da hierfür wiederum die ArmenierInnen verantwortlich gemacht wurden, denen unterstellt wurde mit der russischen Armee zu kooperieren – eine Behauptung, die nur für eine Minderheit zutreffend war, die überwiegende Mehrheit der ArmenierInnen verhielt sich loyal zum Osmanischen Reich. Weiters machte sich die ittihad ve terraki – obwohl selbst säkular – religiöse Vorurteile zu nutzen. So begann die teskilat i mahsusa, eine Spezialeinheit der Regierungspartei, mit Hilfe von kurdischen Banden, aus Sträflingen und Kriegsflüchtlingen zusammengestellte „Hilfstruppen“ sowie regulären Armee- und Polizeieinheiten mit der Deportation der armenischen Bevölkerung, vorerst aus den nahe der Kaukasus-Front gelegenen Dörfern und Städten.
Die Aktionen gegen die ArmenierInnen verliefen regional sehr unterschiedlich, aber zumeist nach etwa folgenden Muster: Zuerst wurden die armenischen Soldaten aus der Armee entfernt und in Straf- und Arbeitsbataillone gesteckt, wo sie zumeist im Straßenbau an der Kaukasusfront beschäftigt waren. Dann kam es zur Verhaftung der jeweiligen Notabeln, also von Regionalpolitikern, Geistlichen, Ärzten, etc. Anschließend erhielten mal ganze Dörfer oder Städte, mal vorerst nur die „wehrfähige“ männliche Bevölkerung zwischen 16 und 60 den Evakuierungsbefehl. Ein Teil davon wurde bei erster Gelegenheit erschossen, wie der damalige US-amerikanische Diplomat Henry Morgenthau berichtet: „Hier und da trieb man 50 oder 100 Männer zusammen (…) und führte sie an einen Ort nicht weit vom Dorf entfernt. Plötzlich ertönten Gewehrschüsse. (…) In einigen Fällen, die mir bekannt wurden, hatten die Mörder die Leiden ihrer Opfer noch erhöht, indem man sie zwang, ihre eigenen Gräber auszuheben, bevor sie erschossen wurden.“[13] Die Situation verschärfte sich, als die Bedrohung der Dardanellen und somit Istanbuls durch die britische Marine unter Winston Churchill immer größer wurde. Die ittihad ve terraki plante, den Widerstand nach einem Fall Istanbuls vom anatolischen Kernland fortzusetzen – zuvor galt es aber den angeblichen „inneren Feind“ dort zu vernichten. Die steigende Zahl der Armenier, die sich vor der Zuteilung in Arbeitsbrigaden, die oft den sicheren Tod bedeutete, durch Desertion entzog, „bestätigten“ die Behauptungen türkischer Scharfmacher, die ArmenierInnen würden mit dem „Feind“ kooperieren.
Nach Abwehr des britischen Angriffs auf die Dardanellen brachte der 24. April 1915 eine Verhaftungs- und Deportationswelle in Istanbul. Ab Mai 1915 befanden sich hunderttausende ArmenierInnen auf gewaltigen Märschen in Richtung der syrischen und irakischen Wüste. Zehntausende wurden gleich an ihren Heimatorten ermordet. Es kam zu Kreuzigungen, Vergewaltigungen, zur Tötung durch medizinische Versuche, als armenischen Soldaten wie auch Kindern Typhuserreger geimpft wurden. Auch Versuche mit Vergasungen wurden unternommen: 1915 an armenischen Kindern in Trapesunt – der Raum war als Dampfbad getarnt.[14] Im Juni kam es zu einem gewaltigen Massaker bei der Kemah-Schlucht. Etwa 20–25.000 Menschen wurden – oft zu Dutzenden aneinander gebunden – in den Euphrat gestürzt. Wochenlang war der Fluss voller Leichen, die durch Kurdistan und den Irak dem Persischen Golf entgegen trieben.[15] Die meisten ArmenierInnen fielen jedoch nicht Massakern zu Opfer, sondern starben auf den endlosen Märschen in Richtung syrischer und mesopotamischer Wüste[16] an Hunger, Erschöpfung und Krankheiten. Doch die Vernichtung durch Todesmärsche barg Gefahren für die Vernichter[17]: Der österreichische Militärbevollmächtigte in der Türkei, Joseph Pomiankowski, berichtet von einer Flecktyphusepedemie, die durch die armenischen Marschkolonnen verbreitet wurde, und „an welcher mindestens eine Million Mohammedaner zugrunde ging.“[18]

Die Vernichtung der ArmenierInnen – die Entstehung der Türkei

Wenn wir die Ereignisse oberflächlich betrachten, gäbe es für die türkische Republik keinen Sinn den Völkermord 1914/15 zu leugnen. Die ArmenierInnen wurden nach Plänen und von (para-)militärischen Einheiten des Osmanischen Reiches niedergemetzelt; eines Staates, den die Gründer der „modernen“ Türkei abgelehnt und letzten Endes abgeschafft haben. Dem türkischen Gründervater Kemal „Atatürk“ kann man so manches vorwerfen – eine direkte Beteiligung am großen Genozid aber nicht[19]. Der Grund für die türkische Realitätsverweigerung ist wohl eher darin zu suchen, dass die ArmenierInnenvernichtung überhaupt erst die Gründung der „modernen“ Türkei ermöglichte:
Unmittelbar vor Ausbruch des Weltkriegs „hatte die osmanische Statistik feststellen müssen, dass 66 Prozent des Binnenhandels, 79 Prozent der Industrie- und Handwerksunternehmen und 66 Prozent der akademischen Berufe sich in den Händen der christlichen Minderheiten, also der Griechen und Armenier, befanden.“[20] Es gab also keine türkische Bourgeoisie, stellte der Pantürkist Yusuf Achura bereits 1911 fest, „doch die Bourgeoisie bildet die Grundlagen aller modernen Staaten“.[21] Und die Grundlage der Republik Türkei bildet also nicht zuletzt der Besitz der ermordeten und vertriebenen ArmenierInnen und GriechInnen.
Die Profiteure der Türkisierung bildeten die Basis und waren die Finanziers von Kemal Atatürks Armee, die gegen die nach der Niederlage 1918 ins Land gekommenen englischen, französischen, italienischen und griechischen Besatzungstruppen ins Feld zog. „Die ersten, die sich im Nationalen Kampf bewegten, waren die Muslime, die die Handels- und Industriefirmen, die Häuser und Ländereien, die Wein- und Obstgärten der Griechen und Armenier beschlagnahmt hatten.“[22]
Der offizielle Gründungsmythos der Türkei lautet natürlich ein bisschen anders. Da ist die Rede von einem antiimperialistischen Befreiungskampf gegen die vielfach überlegenen Entente-Truppen. In Wahrheit zogen Frankreich, Italien und Großbritannien ihre Armeen bei den ersten Anzeichen von Schwierigkeiten zurück – einerseits war die Bevölkerung in den Entente-Staaten unmittelbar nach Ende des Ersten Weltkriegs nicht auf einen neuen großen Krieg vorbereitet, andererseits hatte sich die geopolitisch-strategische Situation mit Entstehen der Sowjetunion geändert – gegen den Kommunismus konnte eine starke, unabhängige Türkei ein wichtiges Bollwerk werden. Den türkischen Nationalisten blieben die Griechen und die armenische Republik als Gegner übrig – beider konnten sie sich relativ rasch entledigen. 1926/27 wurde die Verteilung der „zurückgelassenen“ armenischen Güter endgültig rechtlich besiegelt. Die armenische Frage existiert seit diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Türkei.[23]
Die Zahl der zwischen 1914 und 1920 ermordeten ArmenierInnen beläuft sich auf zwischen 800.000 und 2 Millionen. Am häufigsten wird die Zahl von 1,5 Millionen (von 2,5 Millionen im osmanischen Herrschaftsgebiet lebenden) ArmenierInnen genannt. Je nach Berechnungsart inkludiert bzw. exkludiert diese Zahl die wahrscheinlich weit über 100.000 ArmenierInnen, die bei der Zerschlagung des unabhängigen Armeniens[24] von 1918–1920 niedergemetzelt wurden bzw. in Kämpfen fielen.

[1] Talat Pascha, 31. 8. 1916, zit. nach Lepsius, Deutschland und Armenien, Potsdam 1919

[2] Selbst einige ehemalige klassische Exportgüter des Osmanischen Reiches wie Stoffe, Kaffee und Zucker wurden nun aus Indien importiert.

[3] Zit. nach Lewis, Der Atem Allahs, Oxford 1964, S. 52.

[4] Benannt nach der im französischen Exil erschienenen Oppositionszeitung „Junge Türkei“.

[5] Haj Herpochakan Daschnakzutjun – Armenische Revolutionäre Föderation. Mitgliedspartei der 1. Internationalen.

[6] Zu den Ressentiments gegenüber den ArmenierInnen siehe Artikel von Thomas Schmidinger in diesem Heft.

[7] In einem Brief an Kanzler Bethmann-Hollweg, 23. 2. 1913 (www.armenocide.de).

[8] Ebenda.

[9] ittidhad ve terraki: Komitte für Einheit und Fortschritt

[10] Im Krieg um Tripolis.

[11] Mit Bulgarien, Serbien, Griechenland.

[12] Eigentlich „Nation“, im Sprachgebrauch des Osmanischen Reiches aber eine nach Religionszugehörigkeit gegliederte Selbstverwaltungeinheit mit eigenem Oberhaupt (mit beschränkten regionalpolitischen bzw. religiösen Befugnissen).

[13] Zit. nach Hosfeld, Operation Nemesis, Köln 2005, S. 145.

[14] Zit. nach Hoffmann, Annäherung an Armenien, München 1997, S. 99 ff.

[15] Hosfeld 2005, S. 199.

[16] Siehe Akcam, Armenien und der Völkermord, Hamburg 2004.

[17] Die Nazis zogen für ihr Vernichtungsprogramm „wertvolle“ Schlüsse aus den „Fehlern“ der Türken.

[18] Hoffmann 1997, S. 101.

[19] Bernd Rill, Kemal Atatürk, Reinbek 1985, S. 53.

[20] Hosfeld 2005, S. 261.

[21] Ebenda, S. 262.

[22] Nach Baskay, Istanbul 1991; zit. nach Caglar, Die Türkei zwischen Orient und Okzident, Münster 2003.

[23] In etwa ab diesem Zeitpunkt begann sich der türkische Chauvinismus dann verstärkt der „kurdischen Frage“ zu widmen .

[24] Nach der Niederlage des Osmanischen Reiches entstand kurzfristig eine unabhängige Republik Armenien, die 1918 von türkischen Truppen überfallen wurde. Schließlich wurde ein Teil davon nach Einmarsch der Roten Armee die spätere Sowjetrepublik Armenien.

Audio & Video

Zur Lage von Flüchtlingen in der Türkei von Radio KUPF:
http://cba.fro.at/297484

Zwei Radiobeiträge zu Verschwörungstheorien:

Freies Radio Salzkammergut:
http://www.freiesradio.at/content/der-widerhall-woche-5-4

Radio KUPF:
http://cba.fro.at/ondemand?series_id=262394

„Live aus der Fabrik“ zu „Rechtsextreme Tendenzen in Jugendkulturen“, Studiogast Thomas Rammerstorfer

http://www.dorftv.at/videos/live-aus-der-fabrik/4037

Radio Freistadt: “Rechtsextremismus in Österreich. Über die aktuelle Situation und Möglichkeiten der Intervention” – ein Gespräch mit Thomas Rammerstorfer, Maria Buchmayr (Grüne OÖ) und Willi Mernyi (Mauthausenkomitee)

http://cba.fro.at/66515

Bildungs-TV: Vortrag „Brauntöne“ mit Markus Rachbauer und Thomas Rammerstorfer

http://daten.bildungs.tv/bildungsthemen/vortraege/3331/rechtsextreme-jugendkulturen

Freies Radio Salzkammergut: Sendung zu „Brauntöne“ mit Markus Rachbauer und Thomas Rammerstorfer

http://cba.fro.at/show.php?lang=de&eintrag_id=14126

Freies Radio Oberösterreich: Interview zur Situation in der Türkei 2013 und zu türkischen MigrantInnen in Österreich mit Thomas Rammerstorfer

http://cba.fro.at/ondemand?id=112051

Radio KUPF: Gespräch mit Thomas Rammerstorfer und Peter Ohlendorf (Regisseur von „Blut muss fliessen“):

http://cba.fro.at/ondemand?series_id=27

 

Kreide gefressen: Die faschistischen „Grauen Wölfe“ buhlen um Sympathien in Österreich

aus „Planet Burgenland“, August 2011

Der Einfluss türkischer RechtsextremistInnen wird zunehmend spürbar – auch in der österreichischen Kommunalpolitik.

Zwei Schauplätze: Sinnigerweise am 1. April 2011 luden die christlichen Pfarren in Wels, Oberösterreich, zu einer Integrationsveranstaltung unter dem Motto „Die Zeit des Nebeneinanders ist vorbei“. Von der türkischer Seite sind nur die konservativen Moscheevereine und die faschistischen „Grauen Wölfe“ eingeladen, die liberalen AlewitInnen und andere religiöse Minderheiten fehlten. Die „Grauen Wölfe“ schickten ein eloquente, unverschleierte junge Dame, die den anwesenden christlichen und politischen Größen in bestem Deutsch Honig ums Maul strich. Die Veranstaltung endete in allgemeiner Harmonie.

Auch in der türkischen Stadt Malatya ist „die Zeit des Nebeneinanders vorbei“. Hier schickten die „Grauen Wölfe“ allerdings kein junges Mädchen in den dortigen Bibelverlag, sondern eine Gruppe ihrer Militanten, die dort zwei einheimische und einen deutschen Christen abschlachteten. Die Umstände sind noch nicht restlos geklärt – bisher wurden 20 Verdächtige, „Graue Wölfe“, aber auch Armeeangehörige – festgenommen.[1]

Mit Massakern aller Art konnten die „Grauen Wölfe“, wie sich die AnhängerInnen der „Partei der Nationalistischen Bewegung“ (MHP), nennen, in den vergangenen 40 Jahren reichhaltige Erfahrung sammeln. Allein Ende der 70er wurden bei einer wahren Terrorwelle an die 5000 Morde verübt: an SozialistInnen und anderen Linken, JüdInnen, GewerkschafterInnen, FraunrechtlerInnen und verschiedenen Minderheiten, an KurdInnen und den meist sehr liberal eingestellten AlewitInnen. ChristInnen geraten auch immer wieder in die Schussbahn –  so auch Papst Johannes Paul der Zweite, der 1981 bei einem Attentat von drei Kugeln getroffen wurde. Der Täter, Ali Agca, war MHP-Aktivist und hatte bereits zuvor Abdi Ipekci, einen angesehenen Intellektuellen jüdischer Abstammung, ermordet. „Zunehmend wird die christliche Welt als Kollaborateur des grausamen Judentums dargestellt“ attestierte der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfahlen 2009 über die jüngere ideologische Entwicklung der MHP.

Die österreichische AnhängerInnenschaft der „Grauen Wölfe“ konnte in den letzten Jahren ihren Einfluss zunehmend ausbauen. Das liegt zum einen am verstärkten Zulauf durch Jugendliche mit türkischem Migrationhintergrund, die sich angesichts des ihnen entgegenschlagenden Alltagsrassismus mehr und mehr in die eigene community zurückziehen. Zum anderen werden die Ultra-Nationalisten von der österreichischen Politik sogar gefördert. Dies geschieht zum Teil aus Unwissenheit, zum Teil aber durchaus aus Kalkül: In Linz etwa wurde den Faschisten 2009 sogar das Rathaus für eine Propaganda-Veranstaltung[2] überlassen. Bereits am 1. Mai 2007 marschierten SPÖ und FaschistInnen gemeinsam – allerdings mussten letztere die Party etwas früher verlassen, um den Maiaufmarsch der türkischen und kurdischen Linken anzugreifen – ein 14-jähriges Mädchen wurde durch einen Steinwurf schwer verletzt. Priorität hat für die „Grauen Wölfe“ momentan aber nicht der Kampf auf der Strasse, sondern in den Integrationszentren- und beiräten, in den Bezirks- und Landesschulräten. Hier gilt es sich Geld, Einfluss und das Wohlwollen österreichischer Notabeln zu sichern, und gleichzeitig die Positionen der liberalen, säkularen und linken TürkInnen und KurdInnen zurückzudrängen.

Mit realen „Integrationsbemühungen“ hat das Engagement der „Grauen Wölfe“ und andere nationalistischer Vereine freilich wenig zu tun, im Gegenteil, wie auch der Verfassungsschutz Baden-Würtemberg attestiert:

„Es liegt auf der Hand, dass durch die Zugehörigkeit zu einem Verein dieser Ausrichtung eine Integration in die deutsche Gesellschaft gleichsam unmöglich erscheint, richten sich doch die Ziele der ‚Idealisten‘ nicht nur gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, sondern sind gleichzeitig auch als antidemokratisch, antiliberal und antipluralistisch zu werten.“

In österreichischen Verfassungsschutzberichte finden die türkischen Faschisten keine Erwähnung, offenbar ist man zu sehr mit der Überwachung von Tierschützern beschäftigt., um sich auch noch dieses Problems anzunehmen. Es gibt aber ein anderes Papier aus dem Innenministerium wo sie auftauchen: Im Suchmittelkriminalität-Jahresbericht 2009 als „politisch motivierte Tätergruppe“ im „Heroingroßhandel“[3].

Thomas Rammerstorfer


[1] http://www.esiweb.org/pdf/esi_document_id_127.pdf

[2] http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabId=4975&alias=wzo&cob=419591

[3] http://www.praevention.at/upload/documentbox/Bericht2009.pdf