Redebeitrag bei der Gezi-Park-Soliveranstaltung am 6. Juli in Linz

Ich danke euch sehr für die Möglichkeit hier einige Sätze zu sagen. Ich habe die Freude gehabt, Anfang Juni in der Türkei – wenn auch nur als Tourist in Bodrum – ein bisschen etwas vom Duft der Revolution zu kosten.

Nach meiner Rückkehr wurde ich sehr schnell auf den Boden – auf den tiefen, tiefen Boden – der österreichischen Realpolitik zurück geholt. Der ORF lud den rechtsextremen Andreas Mölzer als Türkei Experten. „Grüne“ Politiker träumten von der Abschiebung von AKP-Anhängern oder davon, Menschen aus der Türkei vor der Verleihung der Staatsbürgerschaft besonders zu überwachen. Unser „Integrationsstaatssekretär“ Sebastian Kurz möchte unseren MitbürgerInnen aus der Türkei überhaupt das Demonstrationsrecht, einen Grundpfeiler der Demokratie, absprechen.
Zu den AnhängerInnen der AKP möchte ich sagen: Wir sollten mit Worten um ihre Köpfe und ihre Herzen kämpfen. Nicht mit Drohungen. Durch Drohungen macht man niemand zu einen Demokraten.

Die Kommentare der österreichischen Politiker zeigten generell ein strohdummes Schwarz-Weiß-Denken. Und sie sind verlogen: Während man die Türkei vorderhand kritisiert, und gegen TürkInnen polemisiert, unterstützt man ihren Repressionsapparat mit Auslieferungen und Abschiebungen angeblicher „linker Terroristen“ – wie im Fall des Ali Yesil, wie im Fall des angeblichen DHKP-C-Mitglieds aus Wien, der vor einer guten Woche von der österreichischen Polizei verhaftet wurde. An dieser Stelle möchte ich fordern, dass überhaupt keine Menschen mehr an die Türkei ausgeliefert oder abgeschoben werden, schon gar nicht wegen angeblicher politischer Delikte!

Auch die kurdische und türkische Linke muss aus ihren Fehlern der Vergangenheit lernen. Der Dogmatismus und die Engstirnigkeit der Vergangenheit haben ihre Niederlagen herbeigeführt und die Feinde der Menschlichkeit triumphieren lassen. Wenn ich die heutigen Bewegungen betrachte, sehe ich viel Hoffnung: Die Entwicklung der kurdischen Bewegung weg vom Nationalstaatsdenken hin zu neuen Konzepten wie dem „demokratischen Konföderalismus“; und jetzt die Gezi-Park-Bewegung mit ihrem unglaublichen Potential an Solidarität, Kreativität und Mut. Hier entsteht eine neue Türkei. Eine neue Türkei in der es egal ist, ob jemand Türke oder Kurde ist, Mann oder Frau, Sunnit oder Alevit, überhaupt egal ob Christ, Jude, Moslem oder Atheist, in der es reicht, Mensch zu sein.

Dankeschön. Her yer Taksim, her yer direnis!
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