Bunte, Braune, brave Bürger. Aktueller Rechtsextremismus in Wels

Der oberösterreichische Zentralraum stellt eine traditionell fruchtbare Region für deutschnationale und rechtsextreme Strömungen dar. Insbesondere Wels verfügt über historisch gewachsene Milieus.
Einer breiteren Öffentlichkeit wurde dieses Faktum bei den Gemeinderatswahlen 2009 bewusst, bei denen die FPÖ 29,9 % der Stimmen erreichte und die neonazistischen „Bunten“ eine Kandidatur versuchten. Letztere wäre wohl auch mit dem Einzug in den Gemeinderat belohnt worden, wäre der Wahlvorschlag nicht wegen offensichtlicher Verfassungswidrigkeit abgelehnt worden. Unter der Fuchtel des sich seit Jahrzehnten immer wieder betätigenden Ludwig Reinthaler hatten sich diverse rassistische Querulanten und rund 20 Angehörige der Vogelweider Skinhead-Szene zusammengetan. Seit Ende der 1980er Jahre existiert in diesem Stadtteil ein – behördlich unangetastetes – Milieu, das mal diese, mal jene Gruppe bildete: Rapid Club Wels, Patriotic Front, Club Wels, White Wolfes (sic!), die Bunten oder seit Neuestem ein unter dem Namen Road Crew Oberösterreich auftretender Zusammenschluss von Neonazis und Hooligans. Nachwuchs rekrutiert sich aus von Kriminalität, Gewalt sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch geprägten „White Trash“-Familien. Dementsprechend niveauvoll agiert man: So wünschte Jochen L., 2003 Kandidat der Welser FPÖ, im Jänner Bürgermeister Koits und das „Kanackengesindel“ „ins Kurhotel Ausschwitz“ (sic!). Getätigt wurde die Äußerung in der facebook-Gruppe „I mog Wels nimma!“. Frühpensionist Jochen L., dessen Schwester 2009 für die Bunten kandidieren wollte, entschuldigte seine Äußerung später damit, dass er unter Drogeneinfluss gestanden hatte. Hass und Gewalt prägen die Szene. 2011 wurde ein Noitzmühler Wirt Zufalls(-todes)opfer eines Rechtsextremen, des wegen seines Hitler-Tatoos bekannten Peter H. Im Sommer desselben Jahres forderten Übergriffe von Rechtsextremen zahlreiche z. T. Schwerletzte in der Innenstadt. Im Dezember 2012 wurden zwei sich küssende Männer von homophoben Schlägern schwer verletzt. Zu den Drohungen und Gewaltakten kommen immer wieder Schmier- und Pickerlaktionen.

Doch Rechtsextremismus ist bei weitem kein auf die Unterschicht beschränktes Phänomen. Auch in den höheren Schulen mehren sich Versuche, Jugendliche zu agitieren und zu organisieren. 2012 war hier insbesondere die NS-Splittergruppe „Heimatpartei Österreich“ (HPÖ) aktiv. Traditionell werden die Oberstufen von der Burschenschaft Gothia beackert. Der Männer- bzw. Bubenbund bietet deutschnationalen Freizeitspaß mit Fechten, Schießen und vor allem ausgiebigen Trinkgelagen.

Die Welser Freiheitlichen versuchen sich betont gemäßigt zu geben, um bürgerliche WählerInnenschichten nicht zu vergraulen. Doch nicht nur Hinterbänkler wie der erwähnte Jochen L., auch Vize-Bürgermeister Bernhard Wieser selbst hat offenbar ein durchaus ungezwungenes Verhältnis zur Braunzone. Er unterschrieb 2009 eine Unterstützungserklärung für die später verbotene Neonazi-Truppe Nationale Volkspartei. Selbst seine eigenen, und somit des Antifaschismus sicherlich unverdächtigen, ParteikollegInnen der FPÖ Enns bezeichneten die NVP als „braune Zecken“… Landesparteiobmann Haimbuchner aus Steinhaus, einst Schüler in Wels, ist ebenso gut vernetzt mit rechts außen. So ist er stellvertretender Vorsitzender des Witiko-Bundes, einer üblen revanchistischen Vereinigung. Der bisherige Obmann, Robert H., sitzt derzeit eine Haftstrafe wegen Waffen- und Kriegsmaterialschmuggel ab, ein für dieses Milieu nicht untypisches Delikt.

Faschistisches, rassistisches und antisemitisches Gedankengut sind aber nicht ausschließlich unter „Einheimischen“ kursierende Phänomene. Bei subkulturellen Neonazis und der FPÖ tummeln sich durchaus auch Menschen mit z. B. kroatischem oder ungarischem Migrationshintergrund. Man findet sich im autoritären Denken und dem gemeinsamen Hass auf den Islam. Unter den MuslimInnen wiederum existieren Splittergruppen, die rabiaten Antisemitismus verbreiten, oder faschistische Gruppen wie die türkischen „Graue Wölfe“. Antisemitische Tendenzen und Weltverschwörungstheorien finden sich auch in der Esoterik-Szene.

Der klassische Nazi-Skinhead ist ein Auslaufmodell, die letzten alten Nazis bald gestorben. Antidemokratischer Extremismus und rechte Gesinnung haben heute neue Gesichter. Dementsprechend muss ein moderner Antifaschismus vielfältige Aufklärungsarbeiten leisten: Wir dürfen einerseits nichts vergessen, müssen aber auch in der Lage sein, Neues zu lernen.

aus Stadtplanet Wels, Nr. 15

Zur historischen Entwicklung des Rechtsextremismus in Wels:
http://kvinfoladenwels.wordpress.com/2011/12/06/rechtsextremismus-und-neonazismus-in-wels/

Thomas Rammerstorfer, geb. 1976, aktiv beim Infoladen Wels, der Liga für emanzipatorische Entwicklungzusammenarbeit und Vorstandsmitglied der Welser Initiative gegen Faschismus. Recherchiert zu Migration, Integration, österreichischem und türkischem Rechtsextremismus und Jugendkulturen; zahlreiche Vorträge und Artikel dazu. Mitarbeiter im Rechercheteam von Corinna Milborn für das Buch „Gestürmte Festung Europa“ (2006), Mit-Autor von „Grauer Wolf im Schafspelz“ (2012)